War Maria wirklich Jungfrau?

7 theologische Argumente – und die Frage, ob das tatsächlich wichtig ist.

War die Mutter von Jesus, Maria, tatsächlich eine Jungfrau? Ich habe eine Nachricht aus der Community erhalten, dass ich dazu mal was machen soll. Um die Frage etwas präziser zu stellen: Wurde Maria tatsächlich ohne sexuellen Kontakt schwanger mit Baby Jesus?

Im Sinne eines Puzzles sammle ich 7 theologische Bausteine zu dieser Frage.

1. JA, STEHT SO IN DER BIBEL…

Im Neuen Testament steht tatsächlich, dass Maria «vom Heiligen Geist schwanger wurde». (Matthäus 1,18.20 und Lukas 1,35)

Fun Fact, den ich beim Recherchieren gefunden habe: Der Heilige Geist ist im Hebräischen ein feminines Wort. Daher gab es offenbar schon früh Theologen, die argumentierten, dass Maria nicht vom Heiligen Geist schwanger geworden sein konnte, da zwei weibliche Wesen kein Kind zusammen bekommen könnten.

2. …ABER SCHEINT NICHT ZENTRAL ZU SEIN

In den vier Evangelien wird die Lebensgeschichte von Jesus von Nazareth erzählt. Doch in zweien der vier Texte beginnt die Geschichte von Jesus erst mit dem Erwachsenenalter. Seine Geburt und Kindheit spielen dort keine Rolle.

Auch im Rest des Neuen Testaments wird die Geschichte mit der Heilig-Geist-Zeugung nicht erwähnt, auch nicht bei Paulus, der ja nun gar keine Berührungsängste mit dem Thema Sexualität hatte.

3. JESUS WAR KEINE AUSNAHME

Auch antike Kaiser wurden manchmal als Söhne Gottes oder Söhne der Götter bezeichnet. In der Antike hiess es von einigen Männern, dass sie ohne Geschlechtsverkehr gezeugt worden seien. Zum Beispiel der Philosoph Platon oder Alexander der Grosse.

Wenn nun das Leben einer solchen Persönlichkeit bereits mit einem Wunder begann, war klar, dass dies ein aussergewöhnlicher Mensch war. Jemand wurde dadurch auch göttlich legitimiert. (Auch Buddha kam angeblich jungfräulich auf die Welt.)

Das wissenschaftliche Bibellexikon WiBiLex schreibt: «Im Vergleich mit den anderen antiken Erzählungen fällt die zurückhaltende Erzählweise bei Lukas auf. Konkretisierungen fehlen: Wichtig scheint die Tatsache göttlichen Wirkens, was genau passiert, bleibt unausgesprochen.»

4. EIN ÜBERSETZUNGSFEHLER?

Viele Menschen sagen, dass die Jungfrauengeschichte im Neuen Testament auf einen Übersetzungsfehler zurückzuführen ist. Ich drösle das mal kurz ein wenig auf.

Es geht um die Stelle Jesaja 7,14: «Eine Jungfrau/junge Frau wird schwanger…»

Das Wort, das dort im Hebräischen steht, kann beides bedeuten: Jungfrau im sexuellen Sinn, aber auch junge Frau im Bezug auf das Alter.

In der griechischen Übersetzung des Alten Testaments wird dann jedoch eindeutig von einer Jungfrau (im sexuellen Sinn) gesprochen. Diese Übersetzung ist 2-300 Jahre älter als das Neue Testament und gibt Aufschluss darüber, wie die Jesaja-Stelle damals verstanden wurde.

5. ERFÜLLUNG DER PROPHETIEN

Vor allem das Matthäus-Evangelium legt viel Wert darauf, zu zeigen, dass Jesus die Prophezeiungen über den Messias erfüllt, die im Alten Testament stehen. Das betrifft auch diejenige aus Jesaja 7,14.

Nochmals WiBiLex: «Das Zitat will nicht biologische Tatsachen erklären, sondern die Umstände der Geburt Jesu als göttlich gewirkt darstellen und die erzählte Geschichte damit in einen Kontinuitätszusammenhang mit der Geschichte Israels stellen.»

Dass dies aber nun bedeutet, dass Dinge erfunden oder zurechtgebogen wurden, scheint mir nicht plausibel – zu sehr bemühen sich die Evangelisten, das Leben von Jesus sorgfältig wiederzugeben.

6. WUNDER SIND IN DER BIBEL AN DER TAGESORDNUNG

Wunder, die unsere biologischen und physikalischen Kenntnissen sprengen, sind in der Bibel nichts Ungewöhnliches. Zum Beispiel wurden Sara und Abraham Eltern, als sie schon sehr alt waren. Oder auch Elisabeth, die mit Maria verwandt war.

Blinde Menschen können sehen, Tote werden wieder auferweckt, und so weiter. Im biblischen Verständnis der Welt wäre es also nicht annähernd so absurd wie in der Naturwissenschaft, dass jemand jungfräulich schwanger wird.

7. WARUM MUSSTE MARIA JUNGFRAU SEIN?

Das ist eine zentrale Frage. Warum war es wichtig, dass Maria Jesus ohne Geschlechtsverkehr empfangen hatte?

Einerseits zum wörtlichen Verständnis der Auffassung, dass Jesus das Kind Gottes war. Im menschlichen Konzept von Familie gesprochen. Dann müsste Gott als Vater einen Teil der DNA liefern, und das wird quasi durch den Heiligen Geist gelöst.

Hier spielt aber andererseits auch mit hinein, dass Sexualität – vor allem von Frauen – im Christentum lange Zeit als etwas Unreines betrachtet wurde.

Daher entstand zum Beispiel die Legende, dass Maria ewig Jungfrau blieb, dass also die Geschwister Jesu, die in der Bibel vorkommen, nur seine Stiefgeschwister waren. Oder dass Marias Mutter sie ebenfalls ohne sexuelle Zeugung empfangen hatte.

Das hat nichts direkt mit der Menschwerdung Gottes in Jesus zu tun, sondern damit, dass man Maria auf den jungfräulichen Sockel stellen wollte, weil dies das Ideal einer Frau war. Das finde ich persönlich problematisch.

EIN FAZIT

Soweit erst einmal eine Einordnung. Was ihr davon haltet, überlasse ich euch. Ein kurzes Fazit dennoch:

Aus einem biologischen Welt-Verständnis heraus ist es nicht möglich, dass Maria als Jungfrau mit Jesus schwanger wurde. Aber vom biologischen Weltverständnis aus gesehen müsste grundsätzlich jedes biblische Wunder abgelehnt werden. (Viele Vertreter:innen einer liberalen Theologie tun dies auch.)

Mir erscheint es nicht entscheidend, wie es sich mit der Zeugung von Jesus verhielt. Im Neuen Testament ist es kein häufig diskutiertes Thema, nicht einmal in den Evangelien. Man kann auch glauben, dass Gott in Jesus Mensch geworden ist, ohne dass man diese Frage konkret beantworten kann.

Es ist entscheidender, dass Gott in Jesus Mensch wurde – also dass er überhaupt als Baby einer Mutter auf die Welt gekommen ist, dass er wusste, wie es sich anfühlt, Mensch zu sein, mit all den Höhen und Tiefen, die dazu gehören.

Was denkst du dazu? Was überzeugt dich? Oder ist es dir egal? Schreib gerne einen Kommentar.

RefLab
30. Januar 2024 | 11:13