Glasfenster von Hans Erni in der Sihlcity Kirche, Zürich
Schweiz

Arbeitnehmer und Einkaufskunden zeigten Sihlcity-Kirche die kalte Schulter

Zürich, 5.7.17 (kath.ch) Seit 2007 existiert im Zürcher Einkaufszentrum Sihlcity eine ökumenische Kirche. Am Freitag wurde bekannt, dass sie wegen «zu geringer Besucherzahlen» schliesst. Die Kunden des Einkaufszentrums und die Angestellten der umliegenden Arbeitgeber hätten zu wenig Interesse an dem Angebot gezeigt, erklärte Andreas Meile, Geschäftsführer des Verbands der römisch-katholischen Kirchgemeinden der Stadt Zürich, am Dienstag auf Anfrage.

Barbara Ludwig

Die Seelsorgenden der Sihlcity-Kirche haben laut Meile primär den Auftrag, sowohl Kunden des Einkaufszentrums als auch die Angestellten der umliegenden Arbeitgeber seelsorglich zu betreuen. Diesen Auftrag hätten sie jedoch viel zu wenig wahrnehmen können, weil die anvisierte Gruppe das Angebot von Seelsorgegesprächen zu wenig in Anspruch genommen habe. «Die Leute, die das Gespräch mit den Seelsorgenden suchten, waren nicht mehrheitlich Kunden und Arbeitnehmer», so der Geschäftsführer gegenüber kath.ch. Und dies obschon alleine das Finanzinstitut Crédit Suisse über 1000 Angestellte habe.

Menschen aus der Region wollten Gespräche mit Seelsorger

Vielmehr hätten vor allem Menschen aus der Region das Angebot genutzt. «Es waren immer die gleichen Leute, die mit der Zeit eine Beziehung zu dem betreffenden Seelsorger aufbauten.» Man habe sich deshalb die Frage stellen müssen, ob man damit nicht eine Aufgabe der Kirchgemeinden an deren Stelle erfülle. «Von Anfang an war es klar, dass die Sihlcity-Kirche den Kirchgemeinden nicht die Leute wegnehmen will», sagte Meile. Zudem hat sich laut dem Geschäftsführer des Stadtverbandes die Zahl der Seelsorgegespräche seit der Eröffnung immer auf niedrigem Niveau bewegt.

Die Sihlcity-Kirche werde anders genutzt als etwa die Bahnhofskirche am Zürcher Hauptbahnhof, sagte Meile weiter. Dort nutzten Passagiere die Zeit, bis ihr nächster Zug fahre, für einen Besuch in der Bahnhofskirche. Oder es könne vorkommen, dass sie Unterstützung brauchen, weil sie dort gestrandet sind. «Das sind Dinge, die in einem Einkaufszentrum nicht passieren.»

Der Jahresbericht 2016 enthält eine Statistik für die Jahre 2014 bis 2016. Demnach suchten 2014 3300 Personen den Raum der Stille auf, ein Jahr später waren es 3900 und 2016 noch 3000 Personen. Deutlich gestiegen sind in den letzten drei Jahren die Anzahl Seelsorgegespräche: Fanden 2014 noch 550 statt, so waren es in den Folgejahren 610 beziehungsweise 940. Zahlen aus den Vorjahren waren bis Redaktionsschluss nicht erhältlich.

Enttäuschte Hoffnung

Meile äusserte sein Bedauern über das Ende des Projekts. Es sei viel in die Sihlcity-Kirche investiert worden. «Nicht unbedingt in finanzieller Hinsicht. Aber wir hatten doch die Hoffnung, mit einer Geh-hin-Kirche etwas zu erreichen. Als Kirchen wollten wir vor Ort präsent sein.» Der Geschäftsführer versichert, das Geld habe keine Rolle gespielt beim Entscheid, die Kirche zu schliessen. Die Sihlcity-Kirche ist seit der Eröffnung des Einkaufszentrums an der Sihl im Jahre 2007 in Betrieb.

Am Freitag gab der Reformierte Stadtverband bekannt, dass die Kirche «wegen zu geringer Besucherzahlen» geschlossen wird. Dies habe die ökumenische Trägerschaft entschieden. Dazu gehören der evangelisch-reformierte und der römisch-katholische Stadtverband sowie die christkatholische Kirchgemeinde Zürich.

Der Mietvertrag wird demnach auf Ende März 2020 gekündigt. Der interreligiöse «Raum der Stille» mit Glasfenstern des Künstlers Hans Erni und das Seelsorgeangebot bleiben laut der Mitteilung des reformierten Stadtverbandes noch bis Ende April 2019 bestehen.

Zukunft des Raumes und der Glocke noch offen

Was nach der Schliessung der Kirche mit dem «Raum der Stille» künftig geschieht, sei noch offen, sagte Meile. «In irgendeiner Form muss es aber weitergehen.» Auch wegen der Glasfenster von Erni. Es sei möglich, dass der Raum auch später als Ort des Gebets genutzt werden könne. Auch die Zukunft der Glocke sei offen. Bei dieser handelt es sich um die Fabrik-Glocke der ehemaligen Papierfabrik an der Sihl, die von der christkatholischen Kirchgemeinde gespendet wurde. 2010 wurde die Glocke zur Sihlcity-Kirche gebracht und eingeweiht. Die Glocke steht derzeit direkt bei Eingang.

Zurzeit wirken drei Seelsorgende in der Sihlcity-Kirche, die nebst dem «Raum der Stille» auch über einen Begegnungsraum verfügt. Der katholische Seelsorger Thomas Münch wollte sich zum Thema nicht äussern.

 

 

 

Glasfenster von Hans Erni in der Sihlcity Kirche, Zürich | © Georges Scherrer
5. Juli 2017 | 15:06
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