«Ein Scheitern der Synode wäre schlecht für die ganze Orthodoxie»

Zürich, 15.6.16 (kath.ch) Für den 19. Juni ist auf Kreta der Beginn des ersten orthodoxen Konzils der Neuzeit geplant worden. 350 Bischöfe aus den 14 eigenständigen Kirchen sind eingeladen, um über Gemeinsamkeiten, Differenzen und das Verhältnis zu den anderen christlichen Konfessionen zu beraten. Zu dieser umfassenden Runde dürfte es aber nicht kommen, da verschiedene Kirchen ihre Teilnahme abgesagt haben. Unter den Teilnehmern ist Bischof Andrej Ćilerdžić, Bischof der serbisch-orthodoxen Kirche der Schweiz und Österreichs, der hohe Erwartungen in das Konzil gesetzt hat.

Martin Spilker

Es ist alles vorbereitet für die Grosse und Heilige Synode, wie die Bischofsversammlung in der orthodoxen Kirche heisst: Die Tagesordnung, die Grundlagenpapiere für die Beschlüsse. Die Bischöfe haben nach der kurzfristigen Verlegung der Versammlung von Istanbul nach Kreta ihre Flüge neu gebucht und die Hotels sind reserviert.

Anspannung bis zuletzt

Aber, und das ist die grosse Herausforderung: Wenn eine der 14 Kirchen Vorbehalte anmeldet, dann ist wieder alles anders. Bischof Andrej Ćilerdžić jedenfalls reist mit gemischten Gefühlen nach Kreta, wie er im Gespräch mit kath.ch in Zürich sagte. – Wohl leider zu Recht: Verschiedene orthodoxe Kirchen haben Vorbehalte angebracht oder ihre Teilnahme abgesagt, was die ursprünglichen Ziele der Versammlung zunichte macht.

«Alle Kirchen hatten sich beim Vorbereitungstreffen Anfang Jahr auf die Geschäftsordnung geeinigt», sagt der in Düsseldorf geborene Bischof nachdenklich, und fügt an: «Ein Scheitern der Synode wäre ein schlechtes Zeichen für die ganze Orthodoxie.»

Jahrhunderte ohne Austausch

Tatsache ist, dass die letzte Synode der orthodoxen Kirchen im Jahr 787 stattgefunden hat. Die aus dem oströmischen Reich hervorgegangenen 14 selbstständigen («autokephalen») Kirchen sind eigentliche Volkskirchen: Über die Grenzen ihrer Glaubensgemeinschaften hinaus gab es über die Jahrhunderte keine Möglichkeiten für einen Austausch.

Mit der Kirchenspaltung im Jahr 1054 zwischen den Ost- und den Westkirchen rückten die Orthodoxen näher zueinander. Diese Trennung von der römisch-katholischen Kirche wegen dem Absolutheitsanspruch des Bischofs von Rom als Papst ist für Bischof Andrej eine «grosse Blamage». Auch darum ist ihm so viel an einem Gelingen des kommenden Konzils gelegen.

Pfingsten für die Kirche

Die Synode wurde nicht zufällig auf den 19. Juni gelegt. Der Tag ist das orthodoxe Pfingstfest, denn die Kirchen des Ostens im Kirchenjahr folgen nach wie vor dem julianischen Kalender. «Das Konzil ist als Erneuerung im Glauben unserer Kirchen gedacht», so der Bischof.

Ein wichtiges Thema mit Blick nach aussen sollen Fragen der Ökumene sein. Hier wurde ja bereits ein wichtiger Schritt mit dem Treffen des Moskauer Patriarchen Kyrill und Papst Franziskus im Februar auf Kuba getan. Bischof Andrej fügt aber an, dass Fragen der Ökumene ausserhalb der orthodoxen Stammlande viel offener angegangen werden können. Als in sich selbstständige Kirchen sind die Orthodoxen in ökumenischen Fragen eher zurückhaltend.

Auf der ganzen Welt Zuhause

Durch Kriege, Deportationen und Verfolgung sind orthodoxe Christen auf der ganzen Welt anzutreffen. Die Eltern von Bischof Andrej beispielsweise flohen vor dem Bürgerkrieg im damaligen Königreich Jugoslawien und wollten eigentlich nach Amerika auswandern. In Italien wurde die Familie von der englischen Besatzungsmacht kurzerhand nach Deutschland überführt, wo der heute 55-jährige Bischof aufgewachsen ist.

So ist es gekommen, dass orthodoxe Gemeinschaften überall auf der Welt anzutreffen sind, aber als Minderheit wenig in Erscheinung treten. Ein starkes Wachstum verzeichnen orthodoxe Kirchen auf dem afrikanischen Kontinent.

Wunsch nach Anerkennung

Orthodoxe Gemeinden sind hierzulande auf die Gastfreundschaft anderer Kirchen angewiesen. So hat auch Bischof Andrej Ćilerdžić seinen Sitz in der Schweiz nur dank Vermittlung von Generalvikar Josef Annen in der Zürcher Pfarrei Peter und Paul einrichten können.

Der Bischof würde sich sehr wünschen, dass die orthodoxen Kirchen ebenfalls eine öffentlich-rechtliche Anerkennung erhalten würden und dafür setzt er sich auch stark ein. Doch nun steht erst ein anderes Ereignis im Vordergrund: Die Grosse und Heilige Synode auf Kreta. Sein Blick verrät, wie sehr er sich ein Gelingen dieses Kirchentreffens wünscht. (ms)

Krise statt Aufbruch – das orthodoxe Konzil vor einem Scherbenhaufen

Andrej Ćilerdžić, Serbisch-orthodoxer Bischof für die Schweiz und Österreich. | © Martin Spilker
15. Juni 2016 | 11:47
Lesezeit: ca. 2 Min.
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Grosse und Heilige Synode

Unter dem Leitwort «Er rief alle zur Einheit» sollen von 19. bis 26. Juni rund 350 Bischöfe der griechisch-orthodoxen Kirchenfamilie aus aller Welt auf Kreta zur «Grossen und Heiligen Synode» zusammenkommen. Geleitet wird das Konzil vom Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., dem traditionell die Rolle des Ehrenoberhauptes der Weltorthodoxie zukommt.

Dem Konzil ging ein jahrzehntelanger Vorbereitungsprozess voraus. Die ersten Beschlussentwürfe stammen aus den 1970er-Jahren; sie wurden erst in den vergangenen Monaten überarbeitet und aktualisiert. Wichtige Themen sind die Autonomie der Ortskirchen und die Ökumene. (kna)