Romina Monferrini
Porträt

Advent in Long-Covid-Zeiten: Wann wird Romina Monferrini wieder so richtig gesund?

Von «Instagram» kennt man Romina Monferrini (34) als Powerfrau: jung, sportlich, immer unterwegs zwischen Reuss-Institut, Promotion und Lobpreis. Seit Februar leidet sie an den Folgen einer Corona-Infektion. Die Sehnsucht nach Heilung gleicht einer langen Adventszeit. Doch Romina Monferrini ist überzeugt: Alles wird gut.

Eva Meienberg

Romina Monferrini sitzt im Warteraum. Das Besetzt-Schild an der Türe steht auf Rot. Die 34-Jährige ordnet gerade ihr Leben und sucht nach den Sehnsüchten mit Tiefe. Zum Glück sitzt sie da nicht alleine. «Gott ist mit mir in diesem Raum. Ausser ihm darf im Moment niemand rein», sagt Romina Monferrini.

Leben in der Warteschleife

Die Theologin und Seelsorgerin leidet an Long Covid. Seit sie im Februar 2022 an Corona erkrankt ist, ist nichts mehr, wie es war. «Mein Leben war perfekt. Ich habe meine Berufung gelebt. Jetzt bin ich wieder in einer Warteschleife», sagt Romina Monferrini.

Moderne Verkündigung: Die Theologin Romina Monferrini will auf Instagram Glaubensthemen mit Privatem verbinden.
Moderne Verkündigung: Die Theologin Romina Monferrini will auf Instagram Glaubensthemen mit Privatem verbinden.

Ihre Tage waren ausgefüllt. Keine Woche war wie die andere. So liebt es Romina Monferrini. Sie arbeitet als Seelsorgerin in der Pfarrei St. Leodegar und im Team des Instituts im Reuss-Institut in Luzern. Sie amtet als Präsidentin der Ikonenschule und schreibt für ein Pfarreiblatt.

Ihr Motto: #lovemyjob

Vergangenes Jahr hat sie sich als kirchliche Social-Media-Beraterin selbstständig gemacht. In ihrer Freizeit schreibt sie an ihrer Dissertation, spielt Tennis, schwimmt, tanzt und singt. «Meine Jobs fühlen sich nicht an wie Arbeit», sagt die Theologin. «Das, was ich am liebsten mache, ist mein Beruf.» #lovemyjob ist ihr Hashtag dazu. 

Die Theologin Romina Monferrini arbeitet für das Reuss-Institut.
Die Theologin Romina Monferrini arbeitet für das Reuss-Institut.

Ihr Instagram-Account mit knapp 1900 Followern illustriert dieses Leben von Höhepunkt zu Höhepunkt. Da paddelt sie strahlend im Ruderboot auf dem Oeschinensee. Schaut keck in die Kamera in kurzen Lederhosen und Rossschwanz in der St. Jakob-Halle. Balanciert auf der Bordsteinkante mit dem Tag «Good Vibes», auf ihrem T-Shirt steht in grossen Buchstaben «Love».

Die Synapsen funktionieren nicht mehr so wie früher

Heute muss sich die junge Frau genau überlegen, wofür die Energie reicht. In den ersten drei Monaten war der Gang vom Bett zum Sofa anstrengend. Als sie wieder nach draussen gehen konnte, brauchte sie Begleitung, weil sie während des Spaziergangs plötzlich eingeschlafen ist. «Es gab Zeiten, da musste ich mich anstrengen, die Hoffnung nicht zu verlieren», sagt Romina Monferrini.

Ikone im Reuss-Institut in Luzern
Ikone im Reuss-Institut in Luzern

Heute geht es besser. Aber das Stechen im Kopf und die Schmerzen in den Gliedern suchen sie immer wieder heim. «Im Kopf scheinen sich die Synapsen nicht mehr so zu verbinden, wie ich mir das gewohnt bin. Ich kann mich schlecht erinnern und konzentrieren fällt schwer.»

Leben mit Einschränkungen

Romina Monferrini weiss, dass das Leben nicht nur Höhepunkte hat, sondern auch Warteschleifen. Als Kind hat sie eine nahe Familienangehörige erlebt, die mehr als zehn Jahre an chronischen Schmerzen litt: «Ich habe gesehen, dass es möglich ist, ein Leben mit Einschränkungen zu leben.»

Im Reuss-Institut gibt es jeden Morgen ein gemeinsames Gebet.
Im Reuss-Institut gibt es jeden Morgen ein gemeinsames Gebet.

In schwierigen Situationen sei manchmal nichts anderes möglich, als zu verharren. Das weiss Romina Monferrini aus der Seelsorge. «Zuerst muss sich der Sand im Wasser setzen. Erst dann ist die Sicht frei für Visionen.» Was das bedeute, habe sie in den vergangenen Monaten am eigenen Leib erfahren.

Ganz im Moment sein

Tief innen wisse sie, dass alles gut werde. «So bin ich. Das ist mein Wesen.» Dennoch musste sie lernen, mit dem Warten klarzukommen. Am Anfang der Krankheit habe sie nur einen Gedanken gehabt: so schnell wie möglich gesund werden. «Ich habe alles gemacht, um gesund zu werden, das hat mich total erschöpft.» Mit der Zeit habe sie gelernt, die Zeit in der Warteschleife nicht zu verzwecken. «Wenn ich spaziere, versuche ich nur zu spazieren. Wenn ich koche, versuche ich nur zu kochen», sagt die Theologin.

