Bischof Felix Gmür während der Predigt in der Kirche St. Oswald Zug.
Schweiz

Bischof Felix Gmür anerkennt, dass Verfahrensfehler im Missbrauchsfall gemacht wurden

Ein Priester aus Nigeria hat eine Minderjährige in den 1990er-Jahren jahrelang missbraucht. Bischof Felix Gmür hat kein kirchenrechtliches Strafverfahren eröffnet. Und auch Akten wurden nicht nach Rom geschickt. Fehler habe der damalige Voruntersuchungsführer gemacht, so das Bistum Basel.

Gemäss Artikel nimmt das Opfer 2018 Kontakt mit der Anlaufstelle des Bistums auf. Es sei zu einigen unverbindlichen Treffen gekommen. «Warum sie damals keine offizielle Meldung erstattet hat, kann sie nicht sagen.» Warum hat die verantwortliche Person auf der Anlaufstelle bei Verdacht auf einen mutmasslichen sexuellen Übergriff nicht sofort Strafanzeige/eine kirchenrechtliche Voruntersuchung eingeleitet (Generelle Ermittlungs- und Meldepflicht)?

Bistum Basel*: Die betroffene Person muss damit einverstanden sein, dass ihre Meldung bei der Anlaufstelle an die Bistumsleitung weitergegeben wird. Sobald dies der Fall war, wurde das Bistum aktiv. Es ist nicht Aufgabe der Anlaufstelle, Anzeige zu erstatten, und sie kann auch keine Untersuchungen einleiten. Das ist Aufgabe der Bistumsleitung. (Anmerkung d. R.: Das war damals korrekt. Heute wird ein mutmasslicher sexueller Übergriff automatisch zur Anzeige gebracht)

«Der Widerspruch ist dennoch nicht zu leugnen.»

Warum kommt die Genugtuungskommission der Bischofskonferenz zur Entscheidung es handle sich um einen «schwerwiegenden Fall» und spricht eine Entschädigungssumme über 15’000 Franken, während Bischof Gmür zum Schluss kommt, dass sich die Vorwürfe des Opfers nicht bestätigt hätten?

Bistum Basel: Die Genugtuungskommission macht eine Plausibilitätsprüfung, das Bistum prüft juristisch. Die beiden Wege folgen sehr unterschiedlichen Regeln und sind nicht direkt miteinander zu vergleichen. Der Widerspruch ist dennoch nicht zu leugnen. Der Bischof anerkennt, dass damals Verfahrensfehler gemacht wurden, die dazu geführt haben, dass kein kirchenrechtliches Strafverfahren eröffnet wurde.

Das Kirchenrecht regelt die Meldepflicht eindeutig: Missbrauchsfälle, die Minderjährige betreffen, müssen in Rom gemeldet werden.
Das Kirchenrecht regelt die Meldepflicht eindeutig: Missbrauchsfälle, die Minderjährige betreffen, müssen in Rom gemeldet werden.

Warum entscheidet Bischof Gmür nach der kanonischen Voruntersuchung, die Dokumente der Untersuchung nicht nach Rom zu schicken und wie begründet er dies?

Bistum Basel: Der damalige Voruntersuchungsführer war der Meinung, dass nicht genügend Hinweise vorliegen und ging fälschlicherweise davon aus, dass das Bistum die Akten nicht nach Rom schicken muss.

Weshalb hat Bischof Felix Gmür die Akten am 4. Juli dieses Jahres dennoch nach Rom geschickt?

Der Bischof hat die Angelegenheit nochmals überprüft, den Fehler behoben und alle Akten nach Rom übersandt.

«Die Aufzeichnungen wurden durchaus einbezogen, aber aus heutiger Sicht falsch beurteilt.»

Warum verhängte der Bischof dennoch ein Tätigkeitsverbot für den beschuldigten Priester in seinem Bistum, wenn sich doch die Vorwürfe des mutmasslichen Opfers angeblich nicht erhärten liessen?

Bistum Basel*: Das Tätigkeits- und Kontaktverbot für den beschuldigten Priester wurde schon zwei Wochen vor Beginn der Voruntersuchung verhängt. Diese Schutzmassnahme wurde erlassen, um die betroffene Person vor jeglicher Einflussnahme durch den Beschuldigten zu schützen.

Justitia – Symbol der Gerechtigkeit.
Justitia – Symbol der Gerechtigkeit.

Warum werden die Aufzeichnungen des Opfers nicht in die Beurteilung einbezogen?

Bistum Basel*: Die Aufzeichnungen wurden durchaus einbezogen, aber aus heutiger Sicht falsch beurteilt.

Wieso händigt Bischof Gmür die Unterlagen, die nicht in die Beurteilung einfliessen und deren Richtigkeit in Zweifel gezogen werden, dem Beschuldigten aus?

Bistum Basel: Der damalige Voruntersuchungsführer hat fälschlicherweise Kriterien, die für ein kirchliches Strafverfahren gelten, bereits auf die Voruntersuchungsphase angewendet. Er war der Überzeugung, dass bereits für die Voruntersuchung dem Beschuldigten alle Beweise vorgelegt werden müssen, damit sich dieser angemessen verteidigen kann. Das ist verfahrensrechtlich nicht korrekt.

Das Interview erschien zuerst im «Pfarrblatt Bern». Das Netzwerk der Pfarreiblattredaktionen der deutschsprachigen Schweiz (Arpf) hat der Kommunikationsstelle des Bistums Basel Fragen zum «Beobachter»-Fall um den mutmasslichen sexuellen Missbrauch gestellt. (jas)


Bischof Felix Gmür während der Predigt in der Kirche St. Oswald Zug. | © Vera Rüttimann
20. August 2023 | 16:00
Lesezeit: ca. 2 Min.
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