Mit «Jesus Christ» zum Superstar?

In der Rolle der Maria Magdalena in «Jesus Christ Superstar» präsentiert sich die 30-jährige Schweizer Sängerin Yasmine Meguid zum ersten Mal einem grossen Publikum.

Gefährtin Jesu, Zeugin der Auferstehung, aber auch reuige Sünderin, die
schliesslich zur Gnade findet – Maria Magdalena ist eine der rätselhaftesten
Figuren der Bibel und immer wieder für kontroverse Diskussionen gut. Kein
Wunder, ist sie auch ein zentraler Charakter in «Jesus Christ
Superstar», dem (bisweilen ebenfalls umstrittenen) Erfolgsmusical von
Andrew Lloyd Webber und Tim Rice. Doch wie geht eine junge Sängerin an eine so
diffizile Rolle heran?

 

Sonntag: Yasmine Meguid – zwischen Ihnen und dem
Musical «Jesus Christ Superstar» bestand offenbar von Anfang an eine
besondere Verbindung …

Yasmine Meguid: Ja, das ist lustig … Am selben Tag, an dem das Musical
in New York seine Uraufführung erlebte, wurde ich geboren – und dies erst noch
ebenfalls in New York. Dafür wissen jetzt immer alle, wie alt ich bin …

Sonntag: Und jetzt schliesst sich gewissermassen der Kreis … Wie
genau kamen Sie zur Rolle der Maria Magdalena?

Meguid: Ich singe in verschiedenen Formationen – unter anderem in der
«Stefan Berger Gala-Band». Eines Abends hörte mich dort der Florian
Schneider [der in einigen Aufführungen von «Jesus Christ Superstar»
den Judas spielen wird, Red.] und fragte mich, ob ich auch Interesse an anderen
Projekten hätte – wie zum Beispiel an diesem Musical. Ich sagte mir: Wieso
nicht? Das ist eine tolle Rolle, und erst noch in Basel. Da hab ich es eben
probiert – und auf Anhieb geschafft …
Hauptsächlich singe ich aber in einer Band namens «Nyle» – der Name
erklärt sich damit, dass ich halb Ägypterin bin -, und wir machen eher
Rock-/Pop-Musik. Und da «Jesus Christ Superstar» eigentlich eine
Rock-Oper ist, liegt mir das sehr nahe.
Auf jeden Fall ist es etwas ganz Spezielles für mich, auf einer grossen Bühne
zu stehen, zusammen mit über 100 Mitwirkenden … Da spürt man schon ein
gewisses Kribbeln.

Sonntag: Die Rolle der Maria Magdalena – nur schon aufgrund des
biblischen Stoffes – ist doch sicher kaum ein Part wie jeder andere …

Meguid: Sicher – vor allem, weil wahrscheinlich sehr viele Leute diese
Geschichte bereits kennen. Die Maria Magdalena ist ja eine etwas rätselhafte
Person. Darum habe ich dann auch meine Schwiegermutter um Hilfe gebeten – sie
ist katholisch -, und sie hat ein wenig nachgeforscht und mir erzählt, dass in
der Bibel extrem wenig über Maria Magdalena steht. Dass sie am Schluss immer an
Jesus´ Seite war, aber dass sie auch häufig verwechselt wird mit Maria von
Bethanien.
Aber auch im Musical ist das ja vermischt. Auf jeden Fall ist es sicher sehr
spannend, diese Rolle zu verkörpern, von der doch Millionen von Leuten
vielleicht schon ihr eigenes Bild haben.

Sonntag: Wie möchten Sie die Rolle interpretieren?

Meguid: Ich denke, ich muss ein bisschen aufpassen – denn ich möchte
niemanden beleidigen. Die Maria Magdalena von «Jesus Christ Superstar»
ist vor allem sehr besorgt um Jesus. Sie will ihm helfen, sie liebt ihn – aber
auf eine andere Art, als sie sonst vielleicht Männer in ihrem Leben geliebt
hat. Sie ist daher sehr verwirrt, und das muss ich alles irgendwie verkörpern.

Sonntag: Wie haben Sie sich sonst noch auf die Rolle vorbereitet?

