Zuhören: Ein Freiwilliger engagiert sich bei der Dargebotenen Hand.
Schweiz

Dargebotene Hand: Hat der Begriff «Seelsorge» ausgedient?

Die Geschäftsleiterin der «Dargebotenen Hand» distanziert sich vom Begriff «Telefonseelsorge». Auch die Regionalstelle Zürich spricht nicht mehr von «Seelsorge». Grossmünsterpfarrer Christoph Sigrist findet, das Wort habe noch immer seine Berechtigung. Es sei seit langem «aus der engen konfessionellen Interpretation herausgelöst».

Barbara Ludwig

Die Aussage liess aufhorchen: Der Begriff «Telefonseelsorge» sei «etwas veraltet», sagte Sabine Basler am 2. April in der SRF-Live-Talksendung «Persönlich». «Wir würden das heute nicht mehr so sagen.» Basler ist Geschäftsführerin des Schweizerischen Verbandes «Die Dargebotene Hand». Sie begründete ihre Aussage mit der konfessionellen Neutralität. «Da legen wir sehr viel Wert darauf.» In den Statuten des Verbandes sei der Begriff «Telefonseelsorge» noch enthalten.

Wurzeln in Zürichs reformierter Kirche

Heute gibt es zwölf regionale Organisationen, die unter dem Dach des Schweizerischen Verbandes «Die Dargebotene Hand» auftreten. Dessen Wurzeln liegen in der evangelisch-reformierten Kirche in Zürich: 1957 entstand dort die erste «Telefonseelsorgestelle» der Schweiz, als Arbeitszweig der Zürcher Stadtmission.

Notrufsäule an einer Brücke.
Notrufsäule an einer Brücke.

1981 wurde die Trägerschaft mit der Gründung eines Vereins interkonfessionell. Die Zürcher Landeskirchen unterstützen den Verein massgeblich. Im Vorstand sind nebst der evangelisch-reformierten Landeskirche denn auch der Verband der römisch-katholischen Kirchgemeinden sowie der katholische Synodalrat vertreten.

Wie kommt die Distanzierung vom Begriff «Seelsorge» durch die Geschäftsführerin des Schweizerischen Verbandes in Zürich an? Eine Abgrenzung zwischen der Dargebotenen Hand und Seelsorge brauche es «inhaltlich» nicht, teilt der Vorstand der Dargebotenen Hand Zürich auf Anfrage mit. Es sei aber ein bewusster Entscheid, den Begriff «Seelsorge» nicht zu benutzen.

Seelsorgliche Haltung

«Für ein niederschwelliges Angebot, das allen Menschen offensteht, ist der Begriff ‹Seelsorge› in der breiten Bevölkerung zu wenig verständlich oder gar religiös konnotiert», schreibt der Vereinspräsident Bruno Hohl weiter. Dennoch sei die Haltung, die in den Beratungsgesprächen der Dargebotenen Hand zum Tragen komme, durchaus seelsorglich: Die Mitarbeitenden seien «bedingungslos und empathisch» für alle Menschen mit ihren Anliegen offen. «Darum leisten die Kirchen massgebliche Beiträge an die Dargebotene Hand.»

In den Statuten der Region Zürich komme der Begriff «Seelsorge» nur in der Passage vor, in der die «Dargebotene Hand Telefonseelsorge Zürich» mit vollem Namen erwähnt werde. Er entspreche dem Verständnis der Gründungszeit und weise darauf hin, dass die Kirchen von Anfang an – und bis heute – hinter der Dargebotenen Hand stünden, so Bruno Hohl.

Helfendes Handeln anders beschreiben

Christoph Sigrist gehört nicht dem Vorstand der Dargebotenen Hand Zürich an. Doch der Grossmünsterpfarrer engagiert sich im Stiftungsrat der Evangelischen Gesellschaft Kanton Zürich, die im Vorstand vertreten ist.

Christoph Sigrist, Grossmünsterpfarrer.
Christoph Sigrist, Grossmünsterpfarrer.

«Das Statement von Frau Basler reiht sich ein in andere Versuche in der Diakonie, das helfende Handeln anders zu beschreiben», teilt er kath.ch auf Anfrage mit. Auch wenn andere Wortfelder gebraucht würden: Die Sache, nämlich das Helfen, und die Herkunft in der Evangelischen Diakoniebewegung im Kanton Zürich blieben erhalten.

Aus Sicht von Sigrist hat die Seelsorge zudem eine bleibende Berechtigung, weil der Begriff bereits seit langem aus der «engen konfessionellen und kirchlich-diakonischen Interpretation herausgelöst» worden sei. «Gerade in der Psychiatrie und Medizin ist eine neue Betonung und Einführung des Begriffs der Seele und der Sorge um sie – unabhängig von Kirchen und Religionen – zu beachten.»


Zuhören: Ein Freiwilliger engagiert sich bei der Dargebotenen Hand. | © Ueli Abt
18. April 2023 | 11:00
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