Peter von Sury, Abt des Klosters Mariastein
Schweiz

Abt von Mariastein: «Ich bin überzeugt, dass es unsere Zeitschrift noch braucht»

Seit 100 Jahren hat das Kloster Mariastein eine Zeitschrift. Früher wurde darin vor allem möglichen gewarnt, etwa vor dem Kino oder vor freizügiger Mode. Heute soll die Klosterzeitschrift die Beziehung der Menschen zum Wallfahrtsort stärken, sagt Abt Peter von Sury. Angesichts der ungewissen Zukunft des Klosters sei dies eine wichtige Aufgabe.

Barbara Ludwig

Warum wurde vor 100 Jahren die Zeitschrift «Mariastein» gegründet?

Abt Peter von Sury*: Der Hauptgrund war vermutlich die schwierige Situation, die Pater Willibald Beerli angetroffen hatte, als ihm 1923 der Abt das Amt des Wallfahrtsleiters übertrug. Von 1914 bis 1918 waren erstmals die Landesgrenzen der Schweiz hermetisch abgeschlossen – Mariastein war damit abgeschnitten von einem wichtigen Hinterland, vom Sundgau im südlichen Elsass, und auch von seinem südbadischen Einzugsgebiet. Der Erste Weltkrieg hatte der Wallfahrt nach Mariastein schwer zugesetzt, es kamen viel weniger Pilgerinnen und Pilger nach Mariastein.

«Nach dem Ersten Weltkrieg ging es darum, die Wallfahrt wieder in Gang zu bringen.»

Nun ging es darum, die Wallfahrt wieder in Fahrt zu bringen. Willibald Beerli hatte ein Flair für Marketing-Massnahmen. Bereits im April 1923 wurde ein Wallfahrtsverein gegründet. In Verbindung damit wurde beschlossen, eine Zeitschrift herauszugeben. Die erste Ausgabe der «Glocken von Mariastein» erschien schon im Juli 1923. Acht Seiten, ein Blättchen. Aber für die damalige Zeit war das eine grossartige Leistung. Die Zeitschrift war von Anfang an Werbeträger mit Inseraten. Das Jahresabonnement mit zwölf Ausgaben kostete 2,50 Franken.

Abt Peter von Sury zeigt auf das Foto des ersten Redaktors der Klosterzeitschrift.
Abt Peter von Sury zeigt auf das Foto des ersten Redaktors der Klosterzeitschrift.

Wie hoch war die Auflage zu Beginn?

Von Sury: Ich weiss es nicht. Heute beträgt sie rund 3000 Exemplare. Am meisten Abonnentinnen und Abonnenten kamen nach 1971 hinzu, also nachdem der Kanton Solothurn das im 19. Jahrhundert aufgehobene Kloster den Mönchen zurückgegeben hatte. 1974 gründete man einen neuen Verein, den Verein der «Freunde des Klosters Mariastein». Das war ein kluger Schachzug, denn man hat die Zeitschrift zum Vereinsorgan erklärt.

Welche Meilensteine prägten die Geschichte der Zeitschrift in den ersten Jahrzehnten?

Von Sury: 1927 übernahm Pater Pius Ankli die Redaktion. Wie sein Vorgänger war er Wallfahrtspriester. Als sittenstrenger Redaktor prägte er die Zeitschrift im Geist der damaligen Zeit. Es wurde vor allem möglichen gewarnt, zum Beispiel vor dem Kino oder vor der freizügigen Mode. 1941 war ebenfalls wichtig. Damals wurden die im Gallus-Stift in Bregenz lebenden Mönche des Konvents mit dem Abt von den Nationalsozialisten vertrieben und fanden Zuflucht in Mariastein. Die Gemeinschaft in Mariastein wurde damit grösser, mehr Mönche hatten nun die Möglichkeit, Beiträge für die Zeitschrift zu schreiben.

Ein Foto von Pater Bruno Stephan Scherer, einst Redaktor der Klosterzeitschrift "Mariastein".
Ein Foto von Pater Bruno Stephan Scherer, einst Redaktor der Klosterzeitschrift "Mariastein".

Rund 30 Jahre nach ihrer Gründung bekam die Zeitschrift einen neuen Namen. Statt «Die Glocken von Mariastein» hiess sie nur noch «Mariastein».

Von Sury: 1954 wandelte sich die Publikation in der Tat grundlegend. Man fand den ursprünglichen Namen etwas altmodisch, zu sentimental. Man wollte mehr Nüchternheit. Nebst dem Titel veränderte sich auch die Gestaltung des Titelblatts, geschaffen vom Engelberger Pater und Künstler Karl Stadler. Ebenso der Inhalt. Pater Vinzenz Stebler, der nun als dritter Mönch seit der Gründung der Zeitschrift die Redaktion übernahm, war jung. Er hatte in Theologie promoviert und war sehr darauf bedacht, das mönchisch-klösterliche Element stärker in den Vordergrund zu rücken.

«Mariastein sollte mehr sein als nur ein Wallfahrtsort.»

Mariastein sollte mehr sein als nur ein Wallfahrtsort. Das wollte eine neue Generation von Mönchen. Pater Vinzenz sorgte zusammen mit Pater Bruno Scherer dafür, dass im Heft mehr benediktinisch-klösterliche Themen aufgegriffen wurden und auch Beiträge zur christlichen Kunst und Literatur, zu Theologie und Geschichte Platz fanden. Der traditionell katholische, volkstümlich geprägte Charakter der Zeitschrift wandelte sich zu einem gehobenen Stil mit leicht akademischem Touch. Auch die Ansprüche an die grafische Gestaltung waren sichtlich gestiegen.

