Bischof Markus Büchel in Wil SG.
Theologie konkret

Bischof Markus Büchel: «Ich kann mir viele Frauen als Priesterinnen vorstellen»

Der Bischof von St. Gallen sagt, er habe keine Angst vor einem Schisma – und verweist auf die Piusbrüder. Ein Gespräch über den synodalen Prozess, einen brüderlichen Austausch mit Benedikt XVI. – und Frauen als Priesterinnen.

Raphael Rauch

Legt man sich als Bischof irgendwann ein dickes Fell zu, um Kritikpunkte an der Kirche besser wegstecken zu können?

Bischof Markus Büchel*: Persönliche Geschichten berühren mich nach wie vor sehr. Aber das dicke Fell kommt mit der Zeit schon, weil man als Bischof schnell kategorisiert: Was kann ich machen – und wo sind mir die Hände gebunden?

Wer wird ausgeschlossen? Antworten im Bistum St. Gallen.
Wer wird ausgeschlossen? Antworten im Bistum St. Gallen.

Zum synodalen Prozess haben Sie die Gläubigen im Bistum St. Gallen befragt. Auf die Frage «Wer wird ausgeschlossen?» antworten 64 Prozent: Frauen.

Büchel: Im Bistum St. Gallen haben wir Frauen so weit wie möglich integriert. Aber im Ordo sind sie noch nicht präsent. Die Ämterfrage muss in einem grösseren Zusammenhang gesehen werden. Es stimmt: Ich kann keine Frauen zu Priesterinnen weihen. Aber ich kann im Bistum St. Gallen zurzeit auch keine Männer weihen, weil Männer wegen des Zölibats gar nicht mehr Priester werden wollen. Wir organisieren deshalb die Pastoralteams anders, um die Priester zu entlasten. Aber auch das ist nicht immer so einfach. In der Kirche gibt es nicht nur Teamplayer, ein kooperativer Führungsstil steht nicht an vorderster Front.

Ulrichskreuz von Bischof Markus Büchel.
Ulrichskreuz von Bischof Markus Büchel.

Sollen Frauen Priesterinnen werden dürfen?

Büchel: Ich kann mir viele Frauen als Priesterinnen vorstellen.

«Benedikt XVI. wollte mich nach meiner Wahl zum Bischof kennenlernen.»

Haben Sie wegen dieser Haltung schon einmal Ärger mit Rom bekommen?

Büchel: Nein. Ich habe das schon einmal in einem Interview gesagt nach meiner Wahl zum Bischof. Damals gab es ja eine Weihe von Frauen auf dem Bodensee, deswegen haben mich Journalisten das damals gefragt. Ich habe klar gesagt: Das ist eine Frage, die wir diskutieren dürfen, das darf kein Tabu sein. Ich habe mich darüber auch mit Papst Benedikt XVI. ausgetauscht. Er wollte mich nach meiner Wahl zum Bischof kennenlernen. Wir haben uns in Castel Candolfo getroffen – und da hat er mich auf das Interview angesprochen. Mich hat überrascht, dass er von dem Interview wusste (lacht). Das war aber kein Abkanzeln, sondern ein brüderlicher Austausch.

Synodaler Prozess im Bistum St. Gallen: Auch der St. Galler Bischof Markus Büchel will zuhören.
Synodaler Prozess im Bistum St. Gallen: Auch der St. Galler Bischof Markus Büchel will zuhören.

Das war 2006. Wo stehen wir heute im Jahr 2022?

Büchel: Mittlerweile gibt es mehr Stimmen, die da offener sind. Wir sind auf dem Weg, aber die Zeit dafür ist noch nicht reif. Das muss ich als Bischof zur Kenntnis nehmen, von daher ist Stand heute eine Frau als katholische Priesterin eine Utopie.

Taufe
Taufe

Im Bistum Basel können Laien unter bestimmten Voraussetzungen taufen und trauen. Im Bistum St. Gallen dürfen Laien taufen – aber nicht trauen. Wann ist das der Fall?

