Antonia Fässler: «Die Frauenfrage ist kein Luxusproblem der Schweiz»
Seit wenigen Monaten wirkt Antonia Fässler im Frauenrat der Schweizer Bischofkonferenz mit – und hat gleich ein Anliegen deponiert. Die Innerschweizer Katholikin kennt die Kirche von verschiedenen Seiten: etwa als Pfarreisekretärin, Frauenvereinspräsidentin, Katechetin und Seelsorgerat-Co-Präsidentin sowie als Mutter und Grossmutter. «Die Kirche muss eine Tankstelle im Alltag sein», findet sie.
Regula Pfeifer
Antonia Fässler (58) wartet in blauen Jeans und hellblauer ärmelloser Bluse vor der römisch-katholischen Kirche Ibach. Hier hat sie den Weg ins kirchliche Engagement gefunden. Als Ort fürs Gespräch schlägt sie die Mini-Arena vor der Kirche vor.
«In deren Mitte stand früher eine Tanne», erzählt Antonia Fässler. Viele Leute hätten sich davor ablichten lassen früher, bei ihrer Erstkommunion oder Hochzeit. Doch als der Kirchenvorplatz neu gestaltet wurde, musste die Tanne weg.
Mini-Arena für Kinder- und Frauenfeiern
An ihrer Stelle wurde eine Mini-Arena aus Steinblöcken gebaut, die inzwischen für Kinderfeiern, Religionsunterricht, Frauenfeiern und Blauring/Jungwacht-Abende benutzt wird. «Auch das Pfingstfeuer wird im Arena-Zentrum entfacht», so Fässler.
«Ibach ist meine Heimat geworden», sagt die Katholikin, die seit wenigen Monaten im Frauenrat der Bischofskonferenz mitwirkt – gemeinsam mit neun weiteren Frauen von überall aus der Schweiz.
Anfrage fürs Frauenratsmandat
Angefragt für das Ehrenamt wurde sie von Brigitte Fischer Züger, die unter anderem für das kirchliche Personal in der Bistumsregion Urschweiz zuständig ist. «Wir kennen uns von der Katechese-Ausbildung her und hatten auch später immer wieder Kontakt», sagt Antonia Fässler. Für die Aufnahme ins Ehrenamt musste sie sich offiziell vorstellen – mit Lebenslauf zuhanden der Bischöfe. Ende November 2022 wählten die Bischöfe sie in den Frauenrat.
Zweimal war Antonia Fässler nun bereits an den Sitzungen dabei. Und brachte gleich ein Anliegen ein: Sie möchte wissen, wie Bischof Markus Büchel die Frauenratsanliegen in die Schweizer Bischofskonferenz einbringe. Und wie die Reaktion der anderen Bischöfe ausfalle.
«Es ist uns wichtig zu erfahren, wie unsere Ratschläge aufgenommen werden.»
«Der Frauenrat ist ein Beratungsorgan der Bischofskonferenz. Da ist es für uns wichtig zu erfahren, wie unsere Ratschläge aufgenommen werden», sagt Antonia Fässler. Sie erwähnt auch den bereits älteren Frauenratswunsch, eine weibliche Vertreterin in die Bischofskonferenz entsenden zu dürfen. «Steter Tropfen höhlt den Stein», meint Fässler mit leichtem Lächeln.
Mit der Frauenfrage in der Kirche beschäftigt sich Antonia Fässler schon eine Weile. Im Frauenrat hat sie nun Neues darüber erfahren. Etwa, dass die Frauenthematik keineswegs ein «Luxusproblem» der Schweizer Kirche ist.
Frauenfrage beschäftigt auch den globalen Süden
Auch Katholikinnen aus dem weltweiten Süden bestätigten deren Bedeutung. Sie sagten: Wenn die Kirche nicht die Würde und Gleichberechtigung aller vorlebe, sehe sich die Politik in ihren Ländern berechtigt, Frauen und queere Menschen zu unterdrücken.
«Der Mensch in seiner Vielfalt muss in der Kirche Platz haben», ist Antonia Fässler überzeugt. «Frauen, Männer, queere Menschen – diese Vielfalt ist ein Schatz in der Einheit der Kirche.» Dieses Anliegen hat sie in den synodalen Prozess eingebracht – als Co-Präsidentin des Schwyzer Seelsorgerats.
Vision: Kirche als Tankstelle im Alltag
Die Kirche muss sich erneuern, ist Fässler überzeugt. So kann sie für die Menschen zu einer Tankstelle im stressigen und herausfordernden Alltag werden – wie auch Yoga oder ähnliche Angebote Kraftquellen sein können. Zum Thema Tankstelle-Dankstelle plant der Schwyzer Seelsorgerat ein Forum im Kloster Einsiedeln, am 18. November.
