Vom Regen in die Traufe? Madonna hinter Glas.
Schweiz

Abkühlung erbeten: «Schenk uns den Regen, auf den das Land wartet»

Die Hitze steigt, die Sehnsucht nach Abkühlung ist gross. Der Regen ist Thema vieler Gebete. Und der Wettersegen bittet um «den Regen, auf den das Land wartet». Wie Christentum, Judentum und Islam es regnen lassen.

Raphael Rauch

Die Schweiz schwitzt. Und wie! Genf meldete gestern 38,1 Grad Celsius, Sitten 36,8 Grad und Basel 36,5 Grad. Umso grösser ist die Sehnsucht nach Abkühlung.

Der katholische Wettersegen soll vor Unheil wie Blitz und Hagel schützen. Doch im Messbuch gibt es auch die Möglichkeit, um Regen zu bitten.

Tagesgebet: Regen

«Gott, in dir leben wir,
bewegen wir uns und sind wir,
du kennst unsere Not.
Schenk uns den Regen, auf den das Land wartet.
Gib uns das tägliche Brot, das uns am Leben erhält,
damit wir um so vertrauensvoller nach der himmlischen Speise verlangen.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.»

Laut dem Freiburger Liturgiewissenschaftler Martin Klöckener hat das Bitten um Regen eine lange Tradition. «In der mittelalterlichen liturgischen Überlieferung gibt es viele Messformulare und Orationen, die mit speziellen Wettersituationen zu tun haben», sagt Klöckener. «In der Vergangenheit wurden oft auch Prozessionen mit solchen Anliegen gehalten. Die eine oder andere hat sich bis in die Gegenwart erhalten.»

Martin Klöckener
Martin Klöckener

Regen ein wichtiges Motiv für das Wüstenvolk Israel

Je trockener eine Umgebung, desto grösser ist die Sehnsucht nach Regen. Das gilt erst recht für das Wüstenvolk Israel. «Die Regenbitte ist ein zentrales Element der jüdischen Liturgie», sagt der jüdische Religionshistoriker Alfred Bodenheimer. Er lehrt an der Uni Basel.

Alfred Bodenheimer, Professor für Jüdische Literatur- und Religionsgeschichte an der Uni Basel.
Alfred Bodenheimer, Professor für Jüdische Literatur- und Religionsgeschichte an der Uni Basel.

«Israel ist arm an natürlichen Wasserquellen und extrem stark auf den Regen in der Winterzeit angewiesen. Ein Winter mit wenig Regen bedeutete, dass die Dürregefahr gross war», sagt Bodenheimer.

Dürre als Strafe Gottes

Im Anschluss an das Sukkotfest im Herbst spreche die Gemeinde ein Regengebet für den Winter. Und an Pessach zu Frühjahrsbeginn ein Gebet um Morgentau für den Sommer. «Auch in den täglichen Gebeten werden, entsprechend der Jahreszeit, Bitten nach Regen oder Tau ausgedrückt», sagt Bodenheimer.

In Ostafrika leiden 26 Millionen Menschen wegen Dürre an Hunger.
In Ostafrika leiden 26 Millionen Menschen wegen Dürre an Hunger.

Der jüdische Religionsexperte erinnert an alte Quellen, wonach allgemeine Fasttage ausgerufen wurden: «Die Weisen gingen davon aus, dass ausbleibender Regen eine göttliche Strafe sein kann und man mit dem Fasten und mit Gebeten Busse tun soll, um Gottes Gnade zu erwirken.»

Verbindung zwischen Israel und der Diaspora

Die Sehnsucht nach Regen drückt sich auch in Regionen aus, die wasserreich sind – also anders als Israel. Jüdinnen und Juden in Deutschland oder im Zweistromland Irak etwa hätten nie mit Dürre zu kämpfen gehabt. Doch auch sie bitten in ihren Gebeten um Regen.  «Das zeigt, wie stark die Verbindung über die Generationen hinweg zum Land Israel blieb», findet Bodenheimer. 

Reinhard Schulze
Reinhard Schulze

Auch der Islam kennt Gebete, die um Regen bitten. Der Islamwissenschaftler Reinhard Schulze von der Uni Bern nennt als Beispiel «salat al-istisqā».

Wasser für die Landwirtschaft und die Menschen

Das Gebet sei oft mit einer Predigt verbunden und werde etwa vormittags in der Moschee gesprochen: «Gott wird gebeten, dass er genügend Regen für die landwirtschaftliche Saison und für den menschlichen Bedarf an Trinkwasser und Körperpflege schenkt», sagt Schulze.

Meer auf Leinwand.
Meer auf Leinwand.

Das Gebetsritual finde auf der gleichen Freifläche ausserhalb der Moschee statt, auf der auch die beiden jährlichen Eidgebete nach ähnlichen Grundsätzen abgehalten werden.

Manche Geistliche und Gläubige dürften dieser Tage um Regen beten. Jetzt muss es halt nur noch regnen.


Vom Regen in die Traufe? Madonna hinter Glas. | © Camille Blanche
20. Juli 2022 | 13:51
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