Romina Monferrini
Romina Monferrini

Romina Monferrini ist in Grenchen aufgewachsen. Ihr Vater kam aus Apulien in die Schweiz. Die Mutter stammt aus dem Emmental. «Wir sind behütet aufgewachsen. Meine Schwester und ich waren beschützt und wir konnten uns entfalten.» 

Schweizerin und Italienerin

Die Sommerferien hat die Familie Monferrini in Italien bei der Verwandtschaft verbracht. «Oft startet mein Tag mit einem Gruss in den Familien-Chat», sagt Romina Monferrini. Sie fühle sich ganz als Schweizerin und ganz als Italienerin. Zerrissenheit zwischen den Ländern kenne sie nicht, aber manchmal vermisse sie die Verwandten in Italien. Darum verbringt sie auch heute noch die meisten Sommerferien in Süditalien.

Die Theologin Romina Monferrini ist auch auf Instagram präsent.
Die Theologin Romina Monferrini ist auch auf Instagram präsent.

Bis zur Erstkommunion besuchte Romina Monferrini die Gottesdienste der Italienischen Mission. Dann wurde sie Ministrantin in der deutschsprachigen Kirche. «Ich habe von Kindertagen an eine lebendige Kirche erlebt, in der ich mitmachen konnte, in der ich gesehen wurde.»

Manchmal fliessen Tränen

Inspiriert von der Gemeinschaft der Seligpreisungen in Zug hat Romina Monferrini zusammen mit einer Kollegin eine eigene Jugendgruppe in Grenchen gegründet. Anfangs haben sich die Jugendlichen bei den Monferrinis zuhause getroffen. 20 bis 30 Jugendliche kamen zum Essen, spielten, diskutierten, machten Musik. Eines Tages wurden die Jugendlichen beim Pfarrer vorstellig. «Du darfst uns einen Raum zur Verfügung stellen für unsere Jugendgruppe. Aber wir existieren auch, wenn ihr uns nicht wollt.» Die Jugendlichen bekamen ihren Raum.

Hofkirche St. Leodegar Luzern.
Hofkirche St. Leodegar Luzern.

So geht Kirche, ginge es nach Romina Monferrini. In der Pfarrei St. Leodegar im Hof bestimmen die Ehrenamtlichen die Aktivitäten mit. Charismatische Jugendliche und progressive Mitsechzigerinnen diskutieren genauso mit wie die engagierte Familienfrau mit Migrationshintergrund. «Die Gruppen müssen heterogen sein», sagt Romina Monferrini. Sie selbst sieht ihre Rolle als Coach und Begleiterin. Sie bringe die Theologie mit ein – aber dann werde diskutiert. Die Gespräche bräuchten Geduld, manchmal gebe es gar Tränen.

«Digitale Pastoral» und «Kirche digital»

«Kirche ist Gemeinschaft und die muss wachsen wie eine Beziehung.» Zusammen Zeit verbringen, das Leben und den Glauben teilen. «Immer wieder müssen wir uns auf den Kern besinnen. Der Kern ist Jesus Christus.» Die Gemeinschaft müsse wachsen, dürfe «niemals sich selbst genügen, sondern allen Menschen». Viel lieber als Kirche sein will Romina Monferrini Kirche werden: «Kirche werden ist ein Prozess, dessen Ergebnis wir nicht kennen.»

Für diesen Prozess sieht die Theologin grosses Potenzial in den sozialen Medien: »Über die sozialen Medien haben wir Zugang zu den Wohnzimmern der Menschen.» Romina Monferrinis Schlagworte lauten «Digitale Pastoral» und «Kirche digital». Sie berät Pfarreien in Workshops, hält Referate und gibt Impulse. Etwa mit einem Livestream von einem Loretto-Gebetsabend aus dem geistlichen Gebetszentrum Solothurn. Oder beim inzwischen eingestellten YouTube-Kanal «URBN.K» in Zürich.

Romina Monferrini
Romina Monferrini

Es geht um Gott

Romina Monferrini hat nach ihrer Lehre als Fachfrau Betreuung einen theologischen Weg eingeschlagen. «Mit deiner Arbeit für die Jugendgruppe in der Kirche kannst du auch Geld verdienen», hätten ihr die Eltern damals gesagt. Ausserdem habe sie einen Drang verspürt, mehr zu wissen über die Kirche. «Stimmt das, was der Pfarrer mir erzählt?», habe sie wissen wollen.

Pfarrer Ruedi Beck ist Co-Leiter des Reuss-Instituts.
Pfarrer Ruedi Beck ist Co-Leiter des Reuss-Instituts.

Nach dem Religionspädagogischen Institut in Luzern hat Romina Monferrini an der Universität Luzern Theologie studiert und schreibt nun an ihrer Dissertation. Was hat sie über die Kirche herausgefunden? «Es geht nicht um die Kirche, sondern um Gott. Und darum, dass die Menschen einen Ort finden, um ihre Beziehung zu ihm zu leben», sagt die Theologin. «Dieser Ort kann auch der virtuelle Raum sein.»

Ungewisse Zukunft – doch alles wird gut

Das Schild auf dem Warteraum steht immer noch auf Rot. Einiges habe sich schon geklärt, vieles noch gar nicht. Zu ihren Plänen nach der Warteschleife will die Theologin noch nichts sagen. Aber eines ist ihr gewiss: Alles wird gut. Nach der langen Adventszeit kommt ganz bestimmt Weihnachten.


Romina Monferrini | © Christian Merz
6. Dezember 2022 | 07:34
Lesezeit: ca. 5 Min.
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