Carla Del Ponte
International

Carla del Ponte fordert Sondertribunal für syrische Kriegsverbrecher

Aleppo/Bonn, 14.12.16 (kath.ch) Nach der Eroberung Ost-Aleppos durch syrische Regierungstruppen bereiten Hilfsorganisationen die Evakuierung der Stadt vor. Carla Del Ponte fordert ein Sondertribunal für syrische Kriegsverbrecher, wie sie gegenüber der deutschen Zeitung «Die Zeit» sagte.

Solch ein Tribunal könne schneller arbeiten als der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag, sagte Del Ponte, Mitglied der Unabhängigen Internationalen UNO-Untersuchungskommission für Syrien, der «Zeit» (15. Dezember). Nach fünf Jahren Krieg in Syrien sei die «Zahl der Verbrechen so gross», dass ein Sondergericht wie im Fall von Jugoslawien nötig sei.

Anzeichen für Kriegsverbrechen

Die frühere Chefanklägerin der Tribunale für Jugoslawien und Ruanda ordnet den Beschuss von Wohnhäusern, Krankenhäusern, Schulen und Hilfskonvois durch russische und syrische Flugzeuge als Kriegsverbrechen ein. Auch Amnesty International sprach von Anzeichen für Kriegsverbrechen. Die Berichte über massakrierte Zivilisten seien «zutiefst schockierend, aber nicht überraschend», sagte Amnesty-Mitarbeiterin Lynn Maalouf. Die Regierungstruppen hätten während des gesamten Bürgerkriegs gegen die Menschenrechte verstossen.

Der Chefberater des christlichen Kinderhilfswerks World Vision, Tim Costello, mahnte eine politische Lösung für Syrien an. «Aleppo sieht aus wie Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg», sagte er in Friedrichsdorf. «Wenn wir den Menschen nicht helfen, sind wir nur Barbaren.»

Ethnische Säuberungen

Aktivisten berichteten unterdessen von weiteren Bombardements. Es sei bitter für die Bewohner Aleppos, dass sie vor den Augen der internationalen Gemeinschaft aus ihren eigenen Häusern evakuiert würden, sagte ein Mitglied des syrischen Nationalrats, Sadiqu Al-Mousslie, im Kölner domradio. In den vergangenen Tagen hätten Truppen von Assad gezielte ethnische Säuberungen durchgeführt. Politische Lösungen seien «in immer weitere Ferne» gerückt; die Zeichen für die Zukunft seien «sehr schlecht».

Unterdessen hält die Flucht aus der Stadt an, wie der katholische Pfarrer von Aleppo, Franziskanerpater Ibrahim Al-Sabagh, berichtete. Es stünden Busse bereit, um Zivilisten in sichere Gebiete zu bringen. Die vorbereiteten Auffangorte der Regierung reichen nach Einschätzung des maronitischen Erzbischofs von Aleppo, Joseph Tobji, allerdings nicht aus. «Man hat nicht mit so vielen Menschen gerechnet», sagte er dem Sender Radio Vatikan. Allerdings gebe es nun «endlich Hoffnung auf ein bisschen Frieden». (kna)

Hinweis: Mahnwache für Aleppo, 14. Dezember, 18 bis 19h vor der Heiliggeistkirche am Bahnhofplatz in Bern. Organisiert von Amnesty International Schweiz.

 

Carla Del Ponte | © Jean-Marc Ferré, Uno Genf
14. Dezember 2016 | 16:16
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