Paar- und Ehetherapeut Norbert Engeler
Schweiz

Paarbeziehung und Kirche: Ratschläge an künftige Mitarbeiter im Bistum Basel

Delsberg JU, 13.1.16 (kath.ch) Paarbeziehung, Familie, Patchworkfamilien, Alleinerziehende und die «Lebensform Jesu» – Seelsorgende können auf dem Weg, dies alles unter einen Hut zu bringen, scheitern. Ein gutes Mass an Bewegung und Stille können die Arbeit erleichtern und einem Burnout vorbeugen, sagte der katholische Paartherapeut Norbert Engeler an einer Tagung für die Studierenden des Bistums Basel in Delsberg. Er sprach sich zudem für eine «kirchliche Wiederverheiratung» Geschiedener aus. Bischof Felix Gmür zeigte den Weg zur »Lebensform Jesu» auf.

Georges Scherrer

Das Bistum Basel setzte seine diesjährige Studierendentagung vom 8./9. Januar unter das Thema «Lebensformen und Kirche. Mein Leben zwischen Ideal und Wirklichkeit». Rund fünfzig Theologie-Studierende des Bistums begaben sich für den Anlass nach Delsberg. Sie wurden von der Bistumsleitung begleitet. Norbert Engeler, Leiter der Ehe- und Partnerschaftberatung der katholischen Kirche Basel-Landschaft in Muttenz, öffnete in seinem Einstiegsreferat den Blick auf zwei Ebenen im Bereich «Lebensformen», die in der Seelsorge von Bedeutung sind: Beziehungsfähigkeit im persönlichen Bereich und Patchworkfamilie.

Seelsorgende sind immer im Konflikt von Nähe und Distanz

Im persönlichen Bereich, also in Zweierbeziehungen, gelte es das richtige Verhältnis zum Anderen zu finden und auch Grenzen zu setzen, etwa den Zugang zum eigenen Körper zu definieren und Gefühle und Sexualität zu hinterfragen. Der Seelsorgende sei immer dem Konflikt von Nähe und Distanz ausgesetzt, wenn er einen anderen Menschen begleite. Wie in der Paarbeziehung gehe es darum, konstruktiv zu handeln und Kompromisse zu schliessen.

Immer wieder «auftanken»

In der eigentlichen kirchlichen Arbeit sei eine geerdete Spiritualität von Vorteil. Der Seelsorgende müsse sich auch klar darüber sein, dass es keinen Stillstand gebe, sondern dass er immer auf dem Weg sei. In seiner Arbeit begegne der Seelssorgende ganz unterschiedlichen Lebensrealitäten. Stille und Reflexion können bei der Bewältigung der Aufgaben helfen und davor bewahren, «ausgebrannt zu sein».

Sowohl Klöster wie Wellness können als Oasen zum Auftanken dienen, so Engeler. Persönliche Beziehungsnetze sollten auch bei hohem kirchlichen Engagement gepflegt werden. Das Gleichgewicht zwischen den emotionalen, menschlichen Grundbedürfnissen «Liebe, Selbstwert, Zugehörigkeit und Autonomie» sei zu wahren. Der Therapeut riet, regelmässig in die «Supervision» gehen, zum Beispiel in eine Fortbildung. Auch zölibatär lebenden Menschen legte der Referent ans Herz, sich an diesen Ratschlägen zu orientieren.

Patchworkfamilie und Alleinerziehende

Die Hälfte der Paare, die seine Stelle aufsuchen, leben in einer Patchworkfamilie. Diese seien heute ein wichtiger Teil der Seelsorgearbeit. Dabei sei zu beachten, dass solche Familien nicht nur aus den beiden Elternteilen und den in die neue Beziehung eingebrachten Kindern bestehen. Hinzu kommen die früheren Partner, die leiblichen Väter oder Mütter und auch Grosseltern der Kinder, die ihre Rechte und Wünsche anmelden. Für ein Gelingen der neuen Familie müsse mit all diesen Teilen ein Einklang hergestellt werden, sagte Engeler den künftigen kirchlichen Mitarbeiten. – Eine «kirchliche Wiederverheiratung» wäre eine enorme Hilfe für die «Versöhnung», meinte der Therapeut

Engeler machte die Studierenden auf die grosse Belastung von Alleinerziehenden aufmerksam. Dazu gehören Zeiteinteilung bei Arbeit und Erziehung und auch die Einsamkeit. Um Entscheide zu treffen, seien sie auf sich selber gestellt. Soziale Netze über Tagesstätten oder Bezugspersonen bildeten eine wertvolle Unterstützung. Die Arbeit, welche Alleinerziehende leisten, müsse immer wieder anerkannt werden.

Partnerschaft als nicht öffentliches Geheimnis

Auf den geheimnisvollen Teil einer Partnerschaft ging der Bischof von Basel, Felix Gmür, in seinen Ausführungen vor den versammelten Studierenden ein. Lebensformen basierten nicht nur auf logischen Entscheiden und liessen sich nicht «befehlen». Ihnen liege vielmehr etwas Geheimnisvolles, Mystisches zu Grunde. Partnerschaften seien auch heute in der Epoche von Smartphone und Social Media eine «Privatheit», die nicht öffentlich ist.

Wer in der Kirche ist, geht eine Partnerschaft mit Jesus ein

Kirche hingegen sei öffentlich. Wer in der Kirche sei, gehe eine Partnerschaft mit Jesus ein. Es gebe also eine spezifische Lebensform einer Seelsorgerin oder eines Seelsorgers. Gmür benützte für diese Lebensweise den Ausdruck «Lebensform Jesu» und mahnte, dieser Weg könne andere Menschen «in ihren Vorurteilen bestätigen oder aber auch zur Nachahmung anregen».

Weiterbilden und durchhalten

Den Seelsorgenden nannte Gmür «einen Menschen, der betet, auch für sich allein mit Gott, weil ich dann auf eine andere Weise zu mir selber finde». Ebenso gehöre das Streiten-Können zur «Lebensform Jesu». Der Seelsorgende habe jedoch die Wahrheit nicht gepachtet, sondern müsse sich ständig weiter formen, «auf der Höhe der Zeit sein, damit er mitstreiten kann.»

Ein Mensch, welcher der «Lebensform Jeus» folge, müsse konsequent handeln: «Er hält durch. Das ist eine Eigenschaft, die wir durchhalten müssen, weil wir mit Situationen konfrontiert werden, die schwierig sind.» Der Seelsorgende dürfe Menschen in Not nicht aus den Augen verlieren, sondern müsse sie im Blick behalten. (gs)

kath.ch wird in loser Folge Kurzporträts von Studierenden publizieren, die an der Tagung teilgenommen haben.

Paar- und Ehetherapeut Norbert Engeler | © 2016 Georges Scherrer
13. Januar 2016 | 09:48
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Bischöfliche Tipps auf den Weg

Fünf Gedanken gab Bischof Felix Gmür den Theologie-Studierenden an der Tagung mit auf den Weg: Seelsorgende seien zu allererst einmal Menschen und müssten sich den Herausforderungen stellen, die alle Menschen meistern müssen. Der Seelsorgende müsse zudem sein Leben «jesuanisch» ausrichten und sich somit «barmherzig» zeigen. Er müsse erkennen, was der Andere brauche, ihn sowohl in seiner Trauer wie in seiner Freude begleiten.

Auf drei Worte brachte der Bischof die Herausforderung für diese Aufgabe: «Sehen, fühlen wahrnehmen.» Der Arbeitstag des Seelsorgenden ende nicht nach Büroschluss. Die Lebensform der Christin und des Christen gehe auch nach Feierabend weiter. (gs)