Barbara Dietz-Stilli: «Schreiben ist für mich eine Art Hören – wie im Gebet»
«Nicht wenige meiner Gedichte entstehen aus dem Gebet», sagt die Autorin Barbara Dietz-Stilli. Sie will mit ihren Gedichten aber auch Gesellschaftskritik üben und zur kirchlichen Spracherneuerung beitragen. Und: Mit ihren Gedichten möchte sie konfessionelle Grenzen überwinden.
Jacqueline Straub
Was wollen Sie den Lesenden mit ihrem neuen Gedichtband «Mit dem, was wir haben» auf den Weg geben?
Barbara Dietz-Stilli*: Der Titel umreisst mein Anliegen. Wir sollen mit dem, was wir haben, unterwegs sein. Wir dürfen uns unseren Ressourcen und Talenten bewusst werden. Aber auch der Sprache. Es geht um eine Miteinander im Unterwegssein – auch in der eigenen Geschichte. Mein Buch will auch einen Gegenpol setzen zur Negativpresse und mitten im Leid in der Welt kleine Ankermomente suchen.
pfingsten in der verlängerung
wenn
die gebete immer schwächer werden
nicht aus laschheit oder langeweile
wenn die worte immer zerbrechlicher
schwacher werden unter der liebe
dann habe keine angst
die nadel schlägt aus
mittig gezogen
nur noch ihn lieben wollen
und wünschen
dass wir alle zum schluss
im kraftfeld der gnade
selbst zum gebet werden
dann
habe keine angst
die liebe hat
ihre eigene sprache
Zuvor haben Sie schon ein anderes Buch mit Gedichten veröffentlicht. Was war dort der Fokus?
Dietz-Stilli: Beim Buch «Kontakt. Gedichte und Kladden» ging es mir um Kontaktstellen zwischen Mensch und Gott und wie man im eigenen Unterwegssein mit dem Wundersamen in Berührung kommt.
blick auf die welt
ein fenster ist ein
loch in der wand
um natur stadt und
sterne als nachbarn
zu rahmen
ein fenster ist ein
ausschnitt im
hauskleid nach innen
ein fenster ist auch
der glaube
Wie hat Ihr Glaube Sie zum Schreiben der Gedichte inspiriert?
Dietz-Stilli: Ich habe schon immer gerne geschrieben. Und schon als Kind hatte ich einen Zugang zu Gott und Glaube. Es hat sich über die Jahre hinweg immer mehr verbunden. Im besten Fall ist Schreiben für mich eine Art Hören – wie im Gebet. Während ich weiterhin auch ehrenamtlich Texte schreibe oder redigiere, nehme ich mir nun auch Zeit fürs Schreiben eigener Texte. Ich erlebe dabei viel Freude und Segen.
Wie entstehen Ihre Texte?
Dietz-Stilli: Manche entstehen aus dem Gebet, andere aus Gedanken, die ich mir zu etwas mache oder auch durch Begegnungen mit Mitmenschen. Schreiben hilft mir aber auch, Dinge zu ordnen und besser zu verstehen. Ich hoffe, dass wir als Christinnen und Christen noch sprachfähiger werden.
liturgische zeichen
das brot, der wein,
die goldene schale,
der ring, der klang,
das gebrochene wort,
kraftfeld der wahrheit,
in liebe gebettet,
im teilen gemeinschaft,
fragmenthaft ewig,
menschliche liebe
scheitert, ja, ständig,
schöpft an der quelle
schönheit der freundschaft,
die den atem raubt,
schmeckt im glauben
die lebensfeier
genug ist da
der gefeierte
genügt
Ein Gedicht heisst «liturgische zeichen». Was steckt da dahinter?
Dietz-Stilli: Ich bin unter anderem mit Katholikinnen und Katholiken unterwegs, ich selbst bin aber reformiert und freikirchlich geprägt. Dieses Gedicht soll über die konfessionellen Grenzen hinweg Christinnen und Christen verbinden. Ich möchte mit meinen Texten Brücken bauen. Auch suche ich neue Begriffe für Worte, die nicht mehr in unsere heutige Sprache passen – oder nur noch wenig verstanden werden.
Einige Gedichte könnten auch Gebete sein. Ist das Absicht?
Dietz-Stilli: Ja, auf jeden Fall. Die Gedichte werden auch immer «christlicher» gegen Ende des Buches. Das Gedicht «Kniefall, beleuchtet» ist zum Beispiel eine Wiedergabe eines Gebetserlebnis.
moderner aber-glaube
der bauer weiss mehr
wenn er nicht mit
giesskannen seine felder
zu tränken versucht
warum beackern wir innere dürre
durch mehr kontakte, mehr haben
und eifern? was braucht es,
um uns einzugestehen, dass nur
wasser vom himmel taugt?
Wollen Sie mit Ihren Gedichten auch Gesellschaftskritik üben?
Dietz-Stilli: Definitiv. Ich möchte auch die derzeitige Situation in der Welt, etwa die krisenbedingten modernen Völkerwanderungen beleuchten und aufzeigen, dass es alle betrifft, und dass der Weg mit Christus etwas dazu zu sagen hat.
*Barbara Dietz-Stilli (55) hat Anglistik, Pädagogik und Theologie studiert. Ihr neuster Gedichtband heisst «Mit dem, was wir haben», erschienen beim Echter Verlag.
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