Szene aus "Menashe"
Schweiz

«Menashe» – mehr als ein Film über das ultraorthodoxe Judentum

Zürich, 20.10.17 (kath.ch) Seit dieser Woche läuft in den Schweizer Kinos der Film «Menashe». Er spielt im ultraorthodoxen Judentum von New York. Weshalb er dennoch mehr zeigt als diese Welt, erklärt Annette Boeckler, angehende Rabbinerin und Fachleiterin Judentum beim Zürcher Institut für Interreligiösen Dialog, gegenüber kath.ch. Sie wird in Zürich an drei Tagen im Anschluss an die Vorführung für Fragen zur Verfügung stehen.

«Der Film zeigt die chassidische Welt in New York, aber er erklärt nichts», sagt Boeckler auf Anfrage von kath.ch. Entsprechend sieht sie zwei mögliche Gefahren: Die Zuschauer verlassen das Kino und haben relativ wenig verstanden. Oder sie halten das, was sie gesehen haben, für «das Judentum». Dabei handle es sich bei den ultraorthodoxen Chassidim um die kleinste Gruppierung innerhalb des Judentums, so Boeckler. Um diesen Gefahren entgegenzuwirken, wird die angehende Rabbinerin in Zürich im Anschluss an drei Filmvorführungen für Fragen zur Verfügung stehen.

Annette Boeckler, Fachleitung Judentum beim ZIID | © ZIID/zVg

Boeckler will einerseits auf Verständnisfragen aus dem Publikum antworten. Szenen wie ein riesiges Feuer oder eine ungewöhnlich fröhliche Tischszene könnten Anlass für Fragen sein, meint Boeckler, und erklärt: «Bei diesem Feuer handelt es sich um ein Fest, das zwischen den jüdischen Feiertagen Pessach und Schawuot angesiedelt ist.» Bei der Tischszene handle es sich um einen so genannten «chassidischen Tisch», auch dies ein Brauch: «Man isst mit dem Rabbi zusammen und singt textlose Melodien, sogenannte Niggunim. Die Szene ist von ungewöhnlicher Fröhlichkeit.»

Die Frage nach Authentizität

Boeckler als Fachfrau sieht zudem Dinge, deren Bedeutung dem Publikum entgehen könnte. Der Film zeige beispielsweise immer wieder, wie die Figuren sich die Hände waschen. «Den Zuschauern fällt dieses dauernde Händewaschen vielleicht gar nicht auf. Es handelt sich dabei um ein rituelles Händewaschen.»

Für Boeckler geht es im Film letztlich weniger um eine Darstellung der chassidischen Welt, sondern um die Frage nach Authentizität. «Der Film hält unserer Welt meiner Meinung nach einen Spiegel vor und stellt die Frage, wie man als Mensch authentisch sein kann», so Boeckler. Genau aus diesem Grund gefällt ihr der Film sehr. Diese Interpretation möchte sie aber durchaus auch zur Diskussion stellen. (sys)

Hinweis: Am 24., 25. und 28. Oktober erklärt Annette Boeckler im Anschluss an den Film dessen Symbole und steht für Fragen zur Verfügung. Kino Kosmos, Lagerstrasse 102, Zürich. Filmbeginn jeweils 19.30 Uhr. 

Trailer zum Film:

Szene aus «Menashe» | © look now/Federica Valabrega
20. Oktober 2017 | 14:59
Lesezeit: ca. 2 Min.
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Menashe

Der Film «Menashe» spielt im ultraorthodoxen Judentum, bei den so genannten Chassidim von New York.  Der Rabbi der Gemeinde verbietet dem Witwer Menashe, seinen Sohn grosszuziehen, weil keine Frau in seinem Haushalt lebt. So schreiben es die strengen Regeln seiner chassidischen Gemeinde vor. Bis Menashe wieder heiratet, soll der etwa 11-jährige Rieven daher bei Verwandten leben.

Menashe hält wenig von diesen strengen Regeln und möchte sein Kind selber grossziehen. Der Rabbi erlaubt ihm, Rieven eine Woche bei sich zu behalten. Der Film begleitet Vater und Sohn während dieser einen Woche. Er zeigt den Kampf des Vaters um seinen Sohn sowie um die Anerkennung seiner Glaubensgenossen.

Die meisten Darsteller sind Laien und stammen selbst aus der dargestellten Welt. «Menashe» ist der erste Spielfilm des jüdischen, nicht orthodoxen Regisseurs Joshua Z. Weinstein. (sys)