Paolo Brenni
Schweiz

Ein Tessiner in Luzern: Pfarrer Paolo Brenni ist mit 95 Jahren verstorben

Der Luzerner Ehrenchorherr Paolo Brenni ist am Samstag verstorben. Er war ein schweizweit bekannter Jugendseelsorger, Verbandspräses und Pfarrer – inspiriert vom Zweiten Vatikanischen Konzil.

Stephan Leimgruber*

Paolo Brenni wirkte in der Nachkriegszeit bis zum Konzil als Vikar, als Bundeskaplan der Jungwacht, als Verbandspräses der Katholischen Jungmannschaft, als gymnasialer Religionslehrer, Fernsehprediger und katechetischer Schriftsteller. Ausgerüstet mit den neuen Ideen des Konzils, war er anschliessend lange Jahre ein moderner und beliebter Pfarrer von St. Anton, Luzern, und von Hildisrieden LU.

Den wohlverdienten Ruhestand (1996–2019) verbrachte er in der Gemeinschaft des Kollegiatsstifts St. Leodegar, Luzern.

Stephan Leimgruber, emeritierter Professor und Priester des Bistums Basel
Stephan Leimgruber, emeritierter Professor und Priester des Bistums Basel

Der Tessiner

Paolo Brenni erblickte am 16. August 1926 in Salorino bei Mendrisio im Kanton Tessin das Licht der Welt. Dieser Region, die damals noch zum «Bistum Basel und Lugano» gehörte, blieb er zeitlebens emotional verbunden. Als Junge wäre er gerne bei den Kapuzinern in Faido eingetreten. Aber der Vater wollte, dass er sich vorerst mit einen ‘richtigen’ Beruf fürs Leben absichere.

Seine Mutter starb früh. Paolo war gerade drei Jahre alt. Die Familie zog nach Bern, wo Paolo aufwuchs, die Primarschule besuchte und später an der Universität Jura studierte. Die Matura absolvierte er im katholischen Gymnasium Schwyz, das damals unter der Obhut der Deutschschweizer Ordinarien stand.

Vom Recht zur Theologie

Das Jusstudium erfüllte den geistig regen Tessiner nicht ganz, was ihn dazu bewog, in die Theologie zu wechseln. In Luzern, Rom und Solothurn studierte er Philosophie und Theologie. Bischof Franziskus von Streng weihte ihn am 29. Juni 1953 – am Fest St. Peter und Paul – in der Kathedrale Solothurn zum Priester. Eine Woche später feierte er in der Dreifaltigkeitskirche Bern Primiz (damals das «Erstlingsopfer») mit Festprediger Josef Meier, seinem Vorgänger als Verbandspräses.

Die Kathedrale St. Urs und Viktor in Solothurn
Die Kathedrale St. Urs und Viktor in Solothurn

Paolo Brenni trat die erste Vikariatsstelle im thurgauischen Arbon am Bodensee an. Bereits 1956 wurde er zum Fernsehprediger berufen, dem ersten aus Luzern.

Gefragter Referent und Prediger

Paolo Brenni gehörte zu den Spitzenleuten im Verbandskatholizismus und in der kirchlichen Jugendarbeit. Dies von der Nachkriegszeit bis und mit Zweites Vatikanisches Konzil. Mit neuen Ideen für eine zukunftsfähige Kirche im Kopf wirkte er in Exerzitien impulsgebend, an geistlichen Einkehr- und Ostertagen mit grossem Engagement. Damals wechselte die Sprache in der Liturgie bereits teilweise vom Latein zur Muttersprache.

Der Theologe war gefragter Referent und lebendiger Prediger in Festgottesdiensten, an Jubiläumsanlässen und in Weiterbildungen. Er übernahm Verantwortung im katholischen Pressewesen, etwa in der Zeitschrift «Jungmannschaft».

Verbandspräses der Katholischen Jungmannschaft

Von 1958 bis 1960 war er Bundespräses der Jungwacht und von 1960 bis 1966 Verbandspräses der katholischen Jungmannschaft. Er fungierte als geistlicher Begleiter des Jugendheims St. Karli, Luzern. Höhepunkte waren Auftritte mit uniformierten Jugendlichen, «vor wehendem Bannerwald», musikalisch gerahmt von den schmissigen Klängen der Clairongarde (Clairon ist ein Naturton-Blasinstrument, die Red.).

Bei seinem Abschied 1966 hiess es: «Wir danken ihnen, Herr Präses, sie waren uns Führer, Priester, hilfreiches Gegenüber und nicht zuletzt ein guter Kamerad». Kurze Zeit später beunruhigten protestierende 68er-Jugendliche die Schweizer Universitäten, Regierungen und die Rektorate.

