Bistum Bozen beauftragt Missbrauchsstudie – Italiens Pionierin dank deutscher Hilfe

Die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche Italiens steht noch am Anfang, unabhängige Gutachten sind kein Thema. Nun hat das Bistum Bozen-Brixen eine Studie beauftragt – mit deutscher Unterstützung.

Severina Bartonitschek

Die Diözese Bozen-Brixen hat als erstes Bistum Italiens eine Missbrauchsstudie in Auftrag gegeben. Verantwortlich für die Umsetzung ist unter anderen die Münchener Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl. Sie erstellte bereits Gutachten für die Erzdiözese München und Freising und das Bistum Aachen. In einem Interview mit dem Südtiroler Wochenmagazin «FF» bestätigte Anwalt Ulrich Wastl am Donnerstag die bereits begonnen Vorarbeiten.

Keine vergleichbare Kanzlei in Italien

In Italien kenne die Diözese keine vergleichbare Kanzlei mit entsprechenden Kompetenzen und Erfahrungen, begründete der Präventionsbeauftragte des Bistums Bozen-Brixen, Gottfried Ugolini, die Entscheidung gegenüber dem CIC. Um den lokalspezifischen und sprachlichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen, seien zudem Anwälte aus Südtirol an der Durchführung beteiligt.

Gottfried Ugolini
Gottfried Ugolini

Insgesamt sei das Projekt mit dem Namen «Mut zum Hinsehen» auf drei Jahre ausgelegt, so Ugolini. Es beginne mit Einsichtnahme in allen diözesanen Archiven. Die Untersuchung der Akten erfolgt ab dem Jahr 1964; damals wurden die Bistumsgrenzen neu geregelt. Ein erster Bericht über die erfolgte Archivrecherche sei im Juni nächsten Jahres geplant, kündigte Ugolini an.

Kaum Druck aus Gesellschaft

Die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche Italiens steht noch am Anfang, gesellschaftlichen Druck gibt es kaum. Im Jahr 2019 hatte die Italienische Bischofskonferenz, zu der auch Bozens Bischof Ivo Muser gehört, eine nationale Fachstelle für Kinderschutz ins Leben gerufen und mit der Einrichtung regionaler Meldestellen begonnen. Laut eines kürzlich veröffentlichten Berichtes der Konferenz sind diese sowie örtliche Präventionsbeauftragte mittlerweile nahezu flächendeckend im Land vorhanden.

Eine unabhängige Studie zur Aufarbeitung von Missbrauch durch kirchliche Mitarbeiter ist nicht geplant. Untersucht wurden bislang lediglich die eigenen Präventionsmassnahmen seit 2020; noch in der Vorarbeit steckt ein Gutachten zu Meldungen mutmasslicher Fälle an die vatikanische Glaubensbehörde der letzten 20 Jahre.

Südtirol übernimmt Brückenfunktion

Der Bozener Präventionsverantwortliche Ugolini habe den Eindruck, dass einige italienische Diözesen die Arbeit in Bozen-Brixen mit Interesse verfolgten. «Da unsere Diözese eine geschichtlich, sozio-kulturelle und sprachliche Vielfalt aufweist, ist es natürlich nochmal spannender. Insofern haben wir auch ein Brückenfunktion.»

Das Kloster Säben in Südtirol.
Das Kloster Säben in Südtirol.

Aufbauend auf den ersten Bericht 2024 sollen die weiteren Schritte zur Umsetzung des Bistumsprojektes festgelegt werden. Dabei gehe es auch um inhaltliche und strukturelle Konsequenzen sowie Präventions- und Interventionsmassnahmen, so Ugolini. Für das Projekt hat die Diözese eine Steuerungsgruppe eingesetzt, in der auch Betroffene beteiligt sind. Ausserdem ist ein unabhängiger externer Beirat vorgesehen, der die Durchführung überprüft.

Frühere Versuche scheiterten

Der aktuelle Auftrag ist bereits der dritte Anlauf der Diözese Bozen-Brixen zu diesem Thema. Zwei Projekte zuvor scheiterten laut Ugolini aufgrund internen Drucks und zu hoher Kosten. Zudem habe es Befürchtung gegeben, dass nur wissenschaftliche Ergebnisse und weniger lokalspezifische, konkrete Präventionsmassnahmen zählen würden. Nun werde die Aufarbeitung im Bistum aber insgesamt befürwortet. (cic)


Der Bischof der Diözese Bozen-Brixen, Ivo Muser | © Wikimedia Commons/Wolfgang Moroder lusenberg.com, CC BY-SA 3.0
8. Dezember 2023 | 07:30
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