Papst Franziskus und Patriarch Kyrill I. Hier bei einem Treffen in Havanna, 2016.
Schweiz

Ermutigende Perspektiven – Kommentar zum Treffen von Papst Franziskus und Patriarch Kyrill

Freiburg, 16.2.16 (kath.ch) Metropolit Hilarion und Kardinal Koch waren Wegbereiter für das Treffen von Papst Franziskus mit Patriarch Kyrill auf Kuba. Der russische Metropolit und der Ökumene-Minister sind mehrmals zusammengetroffen, zum Teil im Rahmen von Veranstaltungen des Instituts für Ökumenische Studien an der Universität Freiburg. *Barbara Hallensleben gehört dem Direktorium des Instituts an. In einem gemeinsamen Kommentar mit *Augustin Sokolovski setzt die Dogmatikerin das Kubaner Treffen in einen künftigen Kontext.

Barbara Hallensleben / Augustin Sokolovski

Am 19. April 2005 hielt Metropolit Hilarion einen Gastvortrag an der Theologischen Fakultät in Freiburg. Erstmals stellte er die Idee einer katholisch-orthodoxen «Allianz» zum gemeinsamen Zeugnis für christliche Werte in der heutigen Welt vor. Während er sprach, wurde über Handy die Wahl von Joseph Ratzinger als Papst Benedikt XVI. bekannt. Der Metropolit kommentierte diese Wahl sehr wohlwollend und sah in dem neuen Papst einen Verbündeten in seinem Anliegen.

Liest man die Gemeinsame Erklärung von Papst Franziskus und Patriarch Kirill vom 12. Februar 2016, so ist offenbar die Blickwendung von den trennenden theologischen Ausdrucksformen des kirchlichen Selbstverständnisses zur verbindenden Verantwortung für die Verkündigung des Evangeliums an die heutige Welt zum tragfähigen Konsens geworden. Im Zentrum der Erklärung steht die gemeinsame Sorge für die «menschliche Zivilisation» in einer Zeit «epochalen Wandels».

Trotz Kritik an der im «Säkularismus» transformierten säkularen Welt trägt die Begegnung selbst Züge des Säkularen

Trotz der Kritik an der in «Säkularismus» transformierten säkularen Welt trägt die Begegnung selbst Züge des Säkularen: Sie fand in einer Flughafen-Lounge statt, und eine Begegnung zwischen Staatschefs hätte keine wesentlich andere äussere Gestalt gehabt. Doch wurden hier nicht nur Höflichkeiten ausgetauscht, sondern es fand eine Begegnung unter «Brüdern» im Glauben statt, ja eine «Bischofskonferenz» von Hirten der Kirche Jesu Christi, die im Evangelium die Antwort für die brennenden Fragen der heutigen Welt sehen, gestützt auf die «gemeinsame geistliche Tradition». Ein starker Akzent des Textes liegt auf der Solidarität mit verfolgten Christen im Nahen Osten.

Zwei Pastoralreisen

Dem Inhalt der Erklärung entsprechend hat das Geschehen in seiner Ermöglichung und seinen Perspektiven einen «de-zentrierten» Charakter: Es fand nicht auf dem «kanonischen Territorium» der orthodoxen Welt und auch nicht in dem durch die Reformation geprägten Europa statt. Nicht kirchenpolitische Planung, sondern die Kreuzung der Wege von zwei Pastoralreisen gab den Ausschlag: Papst Franziskus besucht Mexiko und wird hier als «unpolitischer Politiker» wahrgenommen (Radio Vaticana, 15.2.).

Der kubanische Präsident Raúl Castro hatte wiederholt eine Einladung an Patriarch Kirill ausgesprochen, zu dessen Jurisdiktion 15’000 russische orthodoxe Gläubige auf Kuba gehören. Der sich anschliessende Besuch des Patriarchen in Paraguay und Brasilien gilt den Generationen, die aus Flüchtlingen der Revolution von 1917 hervorgingen. Die Orthodoxie ist längst kein Phänomen des geographischen Ostens mehr.

Zielsetzungen

In gewisser Weise folgt die Havanna-Begegnung aus der auf Schweizer Boden im Institut für orthodoxe Theologie in Chambésy bei Genf getroffenen Entscheidung, in der Einberufung des Panorthodoxen Konzils der innerorthodoxen Einheit den Vorrang zu geben vor den weiterhin bestehenden Spannungen.

Die Mitfreude des Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus am Treffen auf Kuba zeigt, dass die katholisch-orthodoxe Begegnung als Stärkung der dialogischen Präsenz der panorthodoxen Gemeinschaft wahrgenommen wird. Auch das rumänische Patriarchat, das gemeinsam mit Moskau etwa 90 Prozent der «griechischen» Orthodoxie und ihrer Lebenskraft umfasst, reagierte positiv und griff vor allem die Sorge um die christliche Familie in der Gemeinsamen Erklärung auf.

Atmosphäre der positiven Rezeption bringt Potential zur Fortsetzung des Weges mit sich

Positive Stimmen sind auch in der russischen Öffentlichkeit zu hören, für die der Akzent auf gesellschaftlich relevanten Fragen die Glaubwürdigkeit der Kirche stärkt. Die Kritik beschränkt sich auf traditionell anti-ökumenische Kreise und kommt im Übrigen aus «katholischen» ukrainischen Kreisen, die ihre anti-orthodoxe Abgrenzungspolitik durch Papst Franziskus infrage gestellt sehen.

Sprachliche Aufholarbeit nötig

Die Atmosphäre der positiven Rezeption des Ereignisses bringt das Potential zur Fortsetzung des begonnenen Weges mit sich. Ausdrücklich wurden weitere Begegnungen dieser Art anvisiert. Die Übersetzungen während des ersten Treffens waren eher schwach und spiegeln den Nachholbedarf an Kenntnis der «Sprache» und Ausdrucksformen des jeweils anderen.

Die Stilisierung eines tausendjährigen Verlustes der Gemeinschaft sieht über zahlreiche Zeugnisse der Communio wie über die jüngsten Früchte der Anerkennung der orthodoxen Kirchen als Schwesterkirchen im Gefolge des Zweiten Vatikanischen Konzils hinweg. Und neben den Einsatz für verfolgte Christen könnte die Solidarität mit Muslimen treten, die Opfer westlicher Interessenpolitik werden. (bh/as)

*Barbara Hallensleben ist Professorin der Dogmatik und Theologie der Ökumene an der Universität Freiburg und Konsultorin des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen.

*Augustin Sokolovski ist Forschungsassistent für Dogmatik und Theologie der Ökumene an derselben Universität und Diakon der Russisch-orthodoxen Kirche.

Die Zwischentitel wurden von der Redaktion gesetzt. (bh/as)

Papst Franziskus und Patriarch Kyrill I. Hier bei einem Treffen in Havanna, 2016. | © KNA
16. Februar 2016 | 11:59
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