2020 übernahm mit Pia Zeugin erstmals eine Person, die nicht dem Konvent angehört, die Redaktionsleitung. Das muss doch auch eine massive Änderung gewesen sein.

Von Sury: Das wurde nicht unbedingt so empfunden, weil mittlerweile in vielen Bereichen unseres Klosters Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagiert sind und Verantwortung übernommen haben. Sicher, es war ein grosser Schritt Richtung Zukunft. Pia Zeugin arbeitete seit 2015 für uns, sie kannte das Metier, überdies waren weiterhin zwei Mitbrüder im Redaktionsteam und boten Gewähr für Kontinuität.

«Viele alte Menschen schätzen das gedruckte Medium.»

Braucht es die Zeitschrift noch?

Von Sury: Davon bin ich fest überzeugt. Wir bekommen immer wieder Rückmeldungen von Leserinnen und Lesern, die uns sagen, die Zeitschrift «Mariastein» bedeute ihnen viel. Viele alte Menschen in der Leserschaft schätzen nach wie vor das gedruckte Medium. Wir werden von allen Seiten ermutigt, es in dieser Form weiterzuführen. Ab 2024 wird «Mariastein» nur noch vier Mal jährlich erscheinen statt sechs Mal. Aber wir bleiben beim Printmedium.

Die Zeitschrift "Mariastein" wurde mehrmals neu gestaltet. Abt Peter von Sury zeigt den Wandel der Titelseite in der Ausstellung.
Die Zeitschrift "Mariastein" wurde mehrmals neu gestaltet. Abt Peter von Sury zeigt den Wandel der Titelseite in der Ausstellung.

Welche Aufgabe erfüllt «Mariastein» heute?

Von Sury: Die Zeitschrift soll die Beziehung der Menschen zu Mariastein stärken, indem sie den Wallfahrtsort regelmässig in Erinnerung ruft. Sie ermöglicht uns, über unsere Klostergemeinschaft und ihre Entwicklung zu informieren. Das ist heute eine wichtige Aufgabe. Denn die Zukunft von Mariastein ist ungewiss. Wir wollen die Menschen in die Veränderungsprozesse einbeziehen und über unsere neuen Angebote informieren. Dazu gehören neu auch Lesungen in der Bibliothek, neben den Konzerten weitere musikalische Veranstaltungen, die sogenannten Sonntagsgespräche usw.

«Ich habe nicht den Ehrgeiz, dass die Zeitschrift ihren 200. Geburtstag wird feiern können.»

Wie sehen Sie denn die Zukunft der Klosterzeitschrift?

Von Sury: Darüber mache ich mir momentan nicht zu viele Gedanken. Mir ist wichtig, dass wir das neue Kommunikationskonzept umsetzen können. Wenn dieses die nächsten paar Jahre gut funktioniert, dürfen wir zufrieden sein. Was anschliessend kommt, werden wir sehen. Ich habe nicht den Ehrgeiz, dass die Zeitschrift ihren 200. Geburtstag wird feiern können.

Abt Peter von Sury leitet die Zeitschrift "Mariastein" ad interim.
Abt Peter von Sury leitet die Zeitschrift "Mariastein" ad interim.

Welchen Platz nimmt die Zeitschrift im neuen Kommunikationskonzept ein?

Von Sury: Einen wichtigen. Sie ist eine von vier Säulen. Dazu gehört neben der Webseite als Informationsträger eine gedruckte Agenda, die monatlich erscheinen wird mit einem kurzen Text geistlicher Natur. Die Zeitschrift «Mariastein» wird – wie erwähnt – vier Mal pro Jahr mit thematischem Schwerpunkt erscheinen, verändert in Format, Aufmachung und Gestaltung. Sie wird nicht mehr die Funktion eines Veranstaltungskalenders übernehmen.

«Mir selber sind die Sozialen Medien fremd.»

Drittens haben wir eine Schriftenreihe lanciert. Die erste Ausgabe zum Gedenkjahr 2021 wurde vom Publikum sehr gut aufgenommen. Eine vierte Säule unseres Kommunikationskonzeptes sind die Sozialen Medien. Mir selber sind die Sozialen Medien eher fremd. Aber ich stelle fest, dass ich zum Beispiel gewisse Leute nur über Whatsapp erreiche, ob mir das passt oder nicht. Es gilt, die gewandelte Realität anzuerkennen und uns entsprechend auszurichten, wenn wir mit den Leuten im Austausch bleiben wollen.

Noch bis 30. September gibt es in Mariastein ein Ausstellung zur Geschichte der Klosterzeitschrift «Mariastein» zu besichtigen. Ort: Inforaum, Klosterplatz 16, Mariastein. Die Ausstellung ist täglich geöffnet, der Eintritt. Seit dem 19. Mai 2023 ist die Zeitschrift online auf www.e-periodica.ch abrufbar.

*Peter von Sury ist Abt des Benediktinerklosters Mariastein. In Mariastein SO befindet sich eine der bedeutendsten Marienwallfahrtsstätten der Schweiz. Peter von Sury war von 2009 bis 2000 Redaktionsleiter der Zeitschrift «Mariastein». Zurzeit ist er Redaktionsleiter ad interim.


Peter von Sury, Abt des Klosters Mariastein | © Barbara Ludwig
18. Juli 2023 | 06:00
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