Die Weitergabe des Glaubens ist die grosse Herausforderung

Der Zürcher Theologe Hans-Peter Röthlin war als Laie an Schaltstellen der Kirche tätig

Zürich, 19.2.10 (Kipa) Hans-Peter Röthlin (68) kann aus dem Vollen schöpfen, wenn er über die katholische Kirche berichtet: Als erster Laie war der gebürtige Zürcher ab 1979 Pressesprecher der Schweizer Bischofskonferenz, ab 1991 Staatssekretär des Päpstlichen Medienrates und ab 1999 Präsident des internationalen katholischen Hilfswerks «Kirche in Not». Die Weitergabe des Glaubens unter den Generationen hält er für die grösste Herausforderung der Kirche. – Kipa hat Röthlin, Mitglied der Fokolar-Bewegung, in Zürich getroffen.

Die Idee hält er immer noch für gut: Der Vatikan wäre gut beraten, eine richtige Anlaufstelle für Besucher einzurichten. Sie müsste über kompetente Mitarbeiter verfügen, die etwas zu sagen hätten, könnte geradezu als «Missverständnis-Aufklärungsstelle» fungieren und dadurch ein wertvolles Apostolat ausüben.

Als er in den 1990er Jahren Staatssekretär im Päpstlichen Medienrat im Vatikan gewesen ist, hat er zusammen mit einem deutschen Kollegen im Medienrat auf eigene Initiative damit begonnen, Besuchern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz Gesprächsmöglichkeiten anzubieten, insbesondere auch den Medienleuten. Das sei zwar vom Medienrat eher geduldet als gefördert worden, aber unter den Besuchern hervorragend angekommen, erinnert sich Hans-Peter Röthlin. Er ist überzeugt: «Es sind die Begegnungen, welche die Menschen verändern und bei denen man auch Kirche vermitteln kann.»

Erwachsene Gläubige gefragt

Er habe in Zürich, Bern und Rom während fast 25 Jahren 13- bis 16-Jährigen nebenher Religionsunterricht erteilt, und das sei für ihn eine sehr kostbare Zeit gewesen, erzählt er. «Junge Menschen brauchen Erwachsene, die für ihren Glauben geradestehen – das interessiert sie wirklich! Packt ein Erwachsener vor Pubertierenden aus, warum er eigentlich glaubt oder weshalb ihm dieses oder jenes wichtig ist, dann wird er gehört, das ist einfach so.»

Umso stärker fällt seines Erachtens auf, dass es bei uns mit der traditionellen Glaubensweitergabe von einer Generation zur anderen nicht zum Besten bestellt ist. Auch eine Mentalitätsfrage, meint er: «Wir Nordländer sind meist nicht so gesprächig, wenn es um Persönliches geht.» Selbst im kommunistischen Russland habe die Glaubensweitergabe auch unter prekärsten Bedingungen stattgefunden; die Grossmütter und Grossväter hätten eben das weitergegeben, was sie gerade hatten, und wenn es bloss ein Heiligenbildchen gewesen sei.

Die permanente klerikale Versuchung

Glaubensweitergabe kann eigentlich nicht über die Kirche, sondern nur über den einzelnen Menschen und dessen Glaubwürdigkeit stattfinden, ist Hans-Peter Röthlin überzeugt. Um Beispiele ist er nicht verlegen. Während seiner Zeit im Vatikan habe er vor allem «hervorragende Menschen» kennen gelernt, die ihm mindestens in bestimmten Bereichen Vorbild gewesen seien. Er habe aber auch «Übelstes mit Karrieristen erlebt, die man wirklich auf den Mond schicken sollte». Diese Erfahrung habe ihn gleichzeitig befreit: «Das muss so sein, habe ich mir gesagt. Denn sonst wäre die Kirche ja gar nicht Bestandteil der Welt.»

Zu den permanenten «Versuchungen» der katholischen Kirche zählt Hans-Peter Röthlin die «Klerikalisierung». Die sei in vereinzelten Vatikan-Kreisen «mit Hang zu heuchlerischem Getue» besonders deutlich zu beobachten, und das habe ihn jeweils sehr geärgert. Nur wenn er nicht klerikal daherkomme, könne der Priester seine Aufgabe erfüllen. Der Priester verkörpere Jesus, und Jesus sei überhaupt nicht klerikal aufgetreten: «Der Priester soll sich nicht mit seinem Amt schmücken, sondern er muss wissen, dass er ein dienendes Amt inne hat.»

Werenfrieds Gottvertrauen

«Äusserst glaubwürdige und lautere Menschen» hat Hans-Peter Röthlin in seinem Berufsleben einige kennengelernt. «Das sind so Fixsterne, die einem helfen, besser zu sehen, was Kirche auch ist.» Er nennt neben Papst Johannes Paul II. und den damaligen Kardinal Joseph Ratzinger den US-amerikanischen Kardinal John Foley, bis 2007 Präsident des päpstlichen Medienrates, Roger Schutz, den 2005 ermordeten Gründer der Taizé-Gemeinschaft, oder Chiara Lubich, die 2008 verstorbene Gründerin der Fokolar-Bewegung.

Und da ist der Prämonstratenserpater Werenfried van Straaten, der 2003 verstorbene Gründer des Hilfswerks «Kirche in Not». Von ihm, sagt Röthlin, habe er etwas gelernt, das nie seine eigene Stärke gewesen sei: Gottvertrauen. Verrückt sei er schon gewesen, der Pater Werenfried: Den Projektpartnern habe er jeweils Geldsummen zugesichert, über die er noch gar nicht verfügte.

Werenfrieds Gottvertrauen trägt offenbar über seinen Tod hinaus: Das Hilfswerk «Kirche in Not» hat 2008, als die Wirtschaftskrise bereits in Sicht war, das beste Spendenergebnis seiner 63-jährigen Geschichte erzielt. Hans-Peter Röthlins zieht daraus diesen Schluss: «Wenn die Menschen Vertrauen in ein kirchliches Hilfswerk haben, dann kommt dabei wirklich etwas Beeindruckendes heraus!»

 

Separat:

Hans-Peter Röthlin

1941 in Zürich geboren, war Hans-Peter Röthlin in den 1970er Jahren nach dem Studium der Theologie persönlicher Referent des Augsburger Bischofs Joseph Stimpfle und Pressereferent des Bistums Augsburg. Von 1979 bis 1991 wirkte er als Informationsbeauftragter der Schweizer Bischofskonferenz. Anschliessend war er während acht Jahren Staatssekretär im Päpstlichen Medienrat. Von 1999 bis Herbst 2008 amtete er als Präsident des weltweiten katholischen Hilfswerks «Kirche in Not» mit Hauptsitz in Königstein bei Frankfurt (Deutschland). Seither ist er noch in einem Teilzeitpensum beratend für das Hilfswerk tätig. Bis 2009 gehörte er auch dem Päpstlichen Rat «Cor Unum» (»Ein Herz») an. Der Rat koordiniert unter anderem die weltweiten karitativen Aktivitäten der katholischen Kirche. – Hans-Peter Röthlin gehört der Fokolar-Bewegung an.

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(kipa/job/ak)

19. Februar 2010 | 08:10
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