Der Kirchensaal der Kirche St. Josef in Luzern wird heute multifunktional für Konzerte, Kongresse und Bankette genutzt.
Schweiz

«Die Kirche steht im Dienst der Gesellschaft – ihr Vermögen deshalb auch»

Es gibt immer weniger Kirchenmitglieder. Aber die Gebäude bleiben erhalten. «Es gibt einen Widerspruch zwischen Geld und Geist. Und dieser Konflikt muss gelöst werden», sagt Matthias Haag von der reformierten Kirchgemeinde Zürich. Die fünfte Kirchenbautagung an der Universität Bern versammelte die «Créme de la crème» der Immobilienverwalter. Die waren sich einig: Die Kirchen müssen jetzt handeln.

Charles Martig

Daniel Kosch hält in Bern ein spannendes Referat zu einem langweiligen Thema: «Kirchliche Immobilienstrategien». Der ehemalige Generalsekretär der RKZ meint dazu: «Die römisch-katholische und die evangelisch-reformierte Kirche sind reiche Kirchen in einem reichen Land. Die Mittel sind jedoch ungleich verteilt.» Dass Kirchenvermögen zu einem guten Teil aus Immobilien besteht, ist ein offenes Geheimnis.

«Kirchen sollen sich nicht als Verliererinnen oder Opfer sehen!»

Daniel Kosch legt den Finger auf den wunden Punkt: Es gibt viele Anstrengungen, aber zu wenig Zusammenarbeit in der katholischen Kirche. Es sei keine gute Strategie, sich als Verliererin zu sehen.

Daniel Kosch, ehemaliger Generalsekretär der RKZ
Daniel Kosch, ehemaliger Generalsekretär der RKZ

Er ruft deshalb dazu auf: «Die Gestaltung der Zukunft der Kirchen erfordert ein von Miteinander, Netzwerken und grösseren Zusammenhängen geprägtes Denken.»

Reformierte in Bern und Zürich haben eine Strategie

Generell entsteht an der Kirchenbautagung der Eindruck, dass sich die reformierte Kirchen sehr viel mehr mit langfristiger Planung auseinandersetzen. «Wir haben noch keine Strategie für Immobilien – aber wir haben ein Leitbild», sagt Matthias Haag aus der Stadt Zürich, mit 80’000 Mitgliedern die «grösste Kirchgemeinde Europas». Gerade in Zürich tobt in den letzten Jahren eine heftige Auseinandersetzung darum, ob Kirchen «Marktmieten» verlangen dürfen. Jetzt liegt ein verabschiedetes Leitbild vor, das «Kostenmieten» erlaubt. «Kirchliche Gebäude können und sollen nicht rentieren, aber sie sollen Kosten decken», hielt Haag fest.

Matthias Haag referiert an der Kirchenbautagung 2023 über "Eckpfeiler kirchlicher Immobilienstrategien".
Matthias Haag referiert an der Kirchenbautagung 2023 über "Eckpfeiler kirchlicher Immobilienstrategien".

«Wir haben eine Liegenschaftsstrategie, aber wir haben noch kein Leitbild», sagt Andreas Münger von der Evangelisch-reformierten Gesamtkirchgemeinde Bern (GKG Bern). Er legt einen Plan vor, wie sich die Immobilien der Reformierten in Bern bis im Jahr 2037 entwickeln sollen. Mit zwölf Kirchgemeinden und einem Versicherungswert der Liegenschaften von 230 Millionen Franken sei das ein wichtiges Vorhaben. «Die GKG Bern ist Eigentümerin aller Liegenschaften, was die Aufgabe einfacher macht», so Immobilien-Fachmann Andreas Münger. Die Liegenschaften werden seit 2020 von einer Aktiengesellschaft bewirtschaftet: der RefBernImmo AG.

Katholiken in St. Gallen legen ökumenisch zusammen

In der Stadt St. Gallen ist das Nachdenken über die Zukunft bereits weit vorangeschritten. Sonja Gemeinder von der Katholischen Kirchgemeinde St. Gallen zeigt auf, dass aus den vielen Pfarreien drei Schwerpunkte gebildet werden sollen, die weiterhin ein Vollangebot haben. Alle anderen sollen reduziert oder umgebaut werden. «Die ökumenische Zusammenlegung von Kirchengebäuden ist einer der ersten Schritte, die wir in St. Gallen umsetzen können», sagt Gemeinder an der Podiumsdiskussion.

Westschweizer Immobilien-Fachmann glänzt

Jean-Baptiste Henry de Diesbach aus dem Bistum Lausanne Genf Freiburg glänzt als einziger Vertreter aus der Westschweiz an dieser Tagung. «Die Kirche steht im Dienst der Gesellschaft – ihr Vermögen deshalb auch», sagte de Diesbach mit Verweis auf Papst Johannes Paul I. Und er zitierte auch die Enzykliken «Rerum novarum», «Laudato si’» und «Fratelli tutti». Sein Referat ist ein theologischer Höhenflug, notabene ausgeführt von einem Immobilien-Fachmann.

Jean-Baptiste Henry de Diesbach vom Bistum LGF referiert an der Kirchenbautagung 2023 in Bern.
Jean-Baptiste Henry de Diesbach vom Bistum LGF referiert an der Kirchenbautagung 2023 in Bern.

Jean-Baptiste Henry de Diesbach macht deutlich, dass es eine mehrfache Verknüpfung von Eigentum und Nutzung von Kirchengebäuden gibt. Anhand eines Hochhauses in Petit-Lancy in Genf zeigt er auf, wie ökonomische Logik und kirchlicher Auftrag zusammengehen.

