Der Kolumbanschor bringt Stimmung im Badhütte-Gottesdienst Rorschach.
Schweiz

Badi-Gottesdienst schaukelt zu guter Stimmung auf

Der Pfarreibeauftragte Michael Hermann hat am Sonntag einen ökumenischen Gottesdienst in der alten Badhütte von Rorschach gefeiert. «Wir kommen jedes Jahr zum Badi-Gottesdienst», sagt Erika Schmid aus St. Gallen. Badegäste nebenan schauen gespannt zu.

Regula Pfeifer

Wie ein imposantes Pfahlbauer-Haus steht sie da im Bodensee: die hölzerne Badhütte von Rorschach. Kurz vor halb zehn steuern einige Menschen auf den Holzsteg, der vom Ufer dahinführt.

Gottesdienst-Besuchende kommen zur Badhütte Rorschach, Juli 2023.
Gottesdienst-Besuchende kommen zur Badhütte Rorschach, Juli 2023.

Über den Steg gelangt, geht’s vorbei an ein paar Restaurant-Tischen hin zur Kasse. Doch Fehlanzeige: Der Eintritt für den Gottesdienst ist kostenlos. Nur Badende müssten Eintritt bezahlen, heisst es. Chorgesang ist zu hören. Der örtliche Kolumbanschor probt bereits.

Angeregtes Reden

Auf dem Holzdeck stehen rund 60 Stühle und einige Sonnenschirme. Vorne steht ein Tisch mit Kerzen – und daneben die Osterkerze. Auch ein Pult ist da. Die Sonne brennt heiss.

Der Ort füllt sich, bald sind alle Stühle besetzt und etwa zwanzig Personen müssen stehend teilnehmen. Die Leute reden angeregt miteinander. «Ich gehe regelmässig in den Gottesdienst, egal ob hier oder in der Kirche», sagt eine Seniorin, die einen Stuhl ergattert hat. «Die Natur hier ist schön.»

Freundinnen aus der Pflegefach-Arbeit: Erzsebet Porzo und Erika Schmid
Freundinnen aus der Pflegefach-Arbeit: Erzsebet Porzo und Erika Schmid

«Ich finde, wir Christen sollten uns zusammentun, das wäre christlich.»

Erika Schmid, Gottesdienstbesucherin

«Wir kommen jedes Jahr zum Badi-Gottesdienst, seit längerem», sagt Erika Schmid aus St. Gallen. Die Katholikin ist mit Freundin Erzsebet Porzo da, die in Rorschach wohnt. Die beiden Pensionierten haben als Pflegefachfrauen im Kantonsspital St. Gallen zusammengearbeitet. «Ich finde, wir Christen sollten uns zusammentun, das wäre christlich», sagt Schmid und spielt damit auf den ökumenischen Badhütten-Gottesdienst an. Sie kritisiert ungefragt auch, dass die Frauen in der katholischen Kirche noch «zu wenig Rechte» haben.

Lavendel-Staude vor Augen - während dem Gottesdienst
Lavendel-Staude vor Augen - während dem Gottesdienst

«Die Atmosphäre hier ist offen, die besprochenen Themen sind interessant», sagt Porzo und zeigt auf einen der vielen Pflanzentöpfe. «Und sehen Sie diesen Lavendel, der ist wunderschön.»

Ein Gong ertönt. «Herzlich willkommen zum Gottesdienst in der Badhütte», sagt Michael Hermann mit freundlicher Stimme. Der katholische Pfarreibeauftragte von St. Kolumban in Rorschach und Rorschacherberg leitet den Badi-Gottesdienst zum ersten Mal, wie er später sagt.

Alle in Sommerkleidern

Der Religionspädagoge trägt sommerliche Kleidung: ein weisses Hemd ohne Krawatte und schwarze Hosen. Ähnlich sommerlich die Besuchenden, mehrheitlich Frauen über 60. Niemand ist in Badekleidern da. Neugierde Badegäste schauen, was die rund 80 Gottesdienstbesuchende machen.

Michael Hermann leitet den Badi-Gottesdienst in Rorschach.
Michael Hermann leitet den Badi-Gottesdienst in Rorschach.

«Lauter», ertönen Stimmen von hinten. Michael Hermann nimmt ein neues Mikrofon zur Hand. Nun ist seine Stimme klar zu hören. «Im Namen Gottes, Vater und Mutter für uns – im Namen von Jesus Christus, genannt Sohn von Gott – im Namen der Geistkraft, Hüterin des Lebens», beginnt Hermann die Liturgie.

«Das Wasser lässt mich die Verbundenheit mit der Natur und der Schöpfung Gottes spüren.»

Michael Hermann, Pfarreibeauftragter

Kurz darauf folgt das erste Lied des musikalischen Gottesdienstes. «Weit wie das Meer ist Gottes grosse Liebe», singen der Chor und die Besuchenden. Hermann erzählt, er sei im Toggenburg aufgewachsen, inmitten von Bergen. In den Ferien habe er die Weite des Meeres kennengelernt. Und nun, da er am Bodensee wohne, erlebe er auch hier eine Weite. «Das Wasser lässt mich die Verbundenheit mit der Natur und der Schöpfung Gottes spüren.»

Bald fängt der Badhütte-Gottesdienst an.
Bald fängt der Badhütte-Gottesdienst an.

