Familienarmut in der Schweiz: Angst vor Rechnungen
Schweiz

Caritas fordert landesweite Strategie zur Armutsbekämpfung

Luzern, 10.4.18 (kath.ch) 7,5 Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung waren 2016 von Armut betroffen und 1 Prozent gilt als dauerhaft arm. Für Caritas Schweiz sind bei den neusten Zahlen des Bundesamts für Statistik vor allem die neu erhobenen Daten beunruhigend: Demnach ist in der Schweiz jede achte Person im Lauf einer längeren Zeitspanne einmal von Armut betroffen.

615’000 Menschen sind in der Schweiz von Armut betroffen. Das teilte das Bundesamt für Statistik am Dienstag mit. Seit 2014 steigt diese Zahl an. 140’000 dieser Personen stehen sogar im Erwerbsleben. Im Vergleich zu anderen Ländern ist in der Schweiz der Anteil der Menschen, die als dauerhaft arm bezeichnet werden müssen, tief: Er liegt bei 1 Prozent der Bevölkerung.

Längerfristige Zahlen sehen anders aus

«Hoffentlich auch liegt diese Zahl so tief», sagt dazu Bettina Fredrich, Leiterin Fachstelle Sozialpolitik bei Caritas Schweiz, auf Anfrage. Diese Zahl zeige, dass die Schweiz grundsätzlich über gute Instrumente verfüge, Armut zu bekämpfen. Das allein sei aber kein Grund, sich zurückzulehnen. Denn auch für sie ist der andere, dieses Jahr erstmals bekannt gewordene Wert beunruhigend: Im Verlauf von vier Jahren waren in der Schweiz 12,3 Prozent oder ein Achtel der Bevölkerung einmal von Armut betroffen.

Bettina Fredrich gibt diese Zahl zu denken. Denn sie mache deutlich, dass das Thema Armut viel umfassender angegangen werden müsse, wie das Hilfswerk auch in einer Medienmitteilung schreibt. Die Caritas-Mitarbeiterin erklärt: «Was es braucht, sind verbindlichere Ziele und Massnahmen, um Armut nachhaltig zu bekämpfen.»

Armutsstrategie gefordert

Fredrich weist darauf hin, dass Menschen, die beispielsweise wieder knapp über der Armutsgrenze leben oder Sozialhilfe beziehen, von der Statistik nicht mehr erfasst würden. Die Ursache für die Situation dieser Personen sei damit aber nicht gelöst. Darum fordert Caritas Schweiz eine landesweite Armutsstrategie, bei der Bund, Kantone und Gemeinden gemeinsam Ziele zur Armutsbekämpfung aufstellen, Ziele und Massnahmen, beispielsweise in Bildungsfragen, definieren.

«Caritas setzt sich im Bundeshaus mit Lobbying ein.»

Dies sei gerade mit Blick auf rundum stattfindende oder angekündigte Budgetkürzungen im Sozialbereich von grosser Bedeutung. «Caritas konnte im nun abgeschlossenen Armutsprogramm des Bundes mitarbeiten und setzt sich seit zwei Jahren auch mit einem Lobbying im Bundeshaus verstärkt für Aufmerksamkeit zum Thema ein», so Fredrich. «Um dauerhaft gegen Armut vorgehen zu können, muss die Politik aktiv werden und Ziele setzen.»

In der Schweiz sind besonders allein lebende Menschen, Alleinerziehende mit Kindern, Menschen ohne Berufsausbildung und Erwerbslose von Armut betroffen. Die sogenannte Armutsquote wird aufgrund der für eine Person zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel berechnet. Dieser Betrag lag für das Statistikjahr 2016 bei 2247 Franken pro Monat für eine Einzelperson und 3981 Franken für zwei Erwachsene mit zwei Kindern. (ms)

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10. April 2018 | 17:15
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