Charles Morerod
Schweiz

Bischof Morerod spricht mit Opfer – und wird angezeigt

Der Westschweizer Bischof Charles Morerod macht Ernst mit Gesprächen mit einem Missbrauchsopfer. Den Schweizer Freidenkern ist das zu wenig: Sie haben Strafanzeige erstattet.

Charles Morerod, Bischof von Freiburg, Lausanne und Genf, hat das mutmassliche Missbrauchsopfer im Fall P.F. zu einem Gespräch eingeladen. Dies meldet das Online-Portal cath.ch mit Bezug auf die Westschweizer Sonntagszeitung «Le Matin dimanche» (16. Februar). Morerod wolle dem Opfer – der heute 39-jährige Universitätsdozent Pierre E. – zuhören, um dessen Schmerz zu verstehen und die Fakten des Falles kennen zu lernen.

Gemäss Zeitung hat E. einer Begegnung mit Morerod grundsätzlich zugestimmt, über die genauen Modalitäten werde noch verhandelt. Auch eine Freundin von E. werde beim Gespräch dabei sein. Diese hatte den Mann bereits im Jahr 2011 begleitet.

Ein Fall für die Glaubenskongregation…

Hintergrund sind Vorwürfe, wonach der Freiburger Domherr P.F. ihn 1998 in einem Chalet im Wallis sexuell missbraucht haben soll. Zum Zeitpunkt des Vorfalls sei er 17 Jahre alt gewesen, sagte E. Anfang Februar gegenüber dem «Tages-Anzeiger» und der «Rundschau» von Schweizer Fernsehen SRF. Morerod hat P.F. inzwischen suspendiert und den Fall an die Glaubenskongregation weitergeleitet.

Gemäss Morerod gab es nach dem Ereignis von 1998 ein Gespräch zwischen P.F. und Pierre E. in Anwesenheit des damaligen Bischofs Bernard Genoud. Weiter habe es 2001 eine Schlichtungssitzung gegeben, bei der das Bistum durch Generalvikar Rémy Berchier und den Geistlichen Nicolas Betticher vertreten war. Diese Sitzung sei protokolliert worden. «Das Protokoll der Sitzung habe ich zum ersten Mal im Dezember 2019 gesehen», sagte Bischof Morerod gegenüber kath.ch.

…und die Schweizer Strafbehörden

Morerod behauptet, erst im Jahr 2016 durch P.F. selbst von einer «Geschichte» erfahren zu haben. Dabei habe dieser von einem «einzelnen Ereignis» gesprochen, an dem eine «erwachsene Person» beteiligt gewesen sei.

Andere Quellen führen aus, dass der Bischof bereits 2011 von dieser Beziehung gewusst und den mutmasslichen Täter geschützt haben soll. Die Freidenker-Vereinigung der Schweiz hat aus diesem Grund Anzeige wegen Begünstigung gegen Charles Morerod eingereicht, wie die Vereinigung am Montag selbst mitteilt.

Vorwurf der «systematischen Vertuschung»

Für die Freidenker scheint die Anzeige exemplarischen Charakter zu haben. In ihrem Schreiben führen sie aus, dass die interne Untersuchung der Diözese «betreffend das nicht Weitergeben von Informationen, Mangel an Urteilsvermögen und dem Verschwinden von Dokumenten» nicht reiche.

Zudem sprechen sie von einer «systematischen Vertuschung von Missbrauchsfällen» in der römisch-katholischen Kirche. Es habe sich immer wieder gezeigt, dass kircheneigene Kontrollmechanismen fehlten oder versagten und deshalb der Rechtsstaat aktiv werden müsse.

Interne Untersuchung eingeleitet

Eines der Themen des nun angekündigten Gesprächs zwischen Morerod und Pierre E. wird die Frage sein, warum das im Bistum vorhandene Protokoll des Treffens von E. mit dem Generalvikar Rémi Berchier und P.F. aus dem Jahr 2001 so dürftig ist. Nach Aussage von Bischof Morerod handelt es sich lediglich um eine Aktennotiz, die festhält, dass die betroffenen Personen sich geeinigt hätten. Offenbar fehlt darin beispielsweise das Alter des Opfers zum Zeitpunkt der Übergriffe durch P.F.

Ein zweiter Punkt ist das Fehlen der Akte P.F. in den Archiven des Bistums, weshalb Bischof Morerod eine interne Untersuchung eingeleitet hat.

Über das Treffen von E. und seiner Freundin mit Bischof Morerod soll ein von allen beteiligten Personen genehmigtes Protokoll erstellt werden. (cath.ch/sys/ms)

Charles Morerod | © Barbara Ludwig
17. Februar 2020 | 12:19
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