Charles Morerod
Schweiz

Bischof Morerod spricht über Muslime und Homosexuelle

Freiburg, 5.8.17 (kath.ch) In einem ausführlichen Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» (NZZ, 5. August) spricht Charles Morerod, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), über die öffentlich-rechtliche Anerkennung der Muslime, ein Burkaverbot und über Homosexuelle. Seine Antworten sind so differenziert, dass man bisweilen zwischen den Zeilen lesen muss.  

Thema des langen Interviews sind die Schweiz im allgemeinen, der Rückgang der Kirchenmitglieder, aber auch zwei Dissertationen Morerods. Mehrere Fragen thematisieren die Situation der Muslime in der Schweiz. Auf die Frage, ob der Islam Landesreligion werden soll, entgegnet der Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg: «Der Staat kann ein Interesse daran haben, die Beziehungen zum Islam zu regeln.»

Beispiel Imamausbildung

Als Beispiel nennt er die Ausbildung der Imame: Bei christlichen Pfarrern wisse man, was ihnen an Universitäten beigebracht wird, nicht jedoch bei Imamen. In dieser Hinsicht hält Morerod eine öffentlich-rechtliche Anerkennung des Islam offenbar für sinnvoll. Er sieht jedoch praktische Probleme: Der Staat verlange für die Anerkennung, «dass eine Gemeinschaft organisiert ist und unseren Rechtsstaat anerkennt.»

«Glücklich bin ich darüber nicht.»

Einige Muslime in der Waadt seien damit aber nicht einverstanden, was für andere wiederum frustrierend sei. Zwar ist Morerod «nicht glücklich» darüber, dass gewisse Muslime den Schweizer Rechtsstaat nicht anerkennen, zeigt aber auch Verständnis dafür: «Wenn wir Muslimen das Gefühl geben, sie seien schlecht, wenn sie sich von uns nicht respektiert fühlen, ist es vielleicht auch schwierig, von ihnen die Anerkennung unserer Werte einzufordern», so Morerod.

Gegen ein absolutes Burkaverbot, aber…

Morerod spricht sich gegen ein «absolutes Burkaverbot» aus, weil er die Religionsfreiheit akzeptiert. Dennoch hält er es für nötig, dass eine Frau im Kontakt mit den Behörden ihr Gesicht zeigt. Ähnlich hatte schon die SBK in einem nicht ganz leicht verständlichen Communiqué vom September 2016 argumentiert. Auch Morerod, auf dessen Bistumsseite es eine Rubrik «Humor» gibt, erinnert im Interview an diese Stellungnahme: «Ich weiss nicht mehr, wie sie es genau formuliert hat (lacht)».

«Wir hatten das gleiche Problem wie die Muslime heute.»

Klarere Worte findet der SBK-Präsident in der Frage, wie der Koran zu interpretieren sei: «Der Islam müsste in seinem Verständnis der Offenbarung etwas tun, was auch wir taten», nämlich, so schliesst man als Leserin, eine wortwörtliche Auslegung hinterfragen. Denn diese könne «in Fundamentalismus münden». Er erwähnt dazu den Prozess, den auch die katholische Kirche durchlaufen habe: «Wir hatten das gleiche Problem wie die Muslime heute.»

Erst das Zweite Vatikanische Konzil habe hier klargestellt: «Gott, als Autor seines Wortes, hat Menschen gewählt, die dieses in ihrer Kultur und in ihrem Stil niedergeschrieben haben. Gott hat sich zwar durch sie mitgeteilt, aber man muss verstehen, was die Worte bedeuten.» Morerod gibt aber zu bedenken, dass eine solche Auslegung beim Koran schwieriger sei, weil dieser im Unterschied zu den Evangelien als das direkte Wort Gottes gelte.

Christen haben unterschiedliche Meinungen

Ein weiteres Thema des Interviews ist der Umgang der katholischen Kirche mit Homosexuellen.  Nachdenklich stimmen Charles Morerod Äusserungen Homosexueller, die ihm sagten: «Sie tolerieren mich zwar, aber Sie hätten es lieber, wenn Leute wie ich nicht existieren würden.» Er, Morerod, könne niemandem sagen, er würde besser nicht existieren. «Was können wir also tun, damit alle das Evangelium als gute Nachricht erkennen? Ich habe Theologen gesagt: Das muss man besser studieren.»

Eine überraschende Antwort gibt Morerod schliesslich in Bezug auf die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche in moralischen Fragen: Die Kirche habe im Umgang mit sexuellen Übergriffen Fehler gemacht, grosse Fehler! «Aber sollten wir deswegen andere Fehler vertuschen? Sollen wir nicht sagen, dass es nicht gut ist, Familien von Asylsuchenden zu trennen, nur weil wir selber nicht alles gut gemacht haben?» Ob das als Plädoyer für das Einmischen der Kirche in politische Fragen zu verstehen ist, geht aus dem Interview nicht hervor.

Als Erklärung für seine vielsagenden Antworten sagt Morerod am Ende des Interviews allerdings, erneut lachend: «Auch Christen können unterschiedliche Meinungen haben.» (sys)


Charles Morerod | © Vera Rüttimann
5. August 2017 | 12:33
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!