Patriarch Bartholomaios I. im Jahr 2017 in der Kathedrale von Freiburg.
Schweiz

Den Dialog weiter denken – der ökumenische Patriarch Bartholomaios I. in Freiburg

Freiburg, 25.4.17 (kath.ch) Es ist dem grossen Engagement des Instituts für ökumenische Studien der theologischen Fakultät Freiburg zu verdanken, dass der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. während seiner Reise anlässlich des 50-jährigen Bestehens des orthodoxen Zentrums in Chambésy bei Genf auch in der Saanestadt Station machte. Nach einer Feier zu Ehren des Stadtheiligen Nikolaus von Myra in der Kathedrale rief Bartholomaios an der Universität zum Dialog auf. Und das weit über die Kirchen hinaus.

Martin Spilker

In diesem Jahr ist beim Stichwort Ökumene wohl meistens von den Feiern und Anlässen zu 500 Jahre Reformation die Rede. Der Besuch des Patriarchen Bartholomaios I. diese Tage in der Schweiz machte deutlich, dass die Kirchen weit mehr als eine Reformation trennt. Wobei das Wort «Trennung» gar nicht im Sinn des bescheidenen Ökumenischen Patriarchen und Vorstehers der griechisch-orthodoxen Kirche sein dürfte. Denn Bartholomaios legt bei allen Unterschieden zwischen den Kirchen viel grösseren Wert auf das Gemeinsame, das Verbindende.

Ökumene als Reichtum verstehen

Das 77-jährige Kirchenoberhaupt, das sich bereits mit drei katholischen Päpsten getroffen hat, hält in einfachen Worten fest, dass «der Bischof von Rom kein Bischof über den anderen Bischöfen ist». Das ist aber nicht als Affront eines orthodoxen Kirchenvertreters gegen die katholische Kirche gemeint. Nein, in dieser für manche Katholiken befremdlichen Aussage geht es darum, dass es in der Ökumene nicht darum geht, Unterschiede zu benennen, sondern den Reichtum des Christentums in den unterschiedlichen Formen der Konfessionen einander zugänglich zu machen. Oder, wie er es in seinem Vortrag am Montag an der Universität Freiburg sagte und dabei einen anderen orthodoxen Würdenträger zitierte: «Diese Kirchen sind verschieden, aber nicht andersartig.»

«Diese Kirchen sind verschieden, aber nicht andersartig.»

Der Patriarch von Konstantinopel, der seinen Sitz in Istanbul, hat, schaut allerdings nicht allein auf die innerchristliche Ökumene. Das Mittelmeer, sagte er, sei für mehrere Jahrê Schauplatz eines friedlichen Zusammenlebens zwischen Muslimen und Christen gewesen. Wenn es heute scharfe Töne zwischen Vertretern der beiden Religionen gebe, dann liege der Grund dafür in einer Polemik.

Bartholomaios hielt sich auch hier nicht lange beim Trennenden auf.  Es habe immer wieder «aussergewöhnliche religiöse Oberhäupter» gegeben, die solche Differenzen als das benennen, was sie sind: Unterschiedliche Wahrnehmungen der Welt und damit verschiedene Lebensformen.

Die Dinge aus einer anderen Perspektive sehen

Aber auch hier bleibt der Patriarch nicht bei Unterschieden stehen. Dialog zwischen Religionen heisse heute, die eigene Haltung zu hinterfragen und «die Dinge aus einer anderen Perspektive» sehen zu lernen. Das erfordere viel Geduld und nicht den Anspruch auf Bekehrung. Hier sei vielmehr gegenseitiger Respekt und Kreativität gefragt, um Missverständnisse, die sich im Laufe der Jahrhundert gebildet haben, zu klären.

 Zwischen Religionen ist Respekt und Kreativität gefragt.

Damit sieht Bartholomaios noch einen weiteren, dritten Schritt der Ökumene: Den Dialog der Kirchen mit Gesellschaft und Wissenschaft. Die Theologie müsse sich «aktiv in einem Dialog mit der zeitgenössischen Gesellschaft engagieren», so der Patriarch. Da war nichts von Weltabgeschiedenheit eines Kirchenoberen zu hören.

