Städte, Gemeinden und weite Teile der Zivilgesellschaft wollen und können geflüchtete Menschen aufnehmen. Wann endlich handelt der Bund?

Medienmitteilung

Die Situation für geflüchtete Menschen in Griechenland ist nach wie vor miserabel. An einer Medienkonferenz forderten Städte, Gemeinden, Kirchenvertreter*innen und Stimmen aus der Zivilgesellschaft den Bund geeint dazu auf, endlich auf ihre Unterstützungsangebote einzugehen und zu handeln.

Ein Statement zog sich durch alle Redebeiträge: Die Schweiz kann und muss mehr tun! Bereits vor einem Jahr forderten 132 Organisationen und über 50’000 Menschen den Bund mit dem Osterappell von #evakuierenJETZT dazu auf, die griechischen Flüchtlingslager zu evakuieren. Seitdem haben sich die Zustände für die geflüchteten Menschen durch den weltweiten Ausbruch der Pandemie und vor allem durch die Brandkatastrophe, die am 9. September 2020 das Lager Moria vollständig zerstört hat, noch einmal massiv verschlechtert.

Die offizielle Schweiz wiederholt seither gebetsmühlenartig, dass sie durch Hilfe vor Ort die Zustände für die Menschen verbessern will. Fabian Bracher, Mitglied der Kampagne #evakuierenJETZT, lebt und arbeitet auf der Insel Lesvos und stellt klar, dass diese Zusage bis anhin nicht eingelöst wurde: «Heute leben die Menschen in einem neuen Lager, das auf einem alten Schiessplatz eingerichtet wurde. Der Boden ist durch Blei vergi_et und birgt erhebliche Gesundheitsgefahren.» Es gibt keinen Wasseranschluss zum Camp und keine adäquate Stromversorgung. «Vulnerable Personen, chronisch Kranke, körperlich Beeinträchtigte und krebskranke Menschen leben in den UNHCR-Zelten auf kaltem Boden. In Moria 2.0 werden Zukünfte, es werden Menschen zerstört», so Fabian Bracher.

Angebote ungehört verhallt

Besorgt über die Zustände in den griechischen Lagern haben auch verschiedenste Schweizer Städte reagiert: Sie haben sich bereits im Frühsommer 2020 in der Allianz «Städte und Gemeinden für die Aufnahme von Flüchtlingen» zusammengeschlossen. Die aktuell 16 beteiligten Städte und Gemeinden wollen, dass die Schweiz mehr geflüchtete Menschen aufnimmt, und sind bereit, diese zusätzlichen Menschen bei sich zu beherbergen. Zudem haben sich rund zwanzig kleinere Gemeinden unabhängig von der Allianz bereit erklärt, Geflüchtete aufzunehmen.

Mehrmals seien die aufnahmewilligen Städte der Allianz schon beim Bund vorstellig geworden, sagt Thierry Steiert, Stadtammann von Fribourg. Aber die Angebote seien «stets ungehört verhallt». Dass die Asylpolitik in der Zuständigkeit des Bundes liege, sei sich die Allianz bewusst, so die Berner Gemeinderätin Franziska Teuscher. Doch: «Die Städte wollen zusammen mit dem Bund pragmatische Wege finden, wie eine zusätzliche Aufnahme von Flüchtlingen und eine entsprechende Verteilung dieser Menschen auf die aufnahmebereiten Städte und Gemeinden umgesetzt werden kann. Dies zur Linderung kurzfristiger Not, aber auch als Bestandteil einer längerfristigen Weiterentwicklung der humanitären Tradition unseres Landes.» Raphael Golta ortet primär einen fehlenden politischen Willen auf Bundesebene. Für den Sozialvorsteher der Stadt Zürich ist klar: «Wenn die Hilfe vor Ort an ihre Grenzen stösst, müssen wir die Betroffenen in unserem Land aufnehmen.» Es sei zwar richtig, dass die Schweiz nicht sämtliche Not auf den weltweiten Fluchtrouten im Alleingang lindern könne. «Aber wir können wesentlich mehr tun, als das heute der Fall ist.»

Die Kirchen stehen parat

Unterstützung würde der Bund auch von kirchlicher Seite erhalten. Franziska Driessen- Reding, Synodalratspräsidentin der Katholischen Kirche im Kanton Zürich, sagt: «Die Aufnahme von Menschen auf der Flucht gehört zur DNA der christlichen Kirchen, quasi zum Grundauftrag. Als Christinnen und Christen haben wir Flüchtenden beizustehen, ohne vorher abzuklären, woher sie kommen und ob sie ›berechtigte’ Gründe für ihre Flucht angeben können.» Die katholische Kirche im Kanton Zürich sei bereit, ihren Beitrag zu leisten. «Der Kanton weiss, dass wir zur Verfügung stehen. Es liegt am Bund, endlich ein Zeichen der Humanität zu setzen. Wir werden als Kirchen parat sein.» Schliesslich melden sich auch die Frauenstreikkollektive zu Wort. Im Bewusstsein, dass besonders verletzliche Personen in den griechischen Flüchtlingslagern «massiver psychischer, physischer und sexueller Bedrohung und Gewalt» ausgesetzt sind, würden die Kollektive die Forderungen von #evakuierenJETZT klar unterstützen.

Hinhaltetaktik muss ein Ende haben

Das Kampagnenteam von #evakuierenJETZT ist enttäuscht über die passive Haltung des Bundes. Man habe nebst Forderungen eine Vielzahl an Lösungen ans Staatssekretariat für Migration und den Bundesrat geschickt. «Evakuierungsflüge, zivile Unterkünfte und die Bereitschaft_ vieler Schweizer Städte und Gemeinden zur Aufnahme von Geflüchteten sind nur einige Beispiele davon», sagt Janine Bleuler. Für sie ist klar: «Diese Hinhaltetaktik des Bundes muss ein Ende haben!» Und Fabian Bracher ergänzt: «Es braucht eine Neuausrichtung der Europäischen Migrationspolitik. Eine Politik, bei der Solidarität, Menschlichkeit und die unbedingte Einhaltung der Menschenrechte im Fokus liegen.» Die Solidarität der Städte und Gemeinden sei dabei ein zentrales Mittel, um Veränderung zu bewirken.

evakuieren-jetzt.ch
29. März 2021 | 09:30