Bistum Basel blockiert mit «Sonderstellung von Kirchen»

Im Bistum Basel gibt es bis jetzt lediglich eine «Arbeitshilfe». Diese stellt Alexandra Mütel vor. Sie ist Mitglied der Diözesanen Bau- und Kunstkommission des Bistums Basel. Auffällig ist, dass im Bistum Basel offensichtlich wenig strategische Weitsicht herrscht. Insbesondere betonte Mütel die «Sonderstellung von Kirchen und Kapellen».

Daniel Kosch, Christina Aus der Au und Urs Brosi an der Universität Bern
Daniel Kosch, Christina Aus der Au und Urs Brosi an der Universität Bern

Am Rande der Tagung äussert Urs Brosi als Teilnehmer seine Ansicht zur Arbeitshilfe des Bistums gegenüber kath.ch: «Es kann nicht sein, dass die teuersten Immobilien von einer Planung ausgenommen werden. Sie werden als unberührbar deklariert.» Die Folge davon ist ein Widerspruch in der Immobilien-Strategie. «Kantonalkirchen tragen deshalb diese Arbeitshilfe des Bistums Basel nicht mit», betonte Brosi.

Guttet-Feschel im Wallis: «Wer nicht aufgibt, gewinnt.»

In Bern sind aber auch Erfolgsgeschichten zu hören. So zum Beispiel aus Guttet-Feschel aus dem Wallis. Die Gemeinde mit 450 Einwohnern und Einwohnerinnen hat drei Sakralbauten in drei verschiedenen Eigentumsverhältnissen: Die St. Wendelinskirche im Eigentum der Pfarrei Herz-Jesu Guttet-Feschel; die Herz-Jesu-Pfarrkirche, die der Einwohnergemeinde gehört und die St. Antoniuskapelle welche der Bürgergemeinde gehört. Diese Gebäude zeigten einen Restaurationsbedarf von rund 1,1 Millionen Franken, ein stattlicher Betrag für die kleine Berggemeinde, wie Präsident Philipp Loretan ausführt.

Guttet-Feschel im Wallis mit Pfarrkirche
Guttet-Feschel im Wallis mit Pfarrkirche

«Nit üfgäh gwinnt!» rief Beatrice Meichtry von der Stiftung Triplus  Guttet-Feschel in den Hörsaal und zeichnet nach, wie es gelungen ist, die Finanzierung sicher zu stellen. Neben der Beiträgen der öffentlichen Hand und der Inländischen Mission war es vor allem der enge Bezug zur Bevölkerung, der die Gelder zusammenbrachte. «Wir versuchen die Leute mit den Gebäuden in Kontakt zu bringen und haben die Vereine eingebunden», sagte Philipp Loretan. «Das Herz muss dort leben. Dann hat der Kirchenraum auch einen Sinn.»

Diskussionsrunde an der Kirchenbautagung 2023 in Bern mit Andreas Münger (mit Mikrofon) und v.l. Beatrice Meichtry und Philipp Loretan.
Diskussionsrunde an der Kirchenbautagung 2023 in Bern mit Andreas Münger (mit Mikrofon) und v.l. Beatrice Meichtry und Philipp Loretan.

Soziallabor im Kanton Zürich

Dieter Zaugg von der Evangelisch-Reformierten Landeskirche Zürich stellt das Soziallabor vor. Das ist ein deutscher Begriff für das viel trendigere «Social Innovation Labs». Laut Zaugg gehe es für Kirchen heute darum, einen inklusiven Zukunftsraum zu schaffen. Zusammenarbeit sei gefragt und es brauche eine «Strategie-Manufaktur».

Die Zürcher Landeskirche hat dazu eine Analyse der wichtigen Akteure gemacht und sie in einem «Stakeholder Radar» dargestellt. Das Soziallabor diene der Kirche als Methode, um die Zukunft zu gestalten. «Wir müssen etwas machen, bevor uns die Energie und das Geld ausgehen», schliesst Dieter Zaugg. Auch nach diesem Input ist klar: Die Reformierten sind den Katholiken in Sachen Immobilien-Strategie weit voraus.

Nützliches Instrument: Kirchengebäude-Datenbank

Johannes Stückelberger stellt an der 5. Kirchenbautagung an der Universität Bern vom 1. September 2023 den neusten Stand eines wichtigen Tools vor: «Ich bin von dieser Kirchengebäude-Datenbank begeistert!», sagte der Gastgeber der Kirchenbautagung und Professor der Uni Bern. Die Datenbank Kirchenumnutzungen erfasst Kirchen, Kapellen und Klöster in der Schweiz, die in den letzten 25 Jahren eine Umnutzung erfahren haben bzw. deren Umnutzung vorgesehen ist. 

Die Universität Bern stellt auch eine Datenbank zu modernen Kirchenbauten zur Verfügung. Sie erfasst um die tausend Kirchen, Kapellen und Klöster, die in der Schweiz zwischen 1950 und heute gebaut wurden. Sie will eine Grundlage bieten für die Beschäftigung mit dieser faszinierenden, vergleichsweise noch wenig erforschten Kirchenbauperiode. (cm)


Der Kirchensaal der Kirche St. Josef in Luzern wird heute multifunktional für Konzerte, Kongresse und Bankette genutzt. | © zVg
2. September 2023 | 13:45
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