Offener Brief zum Verhaltenskodex zum Umgang mit Macht des Bistums Chur

Sehr geehrter Herr Bischof

Anlässlich der Sitzung des Grossen Kirchenrates der Stadt Luzern vom 22. Mai 2019 hatten Ratsmitglieder Gelegenheit, ihrer Betroffenheit über die Missbrauchskandale in der Katholischen Kirche Worte zu verleihen. Es war sehr bewegend, wie damals auch ein konkreter Fall geschildert wurde. In einem Brief an Bischof Felix Gmür zu Handen der Bischofskonferenz haben wir damals der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass der Reform­prozess in der Katholischen Kirche zielstrebig und transparent vorangetrieben wird.

Auf Anregung der Fraktion St. Maria – St. Paul des Grossen Kirchenrates schreiben wir heute diesen Offenen Brief an Sie und zur Kenntnis an die Medien.

Die Information, dass Sie im Bistum Chur nun einen verbindlichen Verhaltenskodex zum Umgang mit Macht erarbeitet und in Kraft gesetzt haben, haben Mitglieder des Grossen Kirchenrates der Stadt Luzern und sehr viele Menschen als notwendiges und ermutigen­des Zeichen wahrgenommen. Für die von Machtmissbrauch Betroffenen, aber auch und gerade für die Katholische Kirche selbst ist es eine wichtige Botschaft, dass solches Fehl­verhalten in der Kirche nicht mehr toleriert wird und eine Bereitschaft zum Wandel besteht.

Die Katholische Kirche Stadt Luzern hat schon seit einigen Jahren eine Selbstverpflich­tung zum Thema sexuelle Übergriffe und führt regelmässig Weiterbildungen dazu durch. Auch die Katholische Kirche im Kanton Luzern beschäftigt sich in ähnlicher Form mit dem Thema «Nähe und Distanz». Die Erfahrungen sind gut, die Sensibilisierung aller für die Katholi­sche Kirche Tätigen ist selbstverständlicher Teil des kirchlichen Lebens.

Wir begrüssen das Bestreben, mit einer erweiterten Prävention von spirituellem Miss­brauch und sexueller Ausbeutung, die der Churer Kodex zum Ziel hat, eine, angstfreie Kirche zu ermöglichen, in der alle vertrauensvoll ihren Glauben leben können. Die sexuel­le Orientierung hat nichts mit dem Glauben an Gott zu tun. Die Frohe Botschaft des Christentums ist ja gerade, dass auch Menschen, die nicht der Norm entsprechen, als Gottsuchende und -vertrauende angenommen sind. Wenn wir hören und lesen, wie Jesus gewirkt hat, dann ist das für uns der Weg, den wir mitgehen möchten, auch wenn der Weg oft steinig, nicht immer geradlinig und auch mit eigenen, inneren Hürden gesäumt ist.

Wir danken Ihnen für Ihr Engagement und wünschen Ihnen selbst das Vertrauen, Ihre Mitmenschen, die Mitarbeitenden des Bistums Chur und die Gläubigen hin zu einer gemeinschaftlichen Kirche ohne Machtmissbrauch führen zu können!

Freundliche Grüsse

Markus Trüeb, Mitglied des Grossen Kirchenrats  

Mariette Zurbriggen, Mitglied des Grossen Kirchenrats

Gastbeitrag
20. Mai 2022 | 22:25