Kardinal Rainer Maria Woelki im Kölner Dom.
International

Bischof Dieser lädt Kardinal Woelki bei Aachener Heiligtumsfahrt aus

Bei der Aachener Heiligtumsfahrt hätte traditionsgemäss der Kölner Erzbischof die Pilgermesse leiten sollen. Doch der Aachener Bischof Helmut Dieser befürchtete, dass der Gottesdienst in eine Krawallveranstaltung umschlage. Kardinal Rainer Maria Woelki reagierte tief betroffen mit einem Video.

Andreas Otto und Gerd Felder

Es ist eine Ehre, die traditionsgemäss dem Kölner Erzbischof gebührt. Als Metropolit – also Vorsteher – der Kölner Kirchenprovinz leitet er die letzte grosse Pilgermesse bei der Aachener Heiligtumsfahrt – einer elftägigen grossen Wallfahrt, die in der Regel alle sieben Jahre stattfindet. So hätte es auch an diesem Sonntag sein sollen. 

Aber der aktuelle Erzbischof heisst Kardinal Rainer Maria Woelki. Und der steht vor allem wegen der Missbrauchsaufarbeitung in der Kritik. Wegen Protesten im Vorfeld des Gottesdienstes und wegen befürchteter weiterer Demonstrationen am Rande der Open-Air-Messfeier neben dem Dom wurde seine Teilnahme kurzfristig abgesagt.

Helmut Dieser, Bischof von Aachen.
Helmut Dieser, Bischof von Aachen.

Der Aachener Bischof Helmut Dieser hatte Woelki gebeten, nicht zu kommen. Er habe befürchtet, dass der Gottesdienst in eine Krawallveranstaltung umschlage, da der Kardinal im Moment «Projektionsfläche für viele Probleme» zu sein scheine, begründete Dieser seinen Schritt. Er leitete dann mit Dompropst und Wallfahrtsleiter Rolf-Peter Cremer die Feier, die ruhig ablief. Am Rande waren kleine Protesttransparente zu sehen.

Woelki seinerseits zeigte sich tief betroffen – nicht nur in Form einer eigenen Pressemitteilung, sondern auch in einer Videobotschaft. Er warnte vor einer Instrumentalisierung von Gottesdiensten für Protestaktionen. «Ich wäre als Pilger nach Aachen gekommen so wie viele Tausende auch. Ich bin davon überzeugt, dass es unter Christen möglich sein muss, unterschiedliche Auffassungen zu haben und deutlich zu vertreten – und dennoch gemeinsam die heilige Eucharistie zu feiern.»

Mit dem Rücken zum Kardinal: Ministrantinnen und Ministranten protestieren in Rom gegen Kardinal Woelki.
Mit dem Rücken zum Kardinal: Ministrantinnen und Ministranten protestieren in Rom gegen Kardinal Woelki.

Nicht zum ersten Mal sieht sich Woelki mit Protesten gegen seine Person im Umfeld vom Gottesdiensten konfrontiert. Als er im vergangenen Herbst bei einer Ministrantenwallfahrt in Rom predigte, standen 100 bis 150 Messdienerinnen und Messdiener auf, drehten sich um und zeigten ihm die kalte Schulter. Sollte es das Kalkül geben, dass sich mit der Zeit die Wirren um seine Person schon legen werden, so belegt der Aachener Eklat, dass diese Rechnung nicht aufgeht.

Religiöses und kulturelles Angebot

Der Vorfall legt einen Schatten auf die Heiligtumsfahrt, die in ihrer Mischung aus religiösen und kulturellen Angeboten an die Atmosphäre von Katholiken- und Kirchentagen erinnert. Das Besondere an dem alle sieben Jahren gefeierten Glaubensfest sind vier Tuchreliquien. Alle sieben Jahren werden sie dem Marienschrein des Aachener Doms entnommen und zur Verehrung ausgestellt: das Kleid Mariens aus der Heiligen Nacht, Windeln Jesu, das Lendentuch des Gekreuzigten und das Enthauptungstuch Johannes des Täufers. An der Echtheit darf gezweifelt werden; nach Untersuchungen sind sie zwischen dem dritten und fünften Jahrhundert entstanden. Aber die Kirche heute sieht in den Textilien Zeichen, die auf Jesus hinweisen.

Die "Windel Jesu" an der Aachener Heiligtumsfahrt.
Die "Windel Jesu" an der Aachener Heiligtumsfahrt.

Wegen Corona musste der Siebenjahres-Rhythmus 2021 unterbrochen und die Heiligtumsfahrt um zwei Jahre verschoben werden. Menschen aller Altersstufen aus dem In- und Ausland machten sich nach Aachen auf: Fuss- und Radpilger oder Biker kamen auf unterschiedlichsten Wegen in die Kaiserstadt. Kinder mit selbstgebastelten Pilgerstöcken belebten das Zentrum. Kranke und Menschen mit Behinderungen erfuhren Trost und Zuspruch in auf sie zugeschnittenen Gottesdiensten.

Kommunikation ist moderner und erklärender

Was auffiel: Die Erlebnisdimension der Wallfahrt ist verstärkt, die Kommunikation moderner und erklärender gestaltet worden – auch für Menschen, die der Kirche und der Wallfahrt fernstehen. Vor Türen des Doms bildeten sich zwar häufiger lange Schlangen, um die Tuchreliquien zu sehen. Sie reichten aber selten so weit um die Ecke, dass sämtliche vorbereitete Eingänge «gefüllt» gewesen wären. Auch bei den grodden Pilgermessen mit Bischöfen und Kardinälen aus dem In- und Ausland auf dem Katschhof neben dem Dom blieb manche Stuhlreihe leer.

Buntes Programm

Dafür waren die Kulturveranstaltungen abends an selber Stelle mit Stars wie Guildo Horn, Judy Bailey oder Götz Alsmann überfüllt. Dass dann aber das Nachtgebet im Dom, welches auf das Alsmann-Konzert folgte, ebenfalls überfüllt war, überraschte viele. Gerade diese spirituellen Angebote sind Kennzeichen der Heiligtumsfahrt: Vom frühen Morgen bis zum späten Abend beteten und meditierten Menschen im Angesicht der vier Heiligtümer.

Trotz des Woelki-Eklats zeigen sich die Veranstalter zufrieden. Eine Stimme von dort: «Dass diese alten Tücher so viele Leute bewegen und so viel bewirken würden, hätte ich am Anfang nie gedacht.» (kna)


Kardinal Rainer Maria Woelki im Kölner Dom. | © KNA
19. Juni 2023 | 08:58
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