Monika Hungerbühler: Worte aufhängen

03.12., Monika Hungerbühler, Basel

Zwei Jahre hielt das Tram an der Ersatz-Haltestelle direkt vor unserer Kirche. Das hat mich dazu bewogen, an unserem 50 Meter langen Zaun um den Pfarrhausgarten direkt neben dem Bankenplatz einen Wort-Adventskalender aufzuhängen. Alle Ein- und Aussteigenden laufen daran vorbei. Am ersten Advent hängen die laminierten Zahlen von 1 bis 24 und ein erstes Blatt mit folgendem Text: «Worte machen schön. Worte verletzten. Worte geben Hoffnung. Worte hellen auf. Worte zeigen Wege. 24 Worte für Dich im Advent.»

Bis zum Heilig Abend hänge ich jeden Morgen ein Wort unter das entsprechende Datum. Ich bin eine Wortsammlerin, seit Jahrzehnten: Gedichte, Sprüche, Zitate. Ich habe eine kleine Datei angelegt auf meinem Computer, habe von Hand geschriebene Spuchbüchlein, weiss, in welchen Büchern ich welche Zitate finde.

«Ich bin eine Wortsammlerin«

Monika Hungerbühler

Das Aufhängen dauert nicht lange – ich befestige das laminierte Blatt mit vier Schnürchen am Zaun – doch immer wieder werde ich angesprochen und die Leute danken mir. Ich sehe auch von meinem Bürofenster aus, dass manche Leute stehen bleiben und lesen.

Seit Kurzem ist die Tramhaltestelle wieder an ihrem alten Platz. Ich bin gespannt, ob mein Kalender auch Anderen Freude macht, nicht nur mir.

Monika Hungerbühler, katholische Theologin und Seelsorgerin, Leiterin der Offenen Kirche Elisabethen in Basel.