Imam Rehan Neziri unterrichtet muslimische Schüler der vierten Klasse im Wehrli-Schulhaus in Kreuzlingen.

Religionsunterricht für muslimische Kinder in Romanshorn

Medienmitteilung

Start eines dreijährigen Projektes nach den Sommerferien

Nach guten Erfahrungen in Kreuzlingen startet im August das breit abgestützte Projekt des Religionsunterrichts für muslimische Kinder. Es beginnt mit der vierten Klasse und endet mit der sechsten. In ein bis zwei Romanshorner Schulhäusern soll muslimischen Kindern während drei Jahren eine Wochenlektion Religionsunterricht erteilt werden. Dabei werden zentrale Inhalte des islamischen Glaubens vermittelt. Der Religionsunterricht entspricht dem vertrauten christlichen Religionsunterricht, wie er im Thurgau von den Landeskirchen erteilt wird. Der Unterricht ist freiwillig. Im Juni werden muslimische Eltern eingeladen, ihre Kinder anzumelden. Beteiligt am Projekt sind die Primarschule, die Stadt (Fachstelle Gesellschaft), Vertreter der Moscheegemeinschaften im Oberthurgau und die christlichen Kirchgemeinden vor Ort.

Im Sommer vor 12 Jahren startete der Religionsunterricht für muslimische Schulkinder in Kreuzlingen. Nachdem das Projekt zuerst teilweise auf Unverständnis gestossen war, fand es in der Öffentlichkeit sowie in Fachkreisen zunehmend Anerkennung als wichtigen Integrationsschritt. Schulbehörde und Lehrpersonen in Kreuzlingen erlebten das Projekt ebenso positiv wie die muslimischen Eltern und Schulkinder.

Aufgrund der guten Erfahrungen in Kreuzlingen startet jetzt auch ein Projekt in Romanshorn. Unter der Leitung des Präsidenten des interreligiösen Arbeitskreises im Kanton Thurgau (IATG, www.thurgau-interreligioes.ch), Matthias Loretan, beteiligten sich die Primarschulbehörde, die Stadt (Fachstelle Gesellschaft), die Moscheegemeinschaften im Oberthurgau und die christlichen Kirchgemeinden vor Ort am Projekt. Mit der Gründung des Vereins Islamischer Unterricht in Romanshorn (viur) am 11. März 2022 fand die dreijährige Vorbereitung ihren Abschluss. Der Verein ist für die Durchführung und Finanzierung zuständig. Er vertritt paritätisch die albanische sowie die türkische Moscheegemeinde der Region sowie die Eltern der zu unterrichtenden Kinder.

Die Schulbehörde hat das Projekt zustimmend zur Kenntnis genommen und unterstützt seine Realisierung. Im operativen Bereich stellt die Schulgemeinde die Räumlichkeiten unentgeltlich zur Verfügung. Die christlichen Religionsgemeinschaften sind zuständig für die Koordination des islamischen Unterrichts mit dem Stundenplan der Landeskirchen. Eine gewisse Herausforderung stellt die Bereitstellung der entsprechenden Räume dar.

Der islamische Religionsunterricht (IRU) beginnt mit der 4. Klasse in einem oder zwei Schulhäusern. Im zweiten und dritten Jahr der dreijährigen Pilotphase rückt der IRU eine Schulstufe weiter, so dass im Vollbetrieb je zwei Klassen auf den Schulstufen 4 bis 6 den IRU besuchen. Am Ende der dreijährigen Projektphase dürften insgesamt rund 50 Kinder den islamischen Unterricht besucht haben.

Die Unterrichtssprache ist Hochdeutsch. Den Unterricht im ersten Schuljahr erteilen Muhammed Karasoy, Imam der türkischen Moscheegemeinde in Bürglen, und Sümeyra Karasoy, Religionsbeauftragte für die türkischen Moscheen im Thurgau. Für die folgenden Jahre stehen weitere fachlich und didaktisch ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung (vgl. Projektbeschreibung, S. 9).

Aus Loyalität zu den Aufgaben der Schule hält sich der Trägerverein an Selbstverpflichtungen:

  1. Respektieren des rechtsstaatlichen Rahmens (Werte wie Religionsfreiheit und religiöser Frieden) sowie der Aufgaben der öffentlichen Schule
  2. Entwickeln eines Lehrplanes, Verwendung von approbierten Lehrmitteln
  3. Fachliche, didaktische und pädagogische Kompetenz der Lehrperson
  4. Unterrichtssprache Deutsch
  5. Rechenschaftspflicht des Trägervereins (Transparenz in Bezug auf Organisation und Finanzierung)

Während der dreijährigen Pilotphase sind vorgesehen: eine kontinuierliche Begleitung der Lehrpersonen sowie eine jährliche Projektevaluation durch Mark Keller, einen ehemaligen Dozenten der Pädagogischen Hochschule Thurgau.

Wie in Kreuzlingen finanziert sich der IRU durch Elternbeiträge, Beiträge der Moscheegemeinden und Förderbeiträge Dritter. In Aussicht stehen auch mögliche Beiträge des Bundesamtes für Polizei (fedpol) für Massnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus.

Der Interreligiöse Arbeitskreis im Kanton Thurgau (IARG) als ein Initiant des Projektes hat sich zum Ziel gesetzt, die örtlichen Initiativen miteinander zu vernetzen und auf kantonaler Ebene nachhaltige Lösungen anzustreben. Die öffentliche Anerkennung des Islams sowie die rechtliche Regelung des islamischen Religionsunterrichts im Thurgau sind dabei längerfristige Ziele. Bis es so weit ist, soll ein pragmatischer Weg verfolgt werden. Mit Projekten wie dem islamischen Unterricht an öffentlichen Schulen sollen Lernfelder geschaffen werden, in denen sich Beziehungen und gegenseitiges Vertrauen bilden können. Die Projektbeschreibung für den Islamischen Unterricht in Romanshorn ist deshalb so konzipiert, dass sie ohne grossen Aufwand an anderen Orten im Thurgau übernommen und weiterentwickelt werden kann, an denen Schulkinder aus muslimischen Familien einen bestimmten Anteil von etwa 20 Prozent ausmachen. Das Kreuzlinger-/Romanshorner-Modell knüpft dabei an den rechtlichen Rahmen an, nach welchem der christliche Religionsunterricht im Thurgau institutionalisiert ist. Entsprechend organisiert sich das Kreuzlinger-/Romanshorner-Modell nach dem Konzept des bekenntnisorientierten Religionsunterrichts. Die Trägervereine konstituieren sich vorläufig als private Körperschaften. Auf Seite 10ff der Projektbeschreibung werden verschiedene Stimmen zusammengetragen, welche zum Projekt in Romanshorn Stellung beziehen. Sie zeugen von einer breiten Akzeptanz und einem Wohlwollen gegenüber dem Projekt.

Imam Rehan Neziri unterrichtet muslimische Schüler der vierten Klasse im Wehrli-Schulhaus in Kreuzlingen. | © zVg
Interreligiöser Arbeitskreis im Kanton Thurgau
17. Mai 2022 | 07:58