Bischof Joseph Maria Bonnemain predigt auf Spanisch - an der Feier für den "Señor de los Milagros".
Schweiz

Bischof Joseph Bonnemain: «Gott ist die Antipode des Schwarzen Lochs»

Der Bischof von Chur, Joseph Bonnemain, warnt Spitaldirektorinnen und Spitaldirektoren vor Profitdenken: «Nicht das Unternehmen, sondern die Menschen haben Priorität», sagt er bei einem Kongress. Naturwissenschaft und Theologie seien kein Widerspruch: «Gott ist die Antipode des Schwarzen Lochs».

Raphael Rauch

Ein Auftritt vor Spitaldirektorinnen und Spitaldirektoren ist für Joseph Maria Bonnemain eine Art Heimspiel. Der Bischof von Chur ist nicht nur promovierter Theologe, sondern auch promovierter Arzt. Er war nicht in der Pfarreiseelsorge tätig, sondern wirkte über vier Jahrzehnte in der Spitalseelsorge.

«Gemeinsam gegen Blockaden»

«Das Spital hat mich erzogen», pflegt Bonnemain bisweilen zu sagen: Im Spital lernte er, dass die pastorale Realität oft anders aussieht als das Lehramt.

Ohne Bonnemains Fundraising-Talent hätte der Bau der Limmatspital-Kapelle kaum finanziert werden können. Überhaupt geniessen Spitäler bei ihm einen hohen Stellenwert. 

Joseph Bonnemain als Spitalseelsorger während der Corona-Pandemie.
Joseph Bonnemain als Spitalseelsorger während der Corona-Pandemie.

Wohl auch deshalb folgte Bonnemain einer Einladung zu einem Kongress der Schweizer Spitaldirektorinnen und Spitaldirektoren nach Luzern. Das diesjährige Thema war: «Gemeinsam gegen Blockaden». Es ging dabei um mögliche Lösungen für eine gute Weiterentwicklung des Spitalwesens. Dort hielt er am Freitag einen Vortrag, der kath.ch vorliegt. 

Den Heilungsauftrag klar vor Augen

Bischof Joseph Bonnemain erklärte die Entwicklungsprinzipien, die John Henry Newman im 19. Jahrhundert für die Entwicklung in der Kirche formuliert hatte. Deren Anwendung könnte auch auf andere Institutionen eine positive Dynamik entfachen. 

Im Zürcher Limmatspital: Joseph Bonnemain mit Spitalseelsorgerin Christiane Burrichter.
Im Zürcher Limmatspital: Joseph Bonnemain mit Spitalseelsorgerin Christiane Burrichter.

Der Bischof von Chur warnte in Luzern vor reinem Profitdenken: «Nicht das Unternehmen, sondern die Menschen haben Priorität», sagte Bonnemain. «Eine Institution, die nicht zu Grunde gehen will, darf im Verlauf ihrer Entwicklung und ihres Wachstums ihren Ur-Zweck und ihr Entstehungscharisma nicht verraten.» Will heissen: Ziel eines Spitals sei es, für die Menschen da zu sein, wobei man sich den Heilungsauftrag immer wieder neu vor Augen führen müsse.

«Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee»

Bonnemain dankte seinen langjährigen Kolleginnen und Kollegen im Spital und betonte: «Mitarbeitende zu priorisieren, ist das Beste für ein Unternehmen. Die Stabilität eines Unternehmens ist das Beste für Mitarbeitende.»

Die neue Kapelle des Limmattalspitals mit Teich.
Die neue Kapelle des Limmattalspitals mit Teich.

Zugleich stellte Bonnemain vier Prinzipien von Papst Franziskus vor, die für den sozialen Frieden wichtig seien: «Erstens: Zeit ist wichtiger als Raum. Zweitens: Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee. Drittens: Einheit ist wichtiger als Konflikt. Und viertens: Das Ganze ist wichtiger als die Teile.» Diese Prinzipien liessen sich auf das Spital-Management übertragen.

Wurzeln stehen für «Lebendigkeit und Wachstum»

Zugleich verwies Bonnemain auf Parallelen zwischen Entwicklungen im Spitalwesen und in der katholischen Kirche. «Eine lebendige Institution assimiliert neue Komponenten, integriert diese in die eigenen Strukturen und macht sie sich zu eigen.» Allerdings dürften Neuerungen «nicht chaotisch, willkürlich und ohne integrierende Reihenfolge stattfinden». 

Synodaler Prozess: Bischof Joseph Bonnemain (rechts) im Gespräch mit Viktor Diethelm.
Synodaler Prozess: Bischof Joseph Bonnemain (rechts) im Gespräch mit Viktor Diethelm.

Prophetische Managerinnen und Manager zeichneten sich dadurch aus, dass sie «schon während der Entwicklung und des Wachstums eine Vorschau auf das geben würden, was später – bei voller Entfaltung – das Ergebnis sein werde». Bei allen Neuerungen brauche es die Verbindung zu den Wurzeln. Diese garantierten «Lebendigkeit und Wachstum».

Nicht im eigenen Ich narzisstisch behaftet sein

Gemäss dem Bischof von Chur kann die Synodalität, die in der katholischen Kirche gegenwärtig eingehend behandelt wird, als Modell für die Überwindung solcher Blockaden dienen. Die Grundblockade bestehe laut ihm darin, «im eigenen Ich narzisstisch behaftet zu sein».

Bischof Joseph Bonnemain im Limmattal-Spital. Auf dem Arm: der kleine Alessio.
Bischof Joseph Bonnemain im Limmattal-Spital. Auf dem Arm: der kleine Alessio.

Nur gemeinsam, betonte Bonnemain, «und nur im ‘Wir’ findet und entfaltet man sich selbst. Es geht darum, das göttliche Prinzip nachzuahmen. Gott ist absolut frei von sich selbst, eine ewige, schöpferische, lebenspendende Quelle – total im Anderen zentriert und auf den anderen gerichtet. Gott ist Fülle der Beziehung.»

Und ja, Naturwissenschaft und Theologie seien kein Widerspruch, wie der Arzt und Theologe Joseph Bonnemain betonte: «Gott ist die Antipode des Schwarzen Lochs.»


Bischof Joseph Maria Bonnemain predigt auf Spanisch – an der Feier für den «Señor de los Milagros». | © Christian Merz
9. November 2022 | 16:22
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