Georges Schwickerath
Schweiz

Bischofsvikar Georges Schwickerath: Fürs Frauenpriestertum, gegen den Pflichtzölibat

Georges Schwickerath (53) ist Bischofsvikar im Bistum Basel und hat die Schweizer Bischofskonferenz als Beobachter beim Synodalen Weg in Deutschland vertreten. Er findet: «Es ist höchste Zeit für Veränderungen.»

Raphael Rauch

Sie stammen aus Luxemburg. Wie gut kennen Sie Kardinal Jean-Claude Hollerich?

Georges Schwickerath*: Ganz gut, er war Spiritual, als ich im Priesterseminar in Luxemburg war. Wenn ich in Luxemburg bin, sehen wir uns leider viel zu selten.

Jean-Claude Hollerich, Mario Grech und Papst Franziskus beim Start des synodalen Prozesses im Oktober 2021 in Rom.
Jean-Claude Hollerich, Mario Grech und Papst Franziskus beim Start des synodalen Prozesses im Oktober 2021 in Rom.

Kardinal Hollerich gehört zu den progressivsten Kardinälen der Weltkirche. Erst vor ein paar Tagen hat er klar für eine neue Sexualmoral plädiert. Er ist auch fürs Frauenpriestertum. Kann er sich so frei äussern, weil er Luxemburger ist – oder weil er Jesuit ist und ein Vertrauter von Papst Franziskus?

Schwickerath: Kardinal Hollerich ist viel rumgekommen in der Welt. Er war länger in Japan und ist sehr weltoffen. Mit seinem Blick auf die Gesellschaft und seiner Analyse der Kirche ist er sehr realistisch.

«Die Gesellschaft hat sich weiterentwickelt.»

Sie haben als Vertreter der Schweizer Bischofskonferenz den Synodalen Weg in Frankfurt beobachtet. Es gab wegweisende Abstimmungen zur Machtfrage, aber auch zu den Themen Frauen, Pflichtzölibat und LGBTQI. Wie hätten Sie abgestimmt, wenn Sie Stimmrecht gehabt hätten?

Schwickerath: Ich hätte dafür gestimmt. Die Texte sind sehr fundiert geschrieben: biblisch-theologisch, von der Tradition her denkend. Um die Texte ist ernsthaft gerungen worden. Die Gesellschaft hat sich weiterentwickelt und die Kirche muss Antworten finden, damit ihre Botschaft für die Menschen verständlich und lebbar ist. Ich weiss nicht, ob das so schnell geht, wie man sich das in Frankfurt wünscht. Aber der Wille zur Veränderung ist da – das war deutlich zu spüren.

Mit Regenbogen-Fahne: die Elisabethenkirche in Basel.
Mit Regenbogen-Fahne: die Elisabethenkirche in Basel.

Können Sie als Bischofsvikar sagen: Ich setze in meiner Bistumsregion schon jetzt etwas konkret um, zum Beispiel: Das Privatleben von kirchlichen Mitarbeitenden ist privat – und geht die Kirche nichts an?

Schwickerath: Als Bischofsvikar habe ich diese Möglichkeit nicht. Ich bin der Stellvertreter des Bischofs – und der Bischof ist massgebend. Und der Bischof wiederum ist eingebunden in die Struktur der Kirche. Das ist doch unser Dilemma: Wir würden im Bistum Basel gerne vorwärtsmachen, aber die grossen Fragen hängen leider von Rom ab.

«Wir brauchen eine neue Sexualmoral.»

Kardinal Hollerich sagte erst letzte Woche: «Bei uns wird niemand gekündigt, weil er homosexuell ist, bei uns wurde auch nie jemand deswegen gekündigt.»

Schwickerath: Auch ich bin überzeugt: Wir brauchen eine neue Sexualmoral. Auch Frauen sollen Priesterinnen werden können. Und der Zölibat soll freiwillig sein. Aber ich kann das nicht entscheiden.

Synodaler Prozess: Der Basler Bischof Felix Gmür bei der Eröffnung der Kampagne "Wir sind Ohr".
Synodaler Prozess: Der Basler Bischof Felix Gmür bei der Eröffnung der Kampagne "Wir sind Ohr".

Haben Sie sich auf dem Synodalen Weg in Frankfurt wohlgefühlt – oder war Ihnen das zu parlamentsähnlich, zu sehr zack-zack?

Schwickerath: Mir haben die Diskussion gut gefallen. Es war sehr gut organisiert. Und das Zack-Zack fand ich auch gut. Es wurde nicht lang rumgeredet, sondern es gab pointierte Statements. Längere Beratungen gab es ja im Vorfeld. Es war schön, zu sehen: Wir sind mit unseren Überlegungen nicht alleine. Es gibt nicht nur eine Schweizer Sicht auf die Dinge, sondern durch die ganze Kirche in Westeuropa geht ein Ruck. L’idée fait la force: Wenn wir gemeinsam an den gleichen Themen arbeiten – wer weiss, vielleicht bewegt sich etwas.

Bischofsvikar Valentine Koledoye
Bischofsvikar Valentine Koledoye

So richtig überzeugt sind Sie nicht, dass sich was ändert…

Schwickerath: Wir sind eine Weltkirche. Mein Kollege im Bischofsrat, Bischofsvikar Valentine Koledoye, erzählt immer wieder, dass die Menschen in Afrika andere Probleme haben. Wie kommen wir in der Weltkirche gemeinsam voran? Vielleicht bekommen die Teilkirchen mehr Autonomie. Ich würde das sehr begrüssen.

«Die Themen von Frankfurt sind überall Thema.»

Als Luxemburger kennen Sie die deutsche und die französisch geprägte Kirche bestens. Was bedeutet das für den Röstigraben in der Schweizer Bischofskonferenz?

Schwickerath: Ich bin nicht Mitglied der Schweizer Bischofskonferenz. Aber ich habe mich in Frankfurt auch mit dem Beobachter der Französischen Bischofskonferenz und anderen ausländischen Beobachtern ausgetauscht. Es kam klar zum Ausdruck: Die Themen von Frankfurt sind überall Thema. Doch die Virulenz, mit der diskutiert wird, ist dann doch sehr unterschiedlich. Auch die Katholizität in Frankreich ist anders. Unter den praktizierenden Katholiken gibt es in Frankreich weniger progressive Kräfte.

Gemeindeleiterin Dorothee Becker leitet die Kommunionfeier in der Kirche St. Franziskus in Riehen BS, Juli 2021
Gemeindeleiterin Dorothee Becker leitet die Kommunionfeier in der Kirche St. Franziskus in Riehen BS, Juli 2021

Wo verorten Sie das Bistum Basel im internationalen Vergleich?

Schwickerath: Im Bistum Basel sind wir in manchen Bereichen sehr fortschrittlich. Im Bistum Basel dürfen auch Frauen und männliche Laien Kinder taufen und dem Trausakrament assistieren. Und anders als in manchen deutschen Bistümern dürfen im Bistum Basel alle Theologinnen und Theologen predigen – es müssen keine Kleriker sein. Bei der Bischofswahl werden schon jetzt die Räte beratend hinzugezogen.

* Georges Schwickerath (53) ist Bischofsvikar für die zweisprachige Bistumsregion St. Verena mit Sitz in Biel. Er stammt aus Luxemburg und ist Doppelbürger Luxemburg/Schweiz mit Heimatort Bern.


Georges Schwickerath | © Bistum Basel
7. Februar 2022 | 12:38
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