Don Willy Volonté
Schweiz

Don Willy: «Ernesto Togni war vom Bischofsamt überfordert – das hat ihn krank gemacht»

Don Willy Volonté (68) trauert um den ehemaligen Bischof von Lugano, Ernesto Togni. «Er verstand sich als Hirte, nicht als Kirchenpolitiker und Reformer», sagt Don Willy über Ernesto Togni. Bereits mit 58 Jahren war dieser zurückgetreten: «Er war nicht fürs Bischofsamt geschaffen. Er hatte nicht die psychische Stärke, um Konflikte auszutragen.»

Barbara Ludwig

Wie war Bischof Ernesto Togni als Mensch?

Don Willy Volonté*: Er war ein sehr freundlicher und aufmerksamer Mensch. Er versuchte, sein Gegenüber wirklich zu verstehen. Ich habe früher das Diözesanbüro für Katechese geleitet und hatte entsprechend viel mit ihm zu tun.

Ernesto Togni war ein Delegierter der Synode 72. War er ein Reformer?

Volonté: Ich würde nicht sagen, dass er ein Reformer war. Aber er kannte die pastorale Realität. Er war ja viele Jahre lang Pfarrer von Tenero. Und er war ein guter Seelsorger.

«Er verstand sich als Hirte, nicht als Kirchenpolitiker und Reformer.»

Er kümmerte sich um die Leute. Grundsätzlich war er aber der Tradition verbunden. Traditionell in dem Sinne, wie damals eben die Seelsorge ausgeübt wurde. Er verstand sich als Hirte, nicht als Kirchenpolitiker und Reformer.

In der Deutschschweiz gab es nach der Synode 72 viele Neuerungen. Und im Tessin?

Volonté: Da gab es andere Innovationen. Ich erinnere mich an den ersten Hirtenbrief von Bischof Togni zum Thema «Kirche als Gemeinschaft». Er schrieb, dass der Heilige Geist unendlich viel grösser sei als unsere Vorstellungskraft.

Ernesto Togni, Bischof von Lugano
Ernesto Togni, Bischof von Lugano

Warum wurde Bischof Ernesto Togni 1985 bereits im Alter von 58 Jahren emeritiert?

Volonté: Wegen gesundheitlicher Probleme. Er konnte nicht mehr. Er litt an Depressionen und schweren psychischen Problemen. Deshalb musste er zurücktreten. In den letzten Jahren seines Episkopats hatte er praktisch nichts mehr gemacht.

«Die Last des Bistums war zu schwer für seine Schultern.»

Wissen Sie, warum Togni an Depressionen litt?

Volonté: Nein, das kann ich nicht beurteilen. Ich denke, die Last des Bistums war zu schwer für seine Schultern.

Ist das Bistum Lugano besonders anspruchsvoll?

Volonté: Nein. Aber man muss die Schultern haben, um die Last tragen zu können. Die Erzdiözese Mailand ist sicherlich problematischer zu leiten – sie hat viel grössere Probleme als wir.

Ernesto Togni, Bischof von Lugano, links, und Papst Johannes Paul II. im Jahre 1984 in Lugano.
Ernesto Togni, Bischof von Lugano, links, und Papst Johannes Paul II. im Jahre 1984 in Lugano.

Was meinen Sie mit: «Man muss die Schultern haben, um die Last tragen zu können»?

Volonté: Ernesto Togni war nicht fürs Bischofsamt geschaffen. Nicht etwa, weil er nicht würdig war, sondern weil er nicht die psychische Stärke hatte, um Konflikte auszutragen. Er war schlichtweg überfordert. Das hat ihn krank gemacht.

Könnte der vergleichsweise jugendliche Rücktritt Ernesto Tognis im Alter von 58 Jahren Bischof Valerio Lazzeri ermutigt haben, selbst mit 59 Jahren zurückzutreten?

Volonté: Das kann ich nicht sagen. Aber ich glaube es nicht, denn Lazzeri kannte Togni nur sehr wenig. Schliesslich gab’s zwischen Togni und Lazzeri noch drei weitere Bischöfe: Eugenio Corecco, Giuseppe Torti und Pier Giacomo Grampa. Erst nach Bischof Grampa kam Bischof Valerio Lazzeri.

«Er war ein Mann, der zuhörte.»

Welche Einstellung hatte Ernesto Togni zur Bewegung «Comunione e Liberazione»?

Volonté: Eine sehr respektvolle. Er war ein Mann, der zuhörte. Er war von einer anderen pastoralen Erfahrung geprägt, etwa von den Pfadfindern. Aber als intelligenter Mensch verstand er, dass «Comunione e Liberazione» in seiner Diözese eine lebendige Realität darstellt. Er war dialogbereit.

Und wie war Tognis Verhältnis zur «Azione cattolica»?

Volonté: Er fühlte sich der «Azione cattolica» sicherlich näher, weil sie in unserer Diözese eine lange Tradition hat. Anders als «Comunione e Liberazione» ist die «Azione cattolica» auch direkt vom Bischof abhängig.

Kreuz in der Kathedrale von Lugano
Kreuz in der Kathedrale von Lugano

Die «Azione cattolica» ist sehr hierarchisch organisiert und hat einen klar definierten Leiter, eine klar definierte Struktur und ein klar definiertes Aktionsfeld. Die Bischöfe haben das als Instrument für ihre pastorale Arbeit genutzt.

Gibt es die «Azione cattolica» im Tessin noch?

Volonté: Ja – sowohl eine Sektion für Erwachsene wie eine eigene für Jugendliche.

* Don Willy Volonté (68) heisst offiziell Ernesto William Volonté. 1973 wurde er im Bistum Lugano zum Priester geweiht. Er ist in der Diözese für die Familienseelsorge verantwortlich. Willy Volonté engagiert sich in der Bewegung «Comunione e Liberazione».


Don Willy Volonté | © Screenshot Caritas Ticino
12. November 2022 | 16:25
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