Im Jahr 2000 wurde Notker Wolf zum Abtprimas und damit zum obersten Repräsentanten der Benediktiner gewählt.
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Der «rockende» Benediktiner Notker Wolf stirbt mit 83 Jahren

Zur Ruhe setzte sich Notker Wolf nie. Er schrieb weiter Bücher, machte einen Podcast und lernte im Lockdown gar noch Arabisch. Der Tod traf den ebenso polyglotten wie weit gereisten Benediktiner unterwegs. Laut Abt Urban Federer vom Kloster Einsiedeln hat Notker Wolf «unserem Orden ein Gesicht gegeben».

Barbara Just

«Das Leben ist und bleibt ein Risiko», dessen war sich Notker Wolf bewusst. Mit Gottvertrauen ging er Probleme an, reiste in entfernte Länder und liess sich nie unterkriegen. «Lächeln Sie dem Leben entgegen. Und nehmen Sie es dennoch nicht zu leicht», lautete seine Empfehlung.

Nun ist der langjährige Abtprimas der Benediktiner (2000-2016) mit 83 Jahren überraschend gestorben – auf der Rückreise von Italien in sein oberbayerisches Heimatkloster Sankt Ottilien.

Abt Urban würdigt Verstorbenen

«Notker Wolf hat unserem Orden ein Gesicht gegeben – und das weltweit. Mit seiner kommunikativen und aufgeschlossenen Art konnte er mit allen Menschen in Kontakt treten, auch wenn diese nicht seine Ansichten und Glaubenshaltungen teilten», würdigt Urban Federer, Abt des Klosters Einsiedeln, den Verstorbenen.

Abt Urban Federer
Abt Urban Federer

«Das kontemplative Leben unseres Ordens verband er dabei mit einem aktiven Zugehen auf die verschiedensten Überzeugungen, so auch in China oder gar in Nordkorea, wo er sich rund zehnmal aufhielt.» Abt Urban versichert: «Zudem war er mir ein guter Freund, mit dem ich gerne im Gespräch war und mit dem ich auch herzlich lachen konnte. Ich werde ihn vermissen.»

«Warum sehen Sie so froh aus?»

Immer wieder war ihm die Frage gestellt worden: «Warum sehen Sie so froh aus?» Er sei ein Freund klarer Worte, bekannte er einmal und liebe es, die Dinge zuzuspitzen. Und manches, was einem täglich begegne, könne man auch nur mit Humor ertragen. Doch auch Disziplin gehört dazu.

Notker Wolf bei einem Vortrag im Benediktinerkloster Mariastein. Rechts im Bild: Mariano Tschuor.
Notker Wolf bei einem Vortrag im Benediktinerkloster Mariastein. Rechts im Bild: Mariano Tschuor.

So verriet Wolf der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), dass er regelmässig Morgengymnastik mache. Um fünf Uhr in der Früh strecke und dehne er sich ein paar Minuten. Nicht, weil er darauf eine «unbändige Lust» verspüre. Aber «dieses bisschen Sport hilft mir durch den ganzen Tag, ich fühle mich wohler und bin besser gelaunt».

Musik hielt ihn fit

Fit hielt ihn zudem die Musik. Gern griff er zur Querflöte und bisweilen zur E-Gitarre. Mit «Feed-Back», einer Formation ehemaliger Schüler des Ordensgymnasium in Sankt Ottilien, hatte er legendäre Auftritte, einmal sogar als Vorband von Deep Purple. Berührungsängste kannte der Ordensmann nicht.

Tanzende Menge an einem Konzert
Tanzende Menge an einem Konzert

Als Sohn eines Schneiders kam Werner Wolf 1940 in Bad Grönenbach im Allgäu zur Welt. Die Familie war gut katholisch, aber nicht übermässig fromm. Der Junge war Messdiener, aber sein Erweckungserlebnis hatte er auf dem Dachboden, wie es in Heidemarie Winters Biografie über ihn heisst. Dort fand der Oberrealschüler ein Missionsheft. Die Berichte weckten seine Sehnsucht nach Freiheit.

An Rachitis als Kleinkind erkrankt

Dabei stand es um ihn gesundheitlich als Kleinkind nicht gut. Als er an Rachitis erkrankte, liess der Arzt die Mutter wissen, dass sie ihren Sohn «abschreiben» könne. Mit Hilfe des Ortspfarrers schaffte es der gute Schüler dennoch ans Gymnasium der Missionsbenediktiner in Sankt Ottilien.

Notker Wolf und Peter von Sury
Notker Wolf und Peter von Sury

Nach dem Abitur 1961 trat er in den Orden ein. Als er einen neuen Namen annahm, meinte ein Mitbrüder: «Um Gottes willen, schon der fünfte Notker.» Vier Kandidaten vorher hatten die Erzabtei wieder verlassen.

An der päpstlichen Hochschule studiert

Sein Studium der Philosophie absolvierte er an der Päpstlichen Hochschule Sant’Anselmo in Rom, in München schrieb sich Wolf für Theologie und Naturwissenschaften ein. Die Priesterweihe empfing er 1968. Zwei Jahre später lehrte Wolf Naturphilosophie in Sant’Anselmo, die Promotion mit einer Arbeit über das zyklische Weltmodell der Stoa folgte.

In der Kirche Sant'Anselmo treffen sich Studierende aus 70 Nationen der Hochschule zu gemeinsamen Gottesdiensten.
In der Kirche Sant'Anselmo treffen sich Studierende aus 70 Nationen der Hochschule zu gemeinsamen Gottesdiensten.

Als 1977 in Ottilien ein neuer Erzabt gesucht wurde, fiel die Entscheidung auf den 37-jährigen Jungspund. Dabei war es ihm wichtig, den traditionell harten Drill und die Überwachung zu überwinden, um ein angstfreies Kloster zu schaffen. Die Freiheit und die Würde des Einzelnen sollten respektiert werden.

300’000 Kilometer gereist

Über sich selbst sagte Wolf, er treffe Entscheidungen, wenn sie anstünden. Als ihn nach 23 Jahren in Ottilien der Wechsel nach Rom an die Spitze des Benediktinerordens führte, hielt er es ebenso. Jedes Jahr reiste er 300’000 Kilometer um die Welt, um Mitbrüder zu besuchen. Selbst vor Nordkorea und China macht er nicht Halt. In beiden Ländern gelang es ihm, Krankenhäuser zu errichten. Seltsames Essen setzte man ihm bisweilen vor, auch Fleisch vom Hund und der Schlange. «Die können furchtbar zäh sein.»

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Sprach mehrere Sprachen fliessend

Mehrere Sprachen sprach Wolf fliessend, zuletzt lernte er im Lockdown sogar noch Arabisch. Zu Vorträgen und Talkrunden wurde er gerne eingeladen. Den von der katholischen Kirche in Deutschland eingeschlagenen Synodalen Weg sah er als richtig an: «Meines Erachtens müsste so ein Prozess die ganze Zeit laufen.» Schon der heilige Benedikt empfehle den Mitbrüdern: «Tue nichts ohne Rat, dann brauchst Du hinterher nichts bereuen.» Vor allem müsse den Jüngeren zugehört werden. (kna/woz)


Im Jahr 2000 wurde Notker Wolf zum Abtprimas und damit zum obersten Repräsentanten der Benediktiner gewählt. | © Jacqueline Straub
3. April 2024 | 14:00
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