Vergleichbar mit Papst Franziskus wies der Patriarch auf die Wichtigkeit der Auseinandersetzung mit den Menschenrechten und dem Schutz der Menschenwürde hin. Hier sei für die Kirchen auch ein Dialog mit der Wissenschaft gefordert. Denn gegenüber der Medizin oder Biologie sei eine Auseinandersetzung einer ethisch-religiösen Grundhaltung mit dem wissenschaftlich Machbaren unbedingt nötig.

Der «grüne Patriarch»

Von der Biologie ist es für Bartholomaios nicht mehr weit zur Ökologie. Er, der den Beinamen «der grüne Partriach» trägt, sieht es als zentrale Aufgabe der Kirchen, «die Welt angesichts der unwiderruflichen Zerstörung, die unseren Planeten heute bedroht, wachzurütteln». Für Bartholomaios ist es ein Zeichen der Arroganz, wenn der Mensch die Erde ausbeute und zu meinen «dass nur unsere Generation diese Erde bewohnt».

Kirchen müssen angesichts der Umweltzerstörung wachrütteln.

Auch hier habe die Theologie die Aufgabe, sich dem Dialog zu stellen und eine Öko-Theologie zu verfolgen, wie es die Universität Freiburg im vergangenen Jahr vorgezeigt habe. – Das Eintreten für ökologische Fragen nahm Staatsrätin Marie Garnier, welche die Freiburger Kantonsregierung vertrat, als Zuständige für Umweltfragen mit Freude zur Kenntnis.

Zahlreiche Honorationen

Auf die vom Bartholomaios auf französisch vorgetragene Ansprache überreichte Barbara Hallensleben, Professorin für Theologie der Ökumene, dem Patriarchen eine Glasscheibe, welche nebst dem Heiligen Nikolaus von Myra auch den Schweizer Nationalheiligen Bruder Klaus zeigt. Der Ökumenische Patriarch umgekehrt übergab dem Dekan der theologischen Fakultät, Luc Devillers, eine Ikone, welche an der Universität einen ausgewählten Platz erhalten dürfte.

Am Vortrag in der grossen Aula der Universität waren zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter geistlicher Gemeinschaften und weltlicher Behörden vertreten, welche anschliessend die Gelegenheit nutzen, dem Patriarchen persönlich die Ehre zu erweisen, und sich dabei ganz gerne fotografieren liessen. – Grosse Abwesende waren die Schweizer Bischöfe, die laut dem Informationsbeauftragten der Bischofskonferenz an einer Retraite weilten.

Patriarch Bartholomaios I. im Jahr 2017 in der Kathedrale von Freiburg. | © Martin Spilker
25. April 2017 | 12:13
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Ein Auftritt ganz ohne Pomp

Würden nicht die Domherren der Freiburger Kathedrale vor dem Hauptportal in ihren festlichen Gewändern im Halbkreis stehen, deutete nichts auf den Besuch des Ehrenoberhauptes der Orthodoxen Kirchen hin. Keine Polizei, keine Abschrankung. Als die Glocken zu läuten beginnen, kommt Patriarch Bartholomaios I. mit seinen Begleitern gemächlichen Schrittes aus der «Strasse der Verlobten» auf die Kathedrale zu.

Herzliche Begrüssungen prägen die ersten Momente des Besuchs, von der Domprobst Claude Ducarroz sagt, sie sei ein starkes Zeichen der Verbundenheit. Und für den Patriarchen umgekehrt war es eine besondere Ehre, die Reliquie des Heiligen Nikolaus von Myra verehren zu dürfen. – Dem anderen berühmten Nikolaus, nicht dem Schweizer Nationalheiligen Bruder Klaus. Die Heiligkeit, so der Patriarch, sei die «Achse des Glaubens», welche sowohl die orthodoxe wie die römischen Kirche bewahre.

Von orthodoxen Gesängen begleitet wurde für die Einheit der Kirche in französisch, griechisch und deutsch gebetet, bevor der Patriarch, religiöse Würdenträger beider Konfessionen und zahlreiche Gläubige die seit 1506 in Freiburg aufbewahrte Reliquie mit einem Kuss verehrten. Reliquien sind Überreste aus dem Körper eines Heiligen, zumeist Knochen, oder dessen Kleidung. Die Reliquie des Heiligen Nikolaus in der Kathedrale Freiburg gilt als sehr kostbar. Sie wurden im Jahr 1420 aus Rom in die Abtei Hauterive gebracht und von dort 1506 in die Kathedrale. (ms)