Rückblick unserer Gruppe auf das Treffen mit Bischof und Generalvikar

Am 19. Juni hat das Gespräch mit Felix Gmür und Markus Thüring stattgefunden, zu dem unsere Gruppe eingeladen worden war. Seither sind drei Monate vergangen und wir haben uns am 16. September getroffen und darüber ausgetauscht, was für uns das Gespräch mit den beiden Kirchenmännern bedeutet (hat).

Wir hatten den Eindruck, dass das Treffen eher ein Pflichttermin für Bischof und Generalvikar war – freundlich zuhörend und doch distanziert. Als Gruppe waren wir uns einig in dem, was wir mit dem Gespräch im Eigentlichen wollten: die beiden Kirchenvertreter als Bundesgenossen für einen gemeinsamen Weg hin zu konkreten erfahrbaren Veränderungen um des Evangeliums Willen zu gewinnen.

Heute spüren wir noch deutlicher, dass wir nicht Seite an Seite stehen, um durch alle Kirchenskandale hindurch den Dienst und die Freude am Evangelium ganz neu zu gestalten. Es fühlt sich für uns eher so an, dass das Gespräch umsonst war.

Natürlich begrüssen wir die neue Sprachregelung bzgl. Berufsbezeichnungen – nicht länger Assistent*innen, sondern Seelsorger*innen. Auch, dass wir eingeladen sind, bei einer angedachten Weiterbildung in Sachen Geschlechtergerechtigkeit mitzudenken. Wir haben unsere Bereitschaft zur Mitarbeit klar bekundet, auch für die von der Bischofskonferenz angekündigte Arbeitsgruppe, weil uns unsere Forderungen wichtige Anliegen sind und es bleiben werden. Denn auch trotz sehr ernüchternder Gesprächsbilanz halten wir an den formulierten Forderungen fest. Wir haben es satt, dass sich nichts grundlegend ändert bzw. mit dem x-fach verbal-bekundeten Willen der Kirchenverantwortlichen zu Veränderungen schlicht nicht ernst gemacht wird. Und wir empfinden Zorn darüber, dass sie es vorziehen, ungerechte Strukturen immer neu theologisch zu rechtfertigen und in irgendeine Zukunft hinüberretten zu wollen, statt sich einzugestehen, wie belanglos wir als Kirche für die Menschen geworden sind und endlich radikale Veränderungsschritte zu wagen.

Neben dem jahrelangen Engagement vieler Reform-Bewegungen, untermauern auch Theologieprofessoren wie etwa Daniel Bogner und Michael Seewald oder der Soziologe Frederic Martell den dringend notwendigen Kurswechsel auf eindringliche Weise, wie das die Befreiungstheologie und die feministische Theologie schon vor Jahrzehnten getan haben. Aber auch Resignation macht sich in uns breit – wir alle machen uns schon so lange, gemeinsam mit ungezählten anderen, für Reformen in unserer Kirche stark; einige von uns auch sehr motiviert von Vatikanum II. Und immer mal wieder wird auch die Frage in uns laut, ob diese Kirche überhaupt noch reformierbar ist und es nicht viel eher an der Zeit wäre, sie ganz sterben zu lassen als noch jahrelang zu versuchen, sie zu reanimieren.

Wir haben als Theolog*innen, als Seelsorgende, als Priester, Bischöfe, Kardinäle und Päpste viel zu sehr verinnerlicht und uns irgendwo auch damit abgefunden oder doch damit arrangiert, wovon wir uns – im Blick auf die Menschen und auf die Vision vom Reich Gottes – schon längst hätten befreien müssen.

Aber Zorn und Resignation sind nicht die einzigen Gefühle in uns. «Vielleicht ist irgendwo Tag», hat Fridolin Stier in Betracht gezogen. Auch solche Vielleicht-Hoffnung atmet in uns, bestärkt auch durch die Worte der Schrift: «Zur Freiheit hat uns Christus befreit, steht also aufrecht und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen! (…) Hört, was ich, Paulus, euch sage. Wir erwarten die erhoffte Gerechtigkeit durch die Geistkraft und aufgrund des Glaubens. Denn in Christus kommt es darauf an, den Glauben zu haben, der durch die Liebe wirksam wird.» (aus Gal 5)

So wanken wir zwischen Hoffnung, Resignation, Zorn und mutigem Vorwärtsgehen und spüren dabei, dass wir eine zweite Alphabetisierung notwendig haben, eine neue, ganz und gar ehrlich-persönliche Sprache für das, was uns zornig macht, woran wir leiden, worauf wir hoffen, was und wem wir glauben.

Wir sind nicht allmächtig, und wir sind nicht ohnmächtig. Darum wollen wir dranbleiben, als Fragende und Suchende und noch Nicht-Aufgebende. Wir werden weiter, wie wir das mit unseren 20 Forderungen getan haben, unsere Vorstellungen von Anderskirche aussprechen, unabhängig davon, ob sie gehört werden, weil wir nur so den Traum vom Anderen, vom Neuen, in uns wach behalten können. Und wir werden uns gegenseitig weiter darin bestärken, dass unsere erste und eigentliche Berufung jene zur Freiheit der Töchter und Söhne Gottes ist, die – verbunden mit ungezählt anderen – eine Welt und eine Kirche der erhofften Gerechtigkeit erwarten und erwirken.

Marie-Theres Beeler, Angela Büchel Sladkovic, Nico Derksen, Monika Hungerbühler, Jacqueline Keune, Elke Kreiselmeyer, Felix Senn

September 2019

Gastbeitrag
23. September 2019 | 16:14