Darauf liest Hermann einen Psalm, in dem «der Herr aller Völker» und das Werk seiner Schöpfung gelobt werden, das bis ins All hinein reiche. Nach dem nächsten Lied folgt eine Lesung aus der Bibel – über die Rettung der Ägypter vor den Truppen des Pharao – dank einer göttlichen Zweiteilung des Meeres.

Biblische Grenzerfahrungen auf dem Wasser

Weitere biblische Texte lässt Hermann anklingen, die mit Ereignissen auf Seen oder Meeren zu tun haben. Jesus, der mit seinen Jüngerinnen und Jüngern in einen Sturm gerät. Paulus, der auf seiner Mission übers Mittelmeer Schiffbruch erleidet. «Oft geht es dabei um Leben und Tod», so Hermann. Aber schlussendlich gebe es meist ein Happy End.

«Auch wir gehören zum Volk Gottes. Auch für uns will Gott Rettung und Befreiung. Auch wir sind Teil dieser wunderbaren Schöpfung», bezieht sich Hermann auf den aktuellen Moment – und knüpft dabei an die Rettung der Israeliten an.

Gebet in der Badhütte Rorschach
Gebet in der Badhütte Rorschach

Summen als Klangteppich

Im Gedenken an den Ukrainekrieg singt darauf die Gemeinschaft «Let There Be Peace On Earth», ein US-Lied von Jill Jackson Miller. Und danach «Meine Hoffnung, meine Freude». Jede zweite Strophe wird gesummt, worüber eine Fürbitte gesprochen wird – von Frauen und Männern, die Michael Hermann vor Ort spontan angefragt hat.

Fast alle sprechen zum Thema Wasser. «Für die Migrantinnen und Migranten, die den gefährlichen weiten Weg über das Meer nehmen», «für den Zugang aller Menschen zu sauberem Wasser», «für genügend Wasser auf den Feldern». Unterdessen werden die sieben Kerzen auf dem Tisch vorne angezündet.

Fürs «Vater Unser» stehen alle auf. Wenig später findet Michael Hermann: «Wir bitten Gott um unseren Segen und machen das mit dem Lied ‘Bewahre uns Gott, behüte uns Gott’.» Es ist ein reformiertes Kirchenlied aus dem 20. Jahrhundert, komponiert von Eugen Eckert. Gleich darauf setzt der Chor zu einem schmissigen spanischen Lied an, das Singende wie Zuhörende zum Strahlen bringt. Und alle Badegäste nebenan zum Hinschauen bewegt.

Badegäste auf dem nachbarlichen Holzdeck der Badhütte
Badegäste auf dem nachbarlichen Holzdeck der Badhütte

«Sensationell, superschön.»

Verena Tobler, Gottesdienstbesucherin

«Sensationell, superschön» sei der Gottesdienst gewesen, sagt Verena Tobler begeistert. «Der Pfarrer hat das gut gemacht», sagt sie über den katholischen Gottesdienstleiter. Die reformierte Besucherin hat einen katholischen Ehemann, hat ökumenisch geheiratet und ist allgemein ökumenisch unterwegs. «Ich besuche beide Kirchen», sagt sie. In der Badhütte ist sie das vierte Mal dabei.

Die Nachbarinnen Verena Tobler (l.) und Caché Bischofsberger
Die Nachbarinnen Verena Tobler (l.) und Caché Bischofsberger

Tobler ist mir ihrer Nachbarin da, der sie vom Gottesdienst erzählt hat. «Ich gehe gern zur Kirche», sagt die Katholikin Caché Bischofberger. Sie ist zum ersten Mal dabei und findet: Sie werde wiederkommen, es habe ihr gefallen.

Gretchenfrage: Jüngerinnen?

Dann geht Tobler auf Michael Hermann zu, um mehr über den Gottesdienstleitenden zu erfahren. Eine andere Frau will von Hermann wissen, weshalb er von Jüngerinnen und Jüngern gesprochen habe. Die Jünger seien doch alle Männer gewesen. Das stimme nicht ganz, sagt Michael Hermann. Es habe im Umfeld von Jesus auch Frauen gehabt, etwa Maria Magdalena. «Das ist kein politisches Statement», fügt er lächelnd an, um die Skeptikerin zu beruhigen.

Gottesdienst-Tradition in der Badhütte Rorschach

Den ökumenischen Gottesdienst gibt es seit rund 20 Jahren. Das sagt die seit kurzem pensionierte römisch-katholische Pfarreileiterin von Rorschach/Rorschacherberg, Anna Maria Frei-Braun. Die Gottesdienste werden jedes Jahr einmal durchgeführt. Ein Jahr unter der Leitung des örtlichen reformierten Pfarrers, einmal unter der Leitung der oder des katholischen örtlichen Pfarreibeauftragten.

Katholische Badhütte-Gottesdienst-Verantwortliche: Ann Maria Frei-Braun (bisher), Michael Hermann (aktuell)
Katholische Badhütte-Gottesdienst-Verantwortliche: Ann Maria Frei-Braun (bisher), Michael Hermann (aktuell)

Der reformierte Pfarrer Pius Helfenstein erzählt: «Der Gottesdienst ist aus der Not entstanden. Wir hatten im Sommer damals nur sehr wenig Leute in der Kirche. So beschlossen wir, es in der Badhütte zu versuchen.» Offenbar mit Erfolg. «Diese Gottesdienste waren bisher immer sehr gut besucht», sagt Frei-Braun. (rp)


Der Kolumbanschor bringt Stimmung im Badhütte-Gottesdienst Rorschach. | © Regula Pfeifer
10. Juli 2023 | 15:58
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