Die Bischöfe sollten ihr Amt ruhen lassen
Vier der sechs amtierenden Schweizer Bischöfen sehen sich mit Vertuschungsvorwürfen konfrontiert. Einem Mitglied der SBK wird sexueller Missbrauch vorgeworfen. Bis zum Abschluss der laufenden Voruntersuchung sollten die betroffenen Bischöfe ihr Amt ruhen lassen. «Das verlangt der Anstand», schreibt Annalena Müller in ihrem Kommentar.
Annalena Müller
Natürlich ist niemand überrascht, von dem, was heute im SonntagsBlick steht. Wer das Gegenteil behauptet, der heuchelt. Seit Jahren, nein, Jahrzehnten, decken Medien Missbrauchsfall um Missbrauchsfall auf. Die Fälle, egal ob in den USA, Frankreich, Deutschland oder der Schweiz, haben meist eines gemeinsam: Sie wurden von den Verantwortungsträgern vertuscht.
Bischöfliche Untätigkeit
Natürlich wussten die Verantwortungsträger seit jeher, was in ihren Bistümern vor sich ging. Sie wussten auch, dass das Kirchenrecht sie zum Handeln verpflichtet. Das Problem ist nicht – und war nie – Unwissen. Das Problem war – und ist – die Untätigkeit der Kirchenoberen. Und diese bischöfliche Untätigkeit scheint, aller öffentlichen Bekundungen zum Trotz, weiterzugehen.
Nur so ist zu erklären, dass sich derzeit sechs Schweizer Bischöfe mit Vertuschungsvorwürfen konfrontiert sehen. Gegen ein weiteres Mitglied der SBK gibt es einen Missbrauchsvorwurf. Vier dieser Bischöfe sind aktuell amtierend.
Vorwürfe gegen vier amtierende Bischöfe
Nicht alle der heute publik gemachten Vorwürfe sind neu. Bischof Charles Morerod aus dem Bistum Lausanne, Genf und Freiburg und sein Weihbischof Alain de Raemy, der aktuell apostolischer Administrator des Bistums Lugano ist, sahen sich in den letzten Jahren wiederholt mit Vertuschungsvorwürfen konfrontiert.
Neu hingegen ist der Vorwurf gegen den Sittener Bischof, Jean-Marie Lovey und drei weitere Bischöfe. Gegen diese sechs führt Joseph Bonnemain eine kanonische Voruntersuchung.
Nicht im Untersuchungsdossier von Bonnemain steht Felix Gmür. Denn der Basler Fall gehört nicht zu den von Nicolas Betticher nach Rom gemeldeten. Gmürs Verstoss gegen das Kirchenrecht in einem Missbrauchsfall wurde erst kürzlich vom «Beobachter» aufgedeckt. Unter dem Strich heisst das: Vier der sechs amtierenden Schweizer Bischöfe sehen sich mit Vorwürfen konfrontiert.
Das Schweigen der Bischöfe
Nicolas Betticher hat den Brief, dessen Inhalt heute der Öffentlichkeit bekannt wurde, bereits vor vier Monaten verschickt. Seit knapp drei Monaten führt Joseph Bonnemain die Voruntersuchung. Was der Öffentlichkeit neu sein mag, ist den Betroffenen also seit Monaten bekannt.
Anstatt proaktiv zu kommunizieren, haben die Bischöfe die letzten Monate geschwiegen. Sie haben vermutlich gehofft, dass es schon irgendwie gutgehen wird. Dabei wäre es ihre Pflicht, Schaden von der Kirche abzuwenden. Auch dann, wenn sie selbst der Schaden sind.
Schaden von der Kirche abwenden
Das kanonische Recht nennt Gründe, wegen derer ein Priester seines Amtes enthoben werden kann. Dazu zählen «Verhaltensweisen, die schweren Schaden verursachen», «Verlust des guten Rufes» sowie «grobe Vernachlässigung der Amtspflichten» (Can. 1741).
Sicher, diese Bestimmungen gelten für Pfarrer und nicht für Bischöfe. Aber Bischöfe sollten sich ebenfalls an diesen Regeln orientieren. Und sie sollten sich ihrer Pflicht, Schaden von der Kirche abzuwenden, besinnen. Allein durch konsequentes Handeln kann man beginnen, verspieltes Vertrauen zurückzugewinnen.
Die Welt hat das längst verstanden. Und die Bischöfe? Der Anstand würde es verlangen, dass die Beschuldigten ihr Amt ruhen lassen, bis die Voruntersuchung abgeschlossen ist. Und wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten sollten? Dann verlangen Anstand und Zeitgeist nach ihrem Rücktritt.
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