Generalvikar Pierre-Yves Maillard berichtet über die Ergebnisse aus der Umfrage.
Schweiz

Die Kirche soll einfach sein und zuhören, fordern die Gläubigen des Bistums Sitten

Eine weniger klerikale Kirche, die mehr zuhört und eine für alle verständliche Sprache spricht. Das wünschen die Teilnehmenden an der Synodenkonsultation im Bistum Sitten.

Bernard Hallet, cath.ch / Adaption: Regula Pfeifer

Bischof Jean-Marie Lovey von Sitten und sein Generalvikar Pierre-Yves Maillard haben am 4. März 2022 berichtet, wie die Gläubigen in ihrem Bistum bei der Konsultation der Synode zur Synodalität geantwortet haben. Die Synode hatte Papst Franziskus im Oktober 2021 eröffnet.

270 Rückmeldungen aus dem französischsprachigen Wallis

«Wir haben 270 Rückmeldungen sowohl von Einzelpersonen als auch von Gruppen auf den Fragebogen der Synode verzeichnet. Das ist ein gutes Ergebnis», meint Pierre-Yves Maillard. Diese Antworten beziehen sich auf den französischsprachigen Teil der Diözese und das Abteigebiet von Saint-Maurice.

Alle 19 Pastoralbereiche sind in den Antworten auf den im Oktober 2021 von Rom lancierten Fragebogen vertreten. Pfarreien, Bibelgruppen und Mitglieder der katholischen Laienbewegung Équipes Notre-Dame haben über die Kirche nachgedacht, die sie sich wünschen, und dabei Menschen von 8 bis 92 Jahren miteinbezogen.

An den fünf Treffen im Haus der Diakonie nahmen 90 Personen teil, am Tag der pfarreilichen Betriebsräte etwa 50 und am Tag der Pfarreiräte etwa 70. Generalvikar Maillard stellte einen «positiven Ton» in den Antworten fest. Dieser lasse sich dadurch erklären, dass die Mehrheit der Personen, die sich geäussert hatten, in der Kirche engagiert seien.

Die Kirche ist unverständlich geworden

Wenig überraschend zielt der zusammenfassende Bericht auf die Unverständlichkeit der Riten und der Sprache der Kirche in der heutigen Zeit. Die Krise des sexuellen Missbrauchs hat die Institution in den Augen vieler Menschen in Verruf gebracht. Klerikalismus, Hierarchie und der Ausschluss unter anderem von sexuellen Minderheiten, Geschiedenen und Wiederverheirateten wurden ebenfalls erwähnt. Diese Vorwürfe wurden laut Pierre-Yves Maillard gleichermassen geäussert.

Im Gegensatz dazu wünschen sich die Antwortenden eine gastfreundliche, einfache Kirche, die zuhört und nicht ausgrenzt. Sie solle den Frauen mehr Aufmerksamkeit schenken und ihren Platz und ihre besonderen Kompetenzen in der Institution anerkennen. «Das Frauenpriestertum wurde in den Antworten nicht ausdrücklich erwähnt», fügt der Generalvikar hinzu.

Einverstanden mit Ausrichtung von Papst Franziskus

Die Teilnehmenden äusserten eine breite Zustimmung zu den pastoralen Schwerpunkten von Papst Franziskus: die Aufmerksamkeit für die Ärmsten, Migranten, Ausgegrenzten und die Geschiedenen-Wiederverheirateten. Auch die Sorge um die Umwelt, die Bewahrung der Schöpfung und die Anerkennung aller Menschen als Brüder und Schwestern waren in den Antworten enthalten.

Einige Stimmen sprachen sich für ein Gleichgewicht aus, das es zu wahren gelte: Man sei einverstanden, an die Peripherie zu gehen, aber ohne jene zu vergessen, die bereits da seien. Man sei offen für jede persönliche Situation und halte gleichzeitig an der Lehre fest: Man wolle eine Kultur des freien Wortes und der angehörten Kritik, aber auch die Suche nach Konsens und das Zuhören gegenüber diejenigen, die leiser sprechen oder schweigen.

