Predigt von Bischof Joseph Maria Bonnemain: Domherreninstallation

Liebe Kapitulare, liebe Mitbrüder, Liebe Schwestern und Brüder

Zuerst möchte ich dem Dekan des Domkapitels, Daniel Krieg, und den vier neuen Domherren, Gregor Barmet, Ernst Fuchs, Matthias Horat und Josef Zwyssig, die in dieser Eucharistiefeier installiert werden, für Ihre Bereitschaft, diesen zusätzlichen Dienst zu übernehmen, ganz herzlich danken. Zugleich danke ich allen Domherren herzlich, welche das Domkapitel als Beratungsorgan des Diözesanbischofs bilden.

Mit den Seligpreisungen (Mt 5,1-12a) hat uns der Herr erklärt, wie uns das Himmelreich gehören kann, wie wir Trost und Erbarmen finden, Erben des Landes werden, Gerechtigkeit erleben und Kinder Gottes werden können. Es handelt sich also um ein grosses Versprechen von Glück, Lebensfülle und Freude. Die Seligpreisungen konkretisieren, im Lichte der Frohbotschaft Christi, wie wir die zehn Gebote umsetzten können. Es geht dabei nicht um Handlungs- und Lebenseinschränkungen, sondern vielmehr um die Antwort auf die Frage, wie das Leben schlechthin, das Leben in Fülle, erreicht werden kann. Christus bietet uns ein alternatives Leben an. Es geht um die Weisheit Christi, welche, wie es im ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth heisst: «Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung» (1 Kor 1,30) bringt.

Aus dem Buch Zefanja haben wir vom «Rest von Israel» (Zef 3,13) gehört, von den Menschen, die Gerechtigkeit und Demut suchen. Die Einladung Christi, weitet diesen Ruf auf alle aus. Das neue Volk Gottes ist das Volk, das aus den Seligpreisungen lebt. Dort haben Kleine und Grosse, Alte und Junge, Kinder und Betagte, Domherren, Bettler, Zweifler und Bischöfe Platz. In den Seligpreisungen finden wir uns alle wieder, die wir gemeinsam auf demselben Weg zum Ziel unterwegs sind.

Unsere Kirche befindet sich mitten im Synodalen Prozess. Die Synodalität ist nichts anderes, als gemeinsam unterwegs zu sein und zwar in dieselbe Richtung. Man könnte sagen, dass die Seligpreisungen uns als wirksamer Kompass dienen, um diese Richtung beizubehalten und das Ziel, das letztlich angestrebt wird, zu erreichen. Die Seligpreisungen sind jedoch sehr geerdet; es sind keine Ausflüchte in unrealistische Theorien. Im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben «gaudete et exsultate» erklärt Papst Franziskus die Seligpreisungen ausführlich und bringt sie mit den Werken der Barmherzigkeit in Verbindung. Ich empfehle allen eine vertiefte Lektüre dieses Dokumentes. Darin führt der Papst folgendes aus:

«Im Kapitel 25 des Matthäusevangeliums (Verse 31-46) verweilt Jesus erneut bei einer dieser Seligpreisungen, nämlich bei der, welche die Barmherzigen selig nennt. Wenn wir die Heiligkeit suchen, die in Gottes Augen gefällt, dann entdecken wir gerade in diesem Text einen Massstab, nach dem wir geurteilt werden: »Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen« (25,35-36).» (GE 95)

Im Grunde haben alle Seligpreisungen mit der Barmherzigkeit Gottes zu tun, sie ermöglichen uns, ein offenes Herz für Gott und die Menschen zu haben. Erst ein Leben gemäss den Seligpreisungen, das uns dazu führt, diakonisch zu wirken, bekommt jene Anziehungskraft, die erforderlich ist, um das Evangelium glaubwürdig zu verkünden. In den letzten Wochen sprach der Papst wiederholt von der «Leidenschaft für die Evangelisierung», von «apostolischem Eifer» und von «Mission». Dieses Handeln – gelebt im Lichte der Seligpreisungen – schützt uns vor jeglichem Aufdrängen, Indoktrinieren und Vereinnahmen. Es befähigt uns vielmehr dazu, weiterzugeben, was den Menschen wirklich selig und glücklich macht und mit Lebensfreude erfüllt. 

Liebe Kanoniker unserer Churer Kathedrale, bald werden wir beginnen, den Synodalen Prozess auf Bistumsebene umzusetzen. Dieser sollte, nach meiner Überzeugung, zu einer eigentlich diakonischen Grundausrichtung der gesamten Diözese führen. Deshalb müssen wir vor allem jenen Stimmen Gehör schenken, die im Matthäusevangelium, Kapitel 25, aufgezählt wurden. Nicht zuletzt dadurch wird das Evangelium eine gelebte Frohbotschaft. Im Synodalen Prozess brauchen wir die Stimme der Obdachlosen, der Flüchtlinge, der Migranten, der Nackten, der Hungrigen und Durstigen, der Kranken, der Gefangenen und all jenen, die üblicherweise keine Stimme haben.

Zwischen Herbst 2023 und Herbst 2024 wird in der Weltkirche eine weitere Etappe des Synodalen Prozesses stattfinden. Wir im Bischofsrat überlegen uns deswegen, ob wir für das Jahr 2024 ein diözesanes Erneuerungsjahr ausrufen. Es geht darum, während eines Jahres unser christliches und kirchliches Leben zu intensivieren, indem wir uns auf diese drei eng miteinander verbundenen Dimensionen fokussieren: Synodalität, Diakonie und Evangelisierung. Ich zähle ebenfalls auf das Domkapitel, um uns zusammen zu beraten, wie dieses Projekt konkretisiert werden könnte. Ich hoffe, dass wir uns anlässlich des nächsten Generalkapitels darüber austauschen werden.

Und ich lade schon jetzt euch alle, die ihr heute Abend mitfeiert sowie alle Gläubigen ein, dieses Anliegen mitzutragen und es in euren Gebeten einzuschliessen. Dafür danke ich allen von Herzen. Amen.

Bistum Chur
29. Januar 2023 | 20:09