Jean-Marie Lovey, Bischof von Sitten
Schweiz

Bischof Lovey zu Amoris laetitia: Unterscheiden statt doktrinär handeln

Sitten, 8.4.16 (kath.ch) Menschen nicht ausschliessen, sondern einbeziehen: Dazu ruft Papst Franziskus in seinem apostolischen Schreiben Amoris laetitia auf, schreibt der Bischof von Sitten und Delegierte der Schweizer Bischofskonferenz an der Bischofssynode 2015, Jean-Marie Lovey, zum neuen Papstdokument. Das «Unterscheiden» müsse über einer katalogisierten Wahrheit stehen.

Das Dokument könne besser aufgenommen und fruchtbar werden, wenn «der darin vorgezeichnete Weg durch die Türe des Unterscheidens eingeschlagen wird». Das «Unterscheiden» lade die Seelsorgenden dazu ein, «ohne Verallgemeinerung die unterschiedlichen Situationen zu berücksichtigen, in denen die Menschen, die Familien, die Paare leben». Die Situationen und ebenso die Weise, ihnen eine Antwort zu unterbreiten, seien oft komplex.

Für eine «Unterscheidung» dürfe man keine bestimmte Formulierung einer Wahrheit für die zu treffende Wahl voraussetzen. Es gehe nicht darum, die sehr unterschiedlichen Situationen zu «katalogisieren oder in allzu starre Aussagen einzuschliessen, ohne einer angemessenen persönlichen und pastoralen Unterscheidung Raum zu geben», wie es im Papstdokument heisse.

Wort Gottes als Unterscheidungsinstanz

Vielmehr gehe es darum, eine Begleitung in allen Situationen anzubieten. Das Wort Gottes müsse als Unterscheidungsinstanz mit dem Ziel dienen, die Wirklichkeit «jedes Lebens zu beleuchten».

Die «pastorale Unterscheidung» bestimme die Haltung der Kirche näher. Sie rufe dazu auf, alle Situationen zu begleiten und an das Gewissen der Menschen zu appellieren. Dieses gelte es zu bilden und nicht zu ersetzen. Begleiten bedeute, in «einer klug differenzierten Weise» mit den Anderen auf ihrem Weg Schritte zu machen.

Verschiedenheit akzeptieren

Die «Türe der Begleitung» öffne sich für die «Inklusion» und nicht für den Ausschluss. Die Inklusion setze die Anstrengung voraus, die Verschiedenheit zu akzeptieren, mit Andersdenkenden zu sprechen. Papst Franziskus habe bereits in seinen Katechesen deutlich gemacht, so Lovey, dass man «in der Familie, unter Brüdern, das menschliche Zusammenleben lernt, nämlich wie man in Gesellschaft nebeneinander zu existieren hat». Ebenso habe der Papst betont, dass «wir ab unseren ersten Lebensjahren von der Pflege und dem Wohlwollen anderer abhängig sind».

Personen in «irregulären» Situationen

Der Bischof verweist in seiner Stellungnahme zum neuen Dokument insbesondere auf eine Textstelle zu Personen hin, die in komplexen, «irregulären» Situationen lebten. Dort heisst es: «Die Logik der Integration ist der Schlüssel ihrer pastoralen Begleitung… Sie sind Getaufte, sie sind Brüder und Schwestern, der Heilige Geist giesst Gaben und Charismen zum Wohl aller auf sie aus.»(gs)

Hier können Sie bequem durch das Dokument online blättern. Mit einem Klick auf das Dokument vergrössert sich die Darstellung.

Jean-Marie Lovey, Bischof von Sitten | © Barbara Ludwig
8. April 2016 | 13:23
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!