Ohne Konsumzwang

Mit der Eröffnung des Restaurants «Dock8» entsteht in der neuen Siedlung Holliger in Bern ein Begegnungsort mit soziokulturellen Angeboten für ein ganzes Quartier. Beratungsdienstleistungen, Wohnbegleitungen und Nachhaltigkeitsthemen bilden Kernelemente dieses neuen Gastronomiebetriebs ohne Konsumationszwang. Unterstützt wird das Projekt auch von den Kirchen.

Von Antonio Suárez

Am 17. Februar wurde «Dock8» in der Siedlung Holliger offiziell eröffnet. Das Lokal befindet sich im Haus «Holliger 8», das der Warmbächli-Genossenschaft gehört. Es ist nicht nur eine Beiz, sondern gleichzeitig auch Beratungsstelle und Kulturbetrieb. Die Besonderheit dieses «inklusiven» Gastrobetriebs ist die Bewirtung von sozial benachteiligten Menschen. Die verbilligten Angebote des «Solimenus» und des «Kafi Surprise» werden durch spendable Gäste quersubventioniert.

Stadtregierung zeigt sich begeistert

Mit Franziska Teuscher (Grüne), Direktorin für Bildung, Soziales und Sport, und Michael Aebersold (SP), Vorsteher der Direktion für Finanzen, Personal und Informatik, waren zwei Mitglieder der Stadtregierung zur Eröffnung eingeladen. Gastgeberin des Einweihungsapéros war Karin Hofmann, Geschäftsleiterin von Wohnenbern. Der Verein hatte bereits zuvor während sechs Jahren das Vorgängerlokal «Restaurant44» betrieben.

Gemeinderätin Teuscher betonte in ihrer Rede, wie wichtig das Betreuungsangebot für Menschen in prekären Lebensverhältnissen sei. «Die Pandemie hat das Thema Armut sichtbar gemacht», sagte sie. Gemeinderat Aebersold gab seinerseits der Zuversicht Ausdruck, dass sich das neue Lokal zu einer «Drehscheibe für Sozialarbeit» und zu einem «Begegnungsort für die Siedlung und das Quartier» entwickle. Hofmann verwies auf die Bedeutung der Kirchen. Die evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Frieden sei bereits seit vielen Jahren im Quartier mit ihrer Migrations- und Sozialarbeit verankert, sagte sie. Und die katholische Kirche werde mit dem «Nachhaltigkeitshub» ein Veranstaltungsangebot auf die Beine stellen.

Katholik:innen zahlen 100’000 Franken

Als Trägerorganisation hat die katholische Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung insgesamt 100’000 Franken in Form eines Kredits beigesteuert. Involviert sind namentlich Karl Martin Wyss, Präsident des Kleinen Kirchenrats, sowie Andrea Meier, Leiterin der Fachstelle Kind und Jugend, die von Anbeginn Teil des Projektleitungsteams war und selbst seit kurzem im Neubau wohnt. «Die Siedlung Holliger übernimmt einen sehr starken Part in der Wohnbaupolitik der Stadt Bern, die in Holligen einen Entwicklungsschwerpunkt hat.» Dadurch komme es zu einer enormen Umwälzung, folgert Meier. Denn das Quartier sei einerseits stark geprägt von Migration, andererseits aber auch von einem Generationenwechsel. Die Aufgabe der Kirche sieht Meier nicht darin, «eine Insel der Seligen» zu erschaffen, «sondern etwas zu machen, was in die Stadt hinausstrahlt».

Das Engagement der Kirche hat viel mit ihrem Kampf gegen Armut zu tun. «Auch ohne Pandemie ist Armut eine Realität für viele Menschen. Das Problem ist, dass sie für uns oft nicht sichtbar ist», kontextualisiert Wyss. «Mit den Sozialdiensten, aber auch mit der Hilfskasse für Menschen in Not engagieren wir uns als Kirche sehr vielfältig. Die Kirche ist in der Armutsbekämpfung sehr präsent», verdeutlicht Meier. Seit 1. Januar beschäftigt die katholische Kirchgemeinde eine Fachstellenmitarbeiterin im Teilpensum. Ihre Anstellung ist vorerst auf drei Jahre befristet. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, ein Kurs- und Veranstaltungsprogramm zu entwickeln.

Schwerpunktthema Nachhaltigkeit

Nebst grösseren Anlässen soll es auch viele kleinere Events mit Workshop- oder Bildungscharakter geben. Entstehen soll das Programm in enger Zusammenarbeit mit den Bewohner:innen der Siedlung und des Quartiers. Nebst Migration und Jugend soll Nachhaltigkeit das Schwerpunktthema bilden, bestätigt Wyss. Nachhaltigkeit sei nichts Neues für die Kirche, betont er. «Die Schöpfung war rein pastoral schon immer ein Thema. Draussen in der Welt, abseits der Kirche, bedeutet Schöpfung Nachhaltigkeit. In diesem Sinne greifen wir kein Trendthema auf. Vielmehr gehört es zur DNA der Kirche, sich um die Ressourcen der Welt, um die Menschen und das Zusammenleben und letztlich auch um den Planeten zu kümmern. Diesen Gedanken wollen wir hier abbilden.»

Alle einbeziehen

Solidarität und Inklusion spielen bei diesem Projekt ebenfalls eine zentrale Rolle. «Allein durch unser Engagement bei diesem Ausbau zeigen wir uns bereits solidarisch», bekräftigt Meier. Für die Fachstellenleiterin bedeutet Inklusion, dass alle Menschen gleichberechtigt und auf Augenhöhe miteinander diskutieren können. Für Wyss erfüllt Inklusion auch eine Brückenbaufunktion zwischen Kulturen und Gesellschaftsschichten. Die Seelsorge spielt bei «Dock8» hingegen eine untergeordnete Rolle. Dafür seien die Pfarreien da, sagt Meier. Holligen befinde sich im Pfarreigebiet der Dreifaltigkeit. Hier entstehe kein Ort der Liturgie oder Seelsorge, unterstreicht sie. Vielmehr werde es ein Standort für die Koinonia, also für die gemeinschaftsbildende Funktion der Kirche, sowie für die Diakonia, die Wohlfahrtspflege. Diese beiden Aspekte stünden im Fokus.

Pfarrblatt Bern
19. Februar 2022 | 16:02