Gymnasialer Religionslehrer

1966 wurde Paolo ehrenvoll an die Kantonsschule Luzern gewählt und zum Religionslehrer am Lehrerseminar Luzern berufen. Hier führte er das Gespräch mit der Jugend im Aufbruch. Er inspirierte Suchende und Fragende. Und er war Ansprechpartner der Eltern und der  Lehrerschaft.

Autorin Luise Rinser zu Gast

Nicht weniger anstrengend war anschliessend die Leitung der Pfarrei St. Anton Luzern, eine Aufgabe, die er gerne mit dem ganzen Team zusammen wahrgenommen hat. Er setzte eigene Akzente in der Pastoral: auf die Jugendarbeit und ihre stadtweite Koordination. Er betonte die ökumenische Dimension der Liturgie und Pastoral. Seine kreativen Fähigkeiten kamen beispielhaft in einem Spiel zum heiligen Antonius zum Tragen, das er selbst entworfen und inszeniert hatte.

Er begleitete Kinder zur Erstkommunion – bis 170 Kinder pro Jahrgang – und zum Firmsakrament. Er engagierte die bekannte deutsche Autorin Luise Rinser für Gespräche in der Karwoche 1975. Seine Freude als Seelsorger zeigte sich anhand der aktiven Mitarbeit zahlreicher Laien. In einem persönlichen Rückblick klopfte er sich selbst an die Brust mit den Worten: «Für einen Pfarrer gilt das Kyrie eleison in besonderem Mass. Aber auch das Deo gratias.»

Von 1983 bis 1996 leitete Paolo Brenni die Pfarrei Hildesrieden, ebenfalls eine grosse und lebendige Pfarrei in der Agglomeration Luzern.

Religiöser Schriftsteller

Der Katechet, Jugendseelsorger und Pfarrer publizierte mehr als zwanzig Schriften und Bücher mit religiös praktischer Ausrichtung. Das erste Werk «Der Start» (Luzern 1964) entwickelte Ideen für Schulendtage mit Jugendlichen. Das Werk hat über fünfzig Rezensionen in deutschsprachigen Zeitschriften erhalten.

In der Reihe «Grosse Vorbilder» steuerte er drei Bände bei mit Porträts herausragender Gestalten der Christentumsgeschichte. Brenni hat Geschichten geschrieben (und erzählt) zur katechetischen Vorbereitung auf die Erstkommunion und die Firmung. Aus der späteren Zeit sind Gottesdienstmodelle anlässlich von Bestattungen und Gedächtnissen zu verzeichnen, auch ein Band zum Sonnengesang des heiligen Franz von Assisi und ein Werk zur Frage des Friedens.

Hofkirche St. Leodegar Luzern
Hofkirche St. Leodegar Luzern

Bewusstes Leben als Christ im Alter

Paolo Brenni ist mit 70 Jahren vom Pfarramt zurückgetreten und hat 1996 in der Propstei des Kollegiatsstifts der Hofkirche Luzern Wohnsitz genommen. Er wusste sich beschenkt durch das tägliche Stundengebet in Gemeinschaft mit seinen Mitbrüdern.

Als er 2019 ins Betagtenheim ziehen musste, schätzte er die Arbeit der Pflegefachleute dankbar. Deren – oft andere – Religion begegnete er mit grossem Respekt.

Reflexion über den Glauben

Kritisch reflektierte er den eigenen Glauben in der Phase des Lockdowns und der Coronakrise: Dieser lehre uns, sagte er, «solidarischer miteinander umzugehen, bescheidener und zufriedener zu werden und mehr Verständnis zu haben für andere Völker, die im Elend leben». Entscheidend war für ihn bis zum Schluss der christliche Auferstehungsglaube. Dieser verleihe die Gewissheit, «dass es nicht beim Leiden bleibt, sondern dass es eine Auferstehung und ein neues Leben gibt. Der Glaube an Verwandlung und Erneuerung gibt mir jetzt Kraft und Zuversicht, und daraus folgt ein anderes Zusammenleben.»

Paolo Brenni ist am letzten Samstagabend im Betagtenzentrum Dreilinden von Viva Luzern verstorben. Dies nach einem langen, qualvollen Sterbeprozess und versehen mit den Tröstungen der Kirche. Er ruhe in Frieden.  

* Stephan Leimgruber (73) ist emeritierter Professor für Religionspädagogik der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er ist Priester des Bistums Basel.

Paolo Brenni | © zVg
16. Mai 2022 | 11:54
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