Kapuziner im Rampenlicht.
Schweiz

Der Wirklichkeit ins Auge geschaut

Zürich, 11.5.17 (kath.ch) Und wieder wird ein Kloster geschlossen. Der Rückzug der Kapuziner aus dem Oberwallis hinterlässt eine grosse Lücke. Es ist ein Schritt, der vielleicht nicht überall verstanden wird. Doch er weist beispielhaft auf eine fortdauernde Veränderung von Religion in der Öffentlichkeit hin, schreibt Martin Spilker in seinem Kommentar zur Klosterschliessung in Brig.

«Die Kapuziner». Sie gehörten und gehören in katholisch geprägten Gegenden noch vielerorts zum Dorf- oder Stadtbild. Dass man die oft bärtigen Männer mit ihren einfachen braunen Kutten nicht mehr so oft im Ortsbild antrifft, daran wird man sich gewöhnen müssen. Nicht nur, weil viele Mitglieder des im 16. Jahrhundert entstandenen Bettelordens ihre Kutte inzwischen gar nicht mehr so oft anziehen.

Was ist, wenn sich die Mitgliederzahl noch einmal halbiert?

Die knapp 100 Kapuziner in der Schweiz haben einen Altersdurchschnitt von 75 Jahren. Nächstes Jahr werden sie noch in sieben Klöstern und Niederlassungen leben. Für die jüngeren Ordensleute heisst das zuerst einmal, ihren betagten Mitbrüdern einen guten Ort für den Lebensabend sicherzustellen. Dann muss aber auch vorausgedacht werden: Was ist in zehn, zwanzig Jahren, wenn sich deren Mitgliederzahl noch einmal halbiert hat?

Orden wie die Kapuziner haben die Gesellschaft stark mitgeprägt. Seelsorge, Betreuung von Kranken und Bedürftigen Menschen, Bildung, das sind Leistungen, für welche die Kapuziner lange Jahre gestanden sind, und, soweit es ihre Kapazitäten erlauben, bis heute stehen. Dahinter stehen auch Werte, die für unsere Gesellschaft von grosser Bedeutung sind.

Orden wie die Kapuziner haben die Gesellschaft stark mitgeprägt.

Die Einfachheit, das Schlichte, das die Kapuziner im Sinn von Franz von Assisi, der Gründerfigur der Bettelorden, vermitteln, war immer ein Gegenentwurf zu einer auf Leistung und Besitz ausgerichteten Gesellschaft. – Dass es dabei auch zu verwerflichen Handlungen wie jüngst im Fall eines pädophilen Kapuziners gekommen ist, muss verurteilt werden. Es stellt aber nicht die Leistungen des Ordens als Ganzes in Frage.

Aufhalten kann man Veränderungen nicht.

In einer Zeit, in der die Präsenz religiöser Symbole in der Öffentlichkeit an sich zu reden gibt, wird auch das Bild der Männer in Kutten seltener. Damit verschwindet wieder ein sichtbarer Teil Religion aus dem Alltag. Aber ist es das wirklich? Gesellschaft verändert sich. An Altem festhalten zu wollen, verzögert eine solche Veränderung vielleicht um ein paar Jahre. Aufhalten kann man sie nicht. Auch nicht im kirchlichen Umfeld. Die Werte, die durch Gemeinschaften wie die Kapuziner in die Welt getragen wurden, bleiben bestehen.

Es ist nicht allein Aufgabe der Orden, diese Werte für die Zukunft zu bewahren. Eine Klosterschliessung ist darum sicher ein schmerzhafter Einschnitt. Aber es ist auch eine Aufforderung an alle in der Kirche, neue Formen und eine neue Sprache für die unveränderte Glaubensbotschaft zu finden.

Kapuziner im Rampenlicht. | © Martin Spilker
11. Mai 2017 | 15:12
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