Industrielle Fleischverarbeitung im Schlachthof
Schweiz

«Ein Importverbot von Koscher-Fleisch ist gegen die Religionsfreiheit»

Zürich, 16.8.17 (kath.ch) Den Tierschützern gefällt’s: Im Ständerat wird bald darüber abgestimmt, ob der Import von tierquälerisch hergestellten Produkten verboten werden soll. Die Motion erwähnt Halal- oder Koscher-Fleisch nicht. Trotzdem ist dieses zum Thema geworden. Die Schweizer Juden freuen sich im Gegensatz zu Tierschützern und Muslimen ganz und gar nicht darüber.

Die Motion des Berner SP- Politikers Matthias Aebischer ist nicht neu: Eingegeben wurde sie im September 2015. Verlangt wird ein Importverbot von «tierquälerisch erzeugten Produkten». Als Beispiele werden Pelz- und Robbenprodukte oder Stopfleber (»Foie gras») genannt.

Der Bundesrat darf laut Motion nach Schweizer Tierschutz- und Landwirtschaftsgesetz gewisse Importe «einschränken oder verbieten». Diese Massnahmen, kritisiert Aebischer, würden jedoch «entweder zu wenig greifen» oder zu wenig konsequent angewandt. Weil die Bestimmungen des Landwirtschaftsgesetzes, des Tierschutzgesetzes oder internationale Empfehlungen nicht umgesetzt würden, sei der Import immer noch möglich. Der Motionär nennt Produkte wie Stopfleber, Froschschenkel und Pelze, «wo die Produktionsmethoden grundsätzlich immer tierquälerisch sind».

Wie der Zürcher «Tagesanzeiger» am 15. August berichtete, könnte die Annahme dieser Motion auch den Import von geschächtetem Fleisch betreffen. Diese Einschränkung würde sowohl die muslimische wie auch die jüdische Gemeinschaft betreffen.

Vegetarier werden oder auswandern

Beim Schächten wird den Tieren die Kehle aufgeschnitten. Die Betäubung vor dem Schächten ist im Judentum verboten, wie der Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG) Herbert Winter gegenüber kath.ch bestätigt. «Würde der Import von Fleisch von Tieren verboten, die vor dem Schächten nicht betäubt werden, hätte dies für die Juden in der Schweiz tiefgreifende Konsequenzen», so Winter. Es blieben einem religiösen Juden lediglich zwei Optionen offen: Vegetarier werden oder auswandern.

In der Motion ist keine Rede vom Importverbot von Halalfleisch. Der Zusammenschluss von Tierschutzvereinen «Alliance Animale» geht aber weiter als die Motion: Halal- und Schächt-Fleisch zählen zu den tierquälerisch hergestellten Produkten, erklärte die Alliance gegenüber dem Tages Anzeiger. Der Import müsse also verboten werden.

Juden und Muslime unterschiedlicher Meinung

Im Gegensatz zu Tierschützern findet der Präsident des SIG, Schächten ohne vorherige Betäubung sei keine Tierquälerei. Das gängige Betäuben durch den Bolzenschuss sei viel schlimmer, so Winter gegenüber kath.ch. «Sehr viele Bolzenschüsse gehen daneben.» Die Tiere müssten unheimlich leiden.

Muslime sind zwar gegen Tierquälerei, wie  Önder Güneş, Pressesprecher der Föderation islamischer Dachorganisationen Schweiz (FIDS), auf Anfrage meinte. Im Gegensatz zu Tierschützern sieht er jedoch das Schächten nicht per se als Tierquälerei. Nur wenn ein Tier unprofessionell – zum Beispiel mit einem stumpfen Messer geschnitten oder der Prozess lange dauert – geschächtet wird, sehe ich dies als Tierquälerei.» Dies sei jedoch meistens nicht der Fall, da die Metzger Profis seien.

In der Schweiz sei Schächten nur nach einer Betäubung erlaubt. Für Muslime sei der Verzehr von eben diesem Fleisch jedoch nicht verboten, wie Güneş erklärt. «Die Mehrheit der Muslime isst auch solches Fleisch.» Wird das Fleisch jedoch importiert, könne nicht eindeutig festgestellt werden, ob das Tier davor betäubt wurde oder nicht. Käme es tatsächlich zu einem Importverbot von Fleisch, das aus nicht betäubten Tieren gewonnen wird,  müssten diejenigen Muslime, die solches Fleisch nicht akzeptieren, auf Fleischkonsum verzichten, so Güneş weiter. Er begrüsse zwar den Importverbot von tierquälerischen Produkten, wie in der Motion behandelt. Ein Importverbot von geschächtetem Fleisch begrüsse er jedoch nicht.

Religionsfreiheit und internationales Recht

Der Präsident des SIG nennt bezüglich einem Verbot von koscherem Fleisch, das eigentlich gar nicht zur Debatte steht, ein noch tiefgreifenderes Problem als einen möglichen Zwang zum Vegetarismus: «Das Importverbot von Koscher-Fleisch wäre nicht nur ein massiver Eingriff in die Religionsfreiheit», so Winter gegenüber kath.ch. «Es würde auch gegen die internationalen Handelsbestimmungen verstossen.»

Gleichzeitig mache er sich jedoch keine Sorgen, dass die Motion durch den  Ständerat komme. «Es hat mich zwar verwundert, dass der Nationalrat Ja zu Motion gesagt hat, doch der Ständerat wird sie kaum durchgehen lassen», ist er sich sicher. (ft)

 

Industrielle Fleischverarbeitung im Schlachthof | © pixabay Jai79 CC0
16. August 2017 | 13:48
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