Antonia Fässler würde gerne einen Beitrag für eine glaubwürdige Kirche leisten. Dabei sieht sie sich in der Rolle der Wasserträgerinnen in der Bibelgeschichte «Hochzeit zu Kanaan», welche die Amphoren füllten. Das Wasser zu Wein veredelt habe dann Jesus. «Mach in deinem Leben, was du kannst, das ist genug», sagt sich Antonia Fässler. «Den Rest übergibst du an eine höhere Macht.»
Nach Ibach gekommen ist die Katholikin als junge Mutter. Ihr Mann hatte eine Stelle im Verkehrsamt des Kantons Schwyz angetreten. Da suchte die Familie eine Bleibe in der Nähe – und fand ein Haus neben der Kirche von Ibach.
Anfrage vom Pfarrer
Ausschliesslich Hausfrau und Mutter blieb Antonia Fässler nicht lange. Eines Tages fragte sie der örtliche Pfarrer, ob sie an der Erstellung eines Organigramms für die Pfarrei mitwirken würde. Der Primarlehrerin traute er das zu.
Wenig später wurde Fässler auch für das Pfarreisekretariat angefragt, wofür sie zehn Jahre lang arbeitete. Später wurde in Ibach eine Katechetin gesucht – und Antonia Fässler übernahm die Aufgabe.
Kirche ist veränderbar – Lehre aus der Katechese-Ausbildung
Für den Religionsunterricht wollte sie sich auch ausbilden. Sie machte die dreijährige Ausbildung zur Katechetin – und arbeitete, während ihre beiden Söhne und die Tochter die Schule besuchten. «Die Ausbildung hat mir viel gebracht, insbesondere in der Frage, wie ich zur Kirche stehe», sagt Antonia Fässler. Sie erfuhr, dass die Kirche nicht von Anfang an von zölibatären Männern geleitet wurde. Das hätten die Menschen später so organisiert. «Also kann die Kirche heute erneut von Menschen verändert werden», so ihr Fazit.
«Ich bin ein neugieriger Mensch.»
«Ich bin ein neugieriger Mensch», erklärt Antonia ihre Bereitschaft, unterschiedlichste Aufgaben zu übernehmen. Bereits früher engagierte sie sich auch ehrenamtlich – etwa im Vorstand des örtlichen Frauenvereins. Dadurch lernte sie viele Menschen kennen. «Es ist schön, wenn die Leute einen grüssen», sagt Antonia Fässler.
Vertrauen in eigene Kinder
Ihre Kinder nahm sie früher mit an Kirchenanlässe. Und diese stiegen später in den Ministrantendienst ein. Doch ab dem Jugendalter wurde deren Kirchenbesuch spärlicher. «Die Jungen dürfen mal eine Pause machen und das Leben geniessen», sagt Antonia Fässler. «Ich dränge nicht, sondern habe volles Vertrauern in sie.» Vielleicht ändere sich etwas, wenn die Kinder ihrer Kinder kirchliche Feiern besuchen würden. Antonia Fässler hat bereits zwei Enkelkinder, die ihr grosse Freude bereiten.
Dass sie überhaupt anbiss, als der Ibächler Pfarrer sie um Mitarbeit anfragte, erklärt Antonia Fässler mit ihren positiven Kirchenerfahrungen in jungen Jahren. «Ich hatte in Hünenberg eine tolle Religionslehrerin und Kontakt zu einer engagierten Frau, die eine Jugendgruppe aufgezogen hatte. Und den Pfarrer erlebte ich als offen.» Zudem war der Kirchgang damals in der Bauernfamilie eine unhinterfragte Selbstverständlichkeit.
«Ich fühle mich nicht ausschliesslich als Kirchenfrau.»
«Ich fühle mich nicht ausschliesslich als Kirchenfrau. Sondern als Familienmensch und als Frau, die sich in der Gemeinschaft vielfältig engagiert», sagt Antonia Fässler abschliessend. Dann fährt sie in die Kirche, wo sie mit ihrer Enkelin ab und zu eine Kerze anzündet. Und wo sie an Frauenfeiern mitwirkt.
Kurzbiografie
Antonia Fässler (58), geborene Suter, wuchs in Hünenberg ZG auf einem Bauernhof auf. 1980 bis 1985 besuchte sie das Lehrerseminar Heiligkreuz in Cham ZG und arbeitete danach acht Jahre als Primarlehrerin. Nach der Heirat (1990) kümmerte sie sich um ihre beiden Söhne und die Tochter. Ab 2001 arbeitete sie 10 Jahre als Pfarreisekretärin von Ibach, erteilte Religionsunterricht und beteiligte sich an der Organisation von Pfarreiprojekten. 2006 bis 2009 machte sie die Katechetinnen-Ausbildung an der Katechetischen Arbeitsstelle des Kantons Schwyz (KAS) in Einsiedeln. 2013 bis 2016 bildete sie sich zur Erwachsenenbildnerin aus. Seit Frühjahr 2022 arbeitet sie als Freelancerin. (rp)
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