Weihbischof Alain de Raemy

Alain de Raemy über Missbrauch in Kirche: «Besonderer Grad an Perversion»

Woher kommt der enorme Verlust an Vertrauen in die Katholische Kirche? Das hat «Corriere del Ticino» den Administrator des Bistums Lugano, Alain de Raemy, gefragt. Die Zeitung bezieht sich dabei auf den synodalen Bericht der Schweizer Bischofskonferenz.

Die Gläubigen hätten das Vertrauen in die Kirche aufgrund der Skandale rund um spirituelle und sexuelle Missbrauchsfälle verloren, sagt Alain de Raemy gegenüber der Tessiner Zeitung – gemäss Angaben des Newsportals catt.ch. Solche Berichte seien regelrecht auf sie runtergeprasselt.

Übergriffe seien überall auf der Welt passiert. Und sie hätten alle Gesellschaftsbereiche betroffen – von der Familie bis zum Sportclub. «Aber man sprach nicht davon, das Thema war tabu», so de Raemy.

«Vertrauensverlust mehr als verständlich»

Aber dann seien solche Vorfälle innerhalb der Kirche entdeckt worden. Also «einer Institution, die als moralisches und spirituelles Vorbild gelte», fügt de Raemy an. Das habe den Übergriffen einen besonderen Grad an Perversion und Heuchelei verliehen.

«Ich finde, der Vertrauensverlust ist offensichtlich und mehr als verständlich. Es ist ein Schrei, den es aufzunehmen gilt. Er kommt von zu vielen Menschen, die in irgendeiner Art Opfer von Missbrauch gewesen sind.»

Krimineller Akt, nicht körperliche Sünde

Und dies müsse zu denken geben, findet Alain de Raemy. Die Kirche müsse sich fragen lassen, weshalb sie sich auf die persönliche körperliche Sünde der Beteiligten konzentriert habe. Anstatt darin einen kriminellen Akt gegenüber einer unschuldigen Person zu sehen, die womöglich ihr ganzes Leben darunter leiden würde.

Bisher seien die Opfer immer an zweiter Stelle gestanden. Dies hat laut Alain de Raemy «nichts Christliches mehr an sich. Das ist nicht die Kirche, die Jesus Christus wollte.» (catt.ch/Adaption: rp)


Weihbischof Alain de Raemy | © Christian Merz
12. Dezember 2022 | 15:30
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