Büchel: Wir sind da dran auf Ebene der Bischofskonferenz. Wir haben das auch beim Ad-limina-Besuch angesprochen. Wir haben einen kirchenrechtlichen Weg, der verhebt. Von daher wird das relativ pragmatisch schon bald kommen.

«Miteinander heisst ja nicht, dass alle alles gleich machen müssen.»

Beim Informationsabend am Freitagabend in Wil gab es Stimmen, die befürchten: Die Ergebnisse der diözesanen «Wir sind Ohr»-Umfrage könnten auf dem Weg nach Rom verwässert werden.

Büchel: Diese Sorge habe ich nicht. Ich bin ja im Präsidium der Bischofskonferenz und da organisieren wir gerade einen Weg, wie wir auf nationaler Ebene das möglich machen. Die Pastoralkommission unterstützt uns dabei. Der nationale Bericht soll partizipativ und öffentlich entstehen. Denn es geht ja nicht nur um das Papier nach Rom. Es geht ja auch darum, wie es in der Schweiz weitergeht. Der synodale Prozess ist auch für uns auf nationaler Ebene ein guter Anstoss, miteinander mehr zu gestalten. Miteinander heisst ja nicht, dass alle alles gleich machen müssen.

«Die Piusbrüder sind gar nicht so sehr an der Einheit interessiert, sondern wollen die Spaltung vertiefen.»

Manche fürchten ein Schisma in der Kirche. Teilen Sie die Sorge?

Büchel: Ich persönlich habe keine Angst. Papst Franziskus hat sich beispielsweise im Umgang mit den Piusbrüdern relativ sec geäussert, weil er gemerkt hat: Die sind gar nicht so sehr an der Einheit interessiert, sondern wollen die Spaltung vertiefen. Und eine Spaltung bedeutet ja, dass eine Einheit in Vielfalt nicht ausgehalten wird. Ich finde, wir müssen in der Weltkirche nicht alles auf den letzten Buchstaben gleich machen. Wenn uns die Grundfragen des Glaubens bewusst sind, entfaltet sich automatisch eine grössere Gelassenheit.

St. Peter in Wil SG
St. Peter in Wil SG

Was bedeutet es Ihnen, in Wil die Ergebnisse der «Wir sind Ohr»-Umfrage entgegenzunehmen?

Büchel: Es kommen Erinnerungen an die Synode 72 hoch, wir haben damals in Wil getagt. Ich war Theologie-Student, habe die Sessionen verfolgt und eine Woche später auf der Schreibmaschine das Protokoll getippt. Das war Aufbruchstimmung pur. Wir kannten offene Diskussionen in der Kirche ja gar nicht. Für mich war die Synode 72 das beste Praktikum in Pastoraltheologie.

«Die ganze ökumenische Gelassenheit gab es damals nicht.»

Viele Hoffnungen der Synode 72 hat Papst Johannes Paul II. begraben. Was sagen Sie den Enttäuschten?

Büchel: Viele Hoffnungen haben sich sehr wohl erfüllt. Die ganze ökumenische Gelassenheit gab es damals nicht. Da hat sich viel entwickelt und entfaltet.

Der Bischof von Würzburg, Franz Jung, hat eine Garantieerklärung für queere Mitarbeitende abgegeben. Könnten Sie sich Ähnliches vorstellen?

Büchel: Bislang habe ich nicht die Notwendigkeit gehabt, das öffentlich zu sagen. Wir sind aber schon seit Jahren im Bistum St. Gallen vernünftig unterwegs und finden für alle, die in einer verantwortlichen Situation leben, einen Platz in der Kirche.

* Markus Büchel (72) ist seit 2006 Bischof von St. Gallen und Vizepräsident der Schweizer Bischofskonferenz.


Bischof Markus Büchel in Wil SG. | © Raphael Rauch
13. Februar 2022 | 12:00
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