Deutschsprachige: Frauen als Priester und Abschaffung des Zölibats

Madeleine Kronig, Theologin und Koordinatorin des Religionsunterrichts für den deutschsprachigen Teil der Diözese Sitten, berichtete über die Antworten auf die Fragebögen für das Oberwallis. Hier hatte sich die Hälfte der Pfarreien, Einzelpersonen und verschiedene Gemeinschaften geäussert. Die Reaktionen umfassen rund 100 Seiten, wie sie festhält.

Eine grosse Mehrheit der Antworten forderte eine gleichberechtigtere Behandlung von Mann und Frau und die Zulassung von Frauen zum Priesteramt, sagt Kronig. Ebenso wichtig: Der Zölibat solle nicht länger eine Voraussetzung für die Priesterweihe sein.

Patriarchale Strukturen

Die deutschsprachigen Konsultationsteilnehmenden erkennen sich in den patriarchalen Strukturen der Kirche nicht wieder. Sie fordern, die Kirche müsse mehr Selbstkritik üben. Und sie möchten als Getaufte bei der Wahl von Bischöfen und Pfarrern in den Entscheidungsprozess einbezogen werden.

Sie fordern ausserdem, dass zusätzlich zu den bereits bestehenden neue Zuhör-Kanäle eröffnet werden müssten: etwa Online-Umfragen oder einen Briefkasten für spezifische Anliegen.

Missbrauchskrise und Medienarbeit

Vergleichbar mit den Menschen im französischsprachigen Bistumsteil fordern auch die Oberwalliser, dass die Sprache der Kirche überarbeitet wird, damit sie für alle verständlich wird. Aufgrund der Missbrauchskrise, der als systemisch identifiziert wird, sei die Institution nicht mehr glaubwürdig.

Die Teilnehmenden kritisieren auch eine mangelhafte Medienarbeit. In diesen Bereich müsse die Kirche mehr investieren. Die pastoralen Schwerpunkte von Papst Franziskus billigen sie weitgehend. Aber es mangle an der Umsetzung. Ebenso werfen sie den Pfarreien vor, «in der Routine gefangen» zu bleiben und sich nicht weiterentwickeln zu wollen.

Konsumenten unter den Pfarreiangehörigen

Die Synthese stellt ausserdem fest, dass sich die Pfarreiangehörigen «zu lange als Konsumenten der Kirche gesehen haben, die wie ein Dienstleistungsunternehmen funktionieren sollte». Sich an einem synodalen Prozess zu beteiligen, setze einen erwachsenen Glauben und ein Interesse an gesellschaftlichen Fragen voraus.

Eine Gemeinschaft setze sich aus verschiedenen Charismen zusammen und, stellt der Bericht weiter fest. «Die Weihe verleiht nicht automatisch alle Charismen, wie etwa das Charisma der klugen Leitung». Die Teilnehmenden möchten sich entsprechend ihrer Kompetenzen stärker in der Pfarrei engagieren.

Kompetenzen anerkennen und integrieren

Das Thema der Kompetenzen wird einer der Punkte sein, die im Bistum weiterverfolgt wird. Jeder solle anerkannt und aufgrund seiner Kompetenzen an seinen richtigen Platz berufen werden. Es müsse auch darauf geachtet werden, dass Frauen, Laien und Experten in den verschiedenen Bereichen besser integriert würden. Schliesslich müsse man von einem Schema wegkommen, bei dem alles einzig auf die Weiheämter abstelle.

Pierre-Yves Maillard bekräftigte schliesslich den Willen der Diözese, die pastoralen Ausrichtungen zu stärken, die in den Rückmeldungen hervorgehoben wurden: insbesondere die Diakonie, die Katechese und die Bildung.

Generalvikar Pierre-Yves Maillard berichtet über die Ergebnisse aus der Umfrage. | © Bernard Hallet
5. März 2022 | 17:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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