Sandra Schmid Fries und Lukas Fries-Schmid sind beide Theologen und führen das alte Kloster als Paar.
Schweiz

Als Familie führen sie das ehemalige Kloster «Sonnenhügel»

Im Sonnenhügel finden Personen in schwierigen Lebenssituationen vorübergehend ein Zuhause. «Wir sind mit und nicht für andere Menschen hier», sagt Lukas Fries-Schmid (48). Er leitet das Kloster zusammen mit seiner Frau Sandra Schmid Fries (40).

Alice Küng

Eine gelbe Holzsonne klebt an der Eingangstür des ehemaligen Kapuzinerklosters Schüpfheim im Entlebuch LU. «Sonnenhügel» steht darauf geschrieben. Daneben hängt ein Holzkreuz. Beim Ziehen klingelt’s. Geschrei und rennende Schritte ertönen.

Lukas Fries-Schmid öffnet die Tür. Hinter ihm stehen vier Kinder im Grundschulalter. «Sie wollten schauen, wer kommt.» Im Sonnenhügel gehören Besuche zum Alltag. Das Kloster nimmt regelmässig Menschen in schwierigen Lebenssituationen bis zu einem halben Jahr auf.

Normalerweise leben neben der dreiköpfigen Kerngemeinschaft fünf bis zehn Gäste hinter den alten Klostermauern. Wegen einer Planungsphase nimmt der Sonnenhügel bis zum 7. Juni keine Gäste auf. «Dafür wohnt temporär eine zweite Familie mit drei Kindern im Kloster.»

Eine moderne christliche Gemeinschaft

Vor zwölf Jahren übernahm Lukas Fries-Schmid zusammen mit seiner Frau, Sandra Schmid Fries, die Leitung. Sie sind beide Theologen und lernten den Sonnenhügel vor Jahren als Praktikantin und als Zivildienstleistender kennen. Hier kamen ihre Zwillingstöchter zur Welt.

Beim Eingang zum Sonnenhügel hängt eine gelbe Sonne.
Beim Eingang zum Sonnenhügel hängt eine gelbe Sonne.

«Wir verstehen uns als Kloster, sind aber nicht in die alten Strukturen eingebunden.» Der Sonnenhügel sei eine moderne christliche Gemeinschaft. Sandra Schmid Fries schätzt vor allem den sozialen Aspekt: «Das Zusammenleben mit verschiedenen und wechselnden Menschen entspricht mir sehr.»

Nicht alle werden aufgenommen

Die meisten Gäste sind wegen psychischen Schwierigkeiten wie Burnout oder Depressionen im Sonnenhügel. Einige kommen präventiv, andere um eine Krise zu bewältigen. «Eine Zeit bei uns kann einem Klinikaufenthalt vorbeugen», sagt die logotherapeutische Beraterin.

Sandra Schmid Fries und Lukas Fries-Schmid
Sandra Schmid Fries und Lukas Fries-Schmid

Alle Gäste müssen aber freiwillig kommen. Und im Aufnahmeprozess gibt es Grenzen. «Personen, die suizidal gefährdet oder stark psychotisch sind oder bei denen eine Suchtproblematik im Vordergrund steht, können wir nicht aufnehmen», sagt der Pastoralpsychologe.

Für ein Miteinander

«Wir leben in einer Gemeinschaft und sind aufeinander angewiesen», sagt Lukas Fries-Schmid. Deshalb müssten die Bewohner in einem Mindestmass «sozial verträglich» sein. Es sei auch schon vorgekommen, dass eine Situation eskaliert sei. Dann bleibe dem Paar keine andere Möglichkeit, als die Gäste vorzeitig wegzuschicken. Zum Glück sei dies aber die absolute Ausnahme.

Die Luftaufnahme zeigt den das alte Kloster zusammen mit dem Neubau.
Die Luftaufnahme zeigt den das alte Kloster zusammen mit dem Neubau.

Im Kloster gibt es weder Sozialarbeiter noch Psychologen, die psychotherapeutische Aufgaben übernehmen können. Die Philosophie des Klosters ist eine andere: «Wir sind mit und nicht für andere Menschen hier.» Viele Gäste hätten deshalb, zusätzlich zur Begleitung innerhalb des Sonnenhügels, eine externe Fachperson zur Seite.

«Franziskanische Einfachheit»

Der Tagesablauf im Sonnenhügel ist religiös geprägt. Es gibt ein Morgen- und Abendgebet. «Die sind aber freiwillig», sagt Sandra Schmid Fries. An allen anderen Programmpunkten müssen die Bewohner teilnehmen. Dazu gehören fixe Essenszeiten und Arbeiten im Haus und Garten.

Für maximal sechs Monate können Personen im Sonnenhügel wohnen.
Für maximal sechs Monate können Personen im Sonnenhügel wohnen.

Enthaltsamkeitsregeln, Geschlechtertrennung oder spezielle Essensvorschriften gibt es nicht. «Wir leben aber nach dem Prinzip der ‹franziskanischen Einfachheit›», sagt Lukas Fries-Schmid. So esse die Gemeinschaft beispielsweise nur einmal pro Woche Fleisch.

Wenig Regeln aber einige Werte

Auch im Umgang mit Alkohol sei das Kloster zurückhaltend. «Das machen wir aus Rücksicht gegenüber den Gästen», sagt Lukas Fries-Schmid. Viele, die in den Sonnenhügel kommen, dürften wegen der Einnahme von Medikamenten oder einer früheren Suchterkrankung nicht trinken.

Gemeinsam essen die Bewohner des Klosters zu fixen Essenszeiten.
Gemeinsam essen die Bewohner des Klosters zu fixen Essenszeiten.

Gewisse Werte sollten von allen eingehalten werden, betont das Paar: «Respekt gegenüber fremden religiösen Überzeugungen und Wertschätzung für die Arbeit anderer sind uns wichtig», sagt Sandra Schmid Fries.

Kostendeckend dank Verzicht

Das Kloster ist unabhängig und bekommt keine Kirchensteuergelder. «Wir finanzieren uns ausschliesslich durch Spenden und Einnahmen der Gäste», sagt Sandra Schmid Fries. Fünfzig bis hundert Franken kostet ein Tag im Sonnenhügel. Das seien eher tiefe Preise, findet sie.

Im Sonnenhügel gibt es auch eine Bibliothek.
Im Sonnenhügel gibt es auch eine Bibliothek.

«Unser Verzicht auf einen eigenen Lohn macht das möglich», sagt Lukas Fries-Schmid. Das Paar arbeite mehrheitlich ehrenamtlich, bekomme dafür Kost und Logis und ein kleines Taschengeld. Einen Tag pro Woche arbeite Sandra Schmid Fries extern als pädagogische Mitarbeiterin. Mit diesem Einkommen decke das Paar alle privaten Ausgaben.

Ob das Paar den Sonnenhügel irgendwann verlässt, ist offen. Lukas Fries-Schmid und seine Frau haben sich nicht verpflichtet, das Kloster auf Lebenszeit zu leiten. Zurzeit würde Lukas Fries-Schmid aber am liebsten bis zur Pensionierung bleiben.

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Sandra Schmid Fries und Lukas Fries-Schmid sind beide Theologen und führen das alte Kloster als Paar. | © Alice Küng
11. März 2021 | 16:11
Lesezeit: ca. 3 Min.
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