Samuel Frei mit Zeichnungen von «Susumu»-Fans, die ihm Mut machen.
Schweiz

Ein Teenager verarbeitet seinen eigenen Tod in einem Manga

An der diesjährigen «Fantasy Basel» wird der Manga «Susumu» von Samuel Frei präsentiert. Er handelt von einem Teenager, der vom Teufel zur Rache animiert wird. Der 17-jährige aus Diepoldsau SG setzt sich in der Geschichte mit seinem nahenden Krebstod auseinander. Samuel Frei erlebte die Veröffentlichung nicht mehr.

Sarah Stutte

Vom 18. bis 20. Mai findet die grösste Schweizer Comicmesse auf dem Messegelände in Basel statt. Die «Fantasy Basel» richtet sich an Fans von Film und Fantasy, Games, Comics sowie Cosplay. Dieses Jahr ist auch ein Stand des Schweizerischen Kinderspitex Vereins vertreten.

Cover «Susumu»
Cover «Susumu»

Hier können die Besucherinnen und Besucher den frisch gedruckten Manga «Susumu – der Teufel flüstert der Erde den Tod zu» kaufen. Sein junger Autor, Samuel Frei, aus Diepoldsau SG kann nicht mehr vor Ort sein, um sein eigenes Werk zu signieren. Er starb im April 2021 im Alter von 17 Jahren an Krebs.

«Meine Beine fühlten sich total schwer an»

Zwei Jahre zuvor wurde in der Halswirbelsäule des damals 15-Jährigen ein Klarzellsarkom entdeckt. Darunter versteht man einen seltenen bösartigen Tumor, der über Jahre wächst und erst dann schmerzhaft wird. In der Einleitung zu «Susumu» beschreibt Samuel Frei seine Erkrankung so: «Ich hatte schon längere Zeit einige diffuse Beschwerden wie ständige Schmerzen im Nackenbereich.»

Ausschnitt aus dem Manga «Susumu»
Ausschnitt aus dem Manga «Susumu»

Eines Tages, als er mit seiner Familie aus den Sommerferien zurückflog, konnte Samuel am Flughafen nicht mehr richtig rennen. «Meine Beine fühlten sich total schwer an, wie Blei. Es fiel mir nach und nach immer schwerer zu gehen.» Im Juli 2019 wurde er das erste Mal operiert. Es folgten zwei weitere Eingriffe, Chemotherapie und Bestrahlung.

Manga half, Gefühle zu verarbeiten

Durch diese schwere Zeit half Samuel – neben der Unterstützung seiner Familie – seine Liebe zu Mangas und Animes. Die japanischen Comics und Zeichentrickfilme hatten schon früh sein Herz erobert. Es wurde sein sehnlichster Wunsch, in der ihm verbleibenden Zeit, selbst einen Manga zu schreiben.

Samuel Frei freut sich über eine persönliche Grusskarte des japanischen Manga-Künstlers Esuno Sakae.
Samuel Frei freut sich über eine persönliche Grusskarte des japanischen Manga-Künstlers Esuno Sakae.

Die Idee von «Susumu» nahm Gestalt an und Samuel tippte fortan jede Minute im Rehazentrum auf seinem Laptop. Das Schreiben half dem Teenager, sich mitzuteilen und seine Gefühle der Angst, Wut und Verzweiflung und der Frage nach der Gerechtigkeit im Leben zu verarbeiten.

Versuchung und Vergebung

Im Manga verführt der Teufel in Gestalt eines Raben den schwerkranken Jungen Susumu dazu, Rache zu üben an denjenigen, denen er die Schuld an seinem Leiden gibt. Es geht um die Versuchung des Bösen, um Dämonen, die im Menschen wüten. Aber auch um Einsamkeit und Verzweiflung – und um Vergebung.

Ausschnitt aus dem Manga «Susumu»
Ausschnitt aus dem Manga «Susumu»

«Der Teufel ist ein Symbol für die bösen und schlechten Gedanken. Diese Gedanken konnte und wollte Samuel am Schluss überwinden und bekämpfen, was ihm auch gelungen ist. Im Buch und im wirklichen Leben», erzählt Dominic Kolb vom Schweizerischen Kinderspitex Verein. Kolb übernahm die Gesamtleitung von Samuels Manga-Projekt, nachdem sich dessen Mutter an die Kinderspitex und deren Aktion «Herzenswunsch» gewandt hatte.

