Abt Urban Federer.
Schweiz

Abt Urban: «Für die ehemaligen Geiseln ist Einsiedeln ein Ort der Dankbarkeit»

Die Dokumentation «Swissair Flug 100 – Geiseldrama in der Wüste» wird demnächst im Schweizer Fernsehen ausgestrahlt. In einigen Szenen ist Abt Urban Federer im Kloster Einsiedeln zu sehen, wie er mit den ehemaligen Geiseln spricht. Zu Wort kommt auch ein entführter Passagier, der mit zwei anderen Geiseln einen Pakt schloss: «Sollten wir das hier überleben, pilgern wir alle zusammen nach Einsiedeln».

Sarah Stutte

Am 6. September 1970 wird ein vollbesetzter Swissair-Flug auf dem Weg von Zürich nach New York von palästinensischen Terroristen entführt. An Bord befinden sich 143 Passagiere und 12 Crewmitglieder. Die Piloten werden zum Flug nach Jordanien gezwungen und müssen auf dem «Dawson Field» landen, einem stillgelegten Flugplatz nahe der Stadt Zarqa. Dies zusammen mit zwei anderen, ebenfalls entführten Flugzeugen – einem britischen und einem US-amerikanischen.

Die Entführer fordern von den jeweiligen Ländern, dass die dort einsitzenden, palästinensischen Terroristen freigelassen werden. Andernfalls wollen sie die Flugzeuge mitsamt den Geiseln sprengen. Für die Schweiz geht es um drei inhaftierte Palästinenser im Austausch mit 155 Menschenleben in der Swissair-Maschine. Nach wochenlangen Verhandlungen will sich der Bundesrat den Forderungen der Terroristen schliesslich beugen.

Archivmaterial und Zeitzeugen

Was dann passiert, ist nun erstmals in einer Dokumentation über die spektakuläre Entführung von damals zu sehen. Die beiden Regisseure Adrian Winkler und Laurin Merz arbeiten mit «Swissair Flug 100 – Geiseldrama in der Wüste» die Schweizer Terrorjahre rund um den «Schwarzen September» spannend auf. Dazu konnten die Filmemacher sowohl viel Archivmaterial zusammentragen, als auch ehemalige Zeitzeugen befragen.

Die ehemalige Swissair-Stewardess Beta Steinegger.
Die ehemalige Swissair-Stewardess Beta Steinegger.

Unter ihnen sind drei ehemalige Crewmitglieder. Sie erzählen während der Premiere an den Solothurner Filmtagen von ihren damaligen Erfahrungen und Empfindungen. Auf die Frage von kath.ch, wie sie die innere Spannung zwischen Angst und Hoffnung ausgehalten haben, sagt die ehemalige Stewardess Beta Steinegger: «Wir von der Besatzung waren die ganze Zeit beschäftigt. Wir hatten keinen Strom und haben uns um die Passagiere gekümmert». Für diese hätten sie sich verantwortlich gefühlt.

Der Katholik an Bord

Zum Beten seien sie da gar nicht gekommen, meint auch ihre damalige Arbeitskollegin Brigitta Moser-Harder. Sie war ebenfalls als Stewardess an Bord des entführten Swissair-Flugzeugs. Anders erging es deren einstigem Kollegen, dem Kabinenchef Ernst Renggli. Im Film erzählt er, wie er Todesängste hatte, die auch noch lange nach dem traumatischen Erlebnis nachwirkten. Trotzdem sei er sofort wieder zur Arbeit gegangen. «Ein Care-Team kannte die Swissair damals noch nicht», so Renggli.

Der damalige Kabinenchef Ernst Renggli hatte Todesängste während der Entführung.
Der damalige Kabinenchef Ernst Renggli hatte Todesängste während der Entführung.

Im Film kommt zudem der entführte Passagier Norbert Kuster zu Wort. Der ehemalige Stadtrat von Wädenswil berichtet in der Dokumentation, wie es ihm damals als gläubiger Katholik erging. Er habe mit zwei anderen Geiseln einen Pakt geschlossen, sagt er da. «Sollten wir das hier überleben, pilgern wir alle zusammen nach Einsiedeln». Der im letzten Oktober verstorbene Kuster konnte die fertige Dokumentation leider nicht mehr sehen.

Viele Überlebende in Einsiedeln

Ihm zu Ehren trafen sich die überlebenden Geiseln im Jahr 2020 in Einsiedeln – zum 50. Jahrestag der Entführung. In der Dokumentation ist zu sehen, wie Norbert Kuster in einigen Szenen mit Abt Urban zusammensteht und diesem unter Tränen seine Geschichte erzählt. Dass er es geschafft habe und tatsächlich mit seinen beiden Kollegen von Wädenswil nach Einsiedeln gepilgert sei. Abt Urban zeigt sich davon bewegt und sagt: «Schön, dass sie den Weg auf sich genommen haben.»

Brigitta Moser-Harder war 1970 ebenfalls als Stewardess an Bord des Swissair 100 Fluges.
Brigitta Moser-Harder war 1970 ebenfalls als Stewardess an Bord des Swissair 100 Fluges.

Auf Nachfrage von kath.ch, ob er sich heute noch an diesen Moment erinnern könnte, meint Abt Urban: «Ja, an die Gedenkfeier, die ebenfalls an einem Sonntag stattfand, wie damals die Entführung. Viele der Überlebenden kamen dazu nach Einsiedeln. Zusammen dachten wir an diese bedrohliche, ungewisse Zeit zurück, die auch nach 50 Jahren noch nachwirkt.»

Dankes-Wallfahrt zum Kloster

Weiter erklärt der Abt: «Wir gedachten an diesem 6. September 2020 auch den Verstorbenen des Swissair-Flugs 330. Die Maschine war im gleichen Jahr – am 21. Februar 1970 – durch ein Attentat, das ebenfalls palästinensische Terroristen verantworteten – in Würenlingen abgestürzt. Alle 38 Passagiere und neun Besatzungsmitglieder kamen dabei ums Leben».

Die drei ehemaligen Besatzungsmitglieder treffen sich 50 Jahre später im Kloster Einsiedeln zur Gedenkfeier.
Die drei ehemaligen Besatzungsmitglieder treffen sich 50 Jahre später im Kloster Einsiedeln zur Gedenkfeier.

Wie Abt Urban berichtet, habe man dabei auch an alle Opfer der Gegenwart in dieser Region gedacht – ohne zu wissen, dass 2023 ein neuerlicher Krieg ausbricht – und an alle, die sich in diesen Ländern für Würde und Gerechtigkeit einsetzen würden. «Auch die Ängste, die die Geiseln damals durchmachten und die noch immer lebendig sind, fanden in der Feier ihren Platz». In Erinnerung an die Dankes-Wallfahrt von Norbert Kuster nach Einsiedeln spiele das Kloster für einige der ehemaligen Geiseln seitdem eine Rolle als «Ort der Dankbarkeit», so Abt Urban.

Der Film «Swissair Flug 100 – Geiseldrama in der Wüste» ist am 22. Februar um 20.05 Uhr auf SRF 1 zu sehen.

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Abt Urban Federer. | © Vera Rüttimann
29. Januar 2024 | 16:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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