In sechs Monaten illustriert

«Herzenswunsch» versucht Träume von schwerkranken Kindern zu erfüllen. Diese werden nicht zuletzt mittels Spenden möglich gemacht. Durch einen guten Freund, der lange in Japan gelebt hatte, kam Dominic Kolb schliesslich «nach langen schwierigen Verhandlungen» in Kontakt mit der japanischen Manga-Künstlerin Kuroki. Sie sagte zu und illustrierte die Geschichte des Teenagers innert sechs Monaten.

Plakatwand auf der Fantasy Basel 2022.
Plakatwand auf der Fantasy Basel 2022.

Auf die Frage, wie die Zusammenarbeit zwischen Japan und der Schweiz funktionierte, erklärt Dominic Kolb: «Zuerst musste aus der geschriebenen Geschichte von Samuel ein Storyboard erstellt werden. Wir mussten seine Worte und Sätze in Bilder umwandeln. Bild für Bild, Seite für Seite».

Zunehmend bewegungsunfähig

Da die Zeichnerin Kuroki Englisch konnte, musste die Geschichte nicht ins Japanische übersetzt werden. «Von da an wurde nur noch auf Englisch kommuniziert und gearbeitet. Als das Manga fertig gezeichnet und die Sprechblasen erstellt waren, musste alles wieder zurück in Deutsche übersetzt werden», so Dominic Kolb.

Dominic Kolb vom Schweizerischen Kinderspitex Verein.
Dominic Kolb vom Schweizerischen Kinderspitex Verein.

Kolb lernte Samuel Frei zu einem Zeitpunkt kennen, als dieser bereits Arme und Beine nicht mehr bewegen konnte. «Allerdings hatte ich da seine Geschichte bereits gelesen und hatte das Gefühl ihn dadurch schon ein wenig zu kennen», sagt Dominic Kolb.

Am Schluss mit sich im Reinen

Wieviel Samuel in Susumu und umgekehrt steckte, sei ihm erst später bewusst geworden. «Samuel war sehr bedacht und ruhig. Ich denke, er war mit sich, der Welt und seiner Situation am Schluss im Reinen und das strahlte er aus», sagt der Manga-Projektleiter.

Cover «Susumu»
Cover «Susumu»

Kolb fügt hinzu: «Als wir mit der Arbeit am Manga angefangen haben, war Samuel sehr motiviert und fleissig. Er hatte klare Vorstellungen, wie die Charaktere und die Welt in seinem Manga aussehen sollen. Das Projekt hat ihm Energie gegeben und genau das war die Idee von Herzenswunsch

Sterbebegleitung durch die Kinderspitex

Der Schweizerische Kinderspitex Verein übernahm des Weiteren auch die Pflege und die Sterbebegleitung von Samuel sowie die Betreuung der Familie nach Samuels Tod.

Was sagt man einem jungen Menschen wie Samuel, der den Tod vor Augen hat? Wie tröstet man ihn oder spricht ihm Mut zu? «So wie ich das erlebt habe, war Samuel oft derjenige, der sein Umfeld beruhigte. Er hatte eine starke Ausstrahlung», erzählt Dominic Kolb.

Mehrmals habe er Samuel gesagt, dass er «ein Vorbild für mich ist», so Kolb. Deshalb sei es so wichtig, dass möglichst viele Menschen von seinem Schicksal erfahren.

Ausschnitt aus dem Manga «Susumu»
Ausschnitt aus dem Manga «Susumu»

«Seine Botschaft finde ich sehr hilfreich für diejenigen, die in einer ähnlichen Situation sind wie er: Verschwende nicht deine Energie für schlechte Gedanken, Wut oder Hass», sagt der Projektleiter.

Dazu passt auch, was Samuels Protagonist Susumu sagt: «Ihr alle haltet das Leben für selbstverständlich.» Vermutlich ist das die Hinterlassenschaft von Samuel für uns. Das Leben in vollen Zügen zu geniessen und sich jeden Moment bewusst zu machen.

«Susumu – der Teufel flüstert der Erde den Tod zu» ist am Stand der Schweizerischen Kinderspitex an der Fantasy Basel vom 18. bis 20. Mai erhältlich. Ab dem 22. Mai kann der Manga direkt über die Kinderspitex bestellt werden. Der Ertrag aus dem Verkauf des Buches fliesst in den Verein, damit dieser weiterhin Träume von anderen schwerkranken Kindern erfüllen kann.


Samuel Frei mit Zeichnungen von «Susumu»-Fans, die ihm Mut machen.
18. Mai 2023 | 14:00
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