Meguid: Ein früheres Bandmitglied, Bruno Amatruda, der jetzt als Pfarrer
arbeitet, hat mir einige Tipps gegeben; ausserdem gibt es im Internet die Seite
www.magdalene.org mit interessanten Einträgen.
Im Weiteren habe ich mir die Verfilmung von 1973 sowie eine Aufnahme der
Aufführung von vor drei Jahren im Londoner West End angeschaut – leider habe
ich das Musical jedoch noch nie «live» gesehen. Ich habe mir aber die
CD von der Uraufführung angehört – ich finde es unglaublich, wie Yvonne
Elliman, die damals die Maria Magdalena gesungen hat, diese Verzweiflung in
ihrer Stimme hervorbringt. Das hat mich sehr inspiriert. Trotzdem werde ich
diese Aufnahmen nun nicht mehr anhören, weil ich nicht in Versuchung geraten
will, die anderen Sängerinnen nachzumachen.

Sonntag: Welchen Bezug haben Sie selbst zur Religion?

Meguid: Ich bin ja in New York aufgewachsen. In meiner Schule gab es
Religion nicht als Fach, so wie hier in der Schweiz. Die ganze Geschichte fehlt
mir daher irgendwie, auch meine Eltern haben mir das nie beigebracht. Wobei –
meine Mutter hat eines Tages plötzlich so was wie ein schlechtes Gewissen
gehabt und mir eine Kinderbibel mit vielen Bildern gekauft. Ich hatte damals
puertoricanische Babysitterinnen, die sehr katholisch waren, und die lasen mir
dann daraus vor.
Ich selbst glaube schon an eine höhere Macht, und ich bin auch hundertprozentig
sicher, dass unser Leben mit dem Tod nicht einfach zu Ende ist, sondern dass die
Seele weiterlebt. Aber sonst weiss ich nicht so recht …

Sonntag: Nun war ja «Jesus Christ Superstar» vor allem am
Anfang sehr umstritten. Haben Sie sich damit beschäftigt?

Meguid: Nein, aber ich bin sehr gespannt, ob es etwa Leute geben wird,
die vor dem Theater protestieren. Ich finde es immer gut, wenn sich Menschen
überhaupt mit etwas beschäftigen und eine eigene Meinung vertreten. Ich denke
jedoch, dass das Musical nicht so krass ist wie etwa Martin Scorseses Film
«The Last Temptation of Christ» – der war doch um einiges
provokativer.

Sonntag: Wie erklären Sie sich die anhaltende Popularität von
«Jesus Christ Superstar»?

Meguid: Das hat sicher einmal damit zu tun, dass die Geschichte, von der
es handelt, für uns alle immer eine Bedeutung haben wird. Zweitens ist die
Musik ganz speziell, und ich finde auch die Texte von Tim Rice einfach toll. Ich
hoffe, dass viele Leute kommen, die Englisch verstehen. Übrigens: Wir werden in
Basel auch über Ostern spielen – das passt wunderbar.

Sonntag: Sie sind eine sehr vielseitige Sängerin. Wo liegen Ihre
Vorlieben?

Meguid: Neben «Nyle» und der «Stefan Berger
Gala-Band» singe ich auch noch regelmässig in einem ehemaligen
Kantonsschulchor. Ich mache das sehr gerne, denn ich muss nicht dauernd die
Leadsängerin sein. Da singen wir verschiedene Sachen, sehr viel Klassisches,
aber zum Teil auch Gospel oder Popsongs.
Ansonsten singe ich vor allem gerne meine eigenen Lieder. Ich bin eben mit
Popmusik aufgewachsen – bei uns zuhause lief immer das Radio.

Sonntag: Sie singen seit bald 20 Jahren – und werden doch immer noch
als «hoffnungsvolles Gesangstalent» beschrieben …

Meguid: Da muss ich immer lachen. Ich glaube, das ist vor allem, weil man
von mir noch nicht sehr viel gehört hat. Und ich will auch nicht um jeden Preis
berühmt werden, sonst – seien wir ehrlich – wäre ich jeden Freitag und Samstag
ausgegangen und hätte versucht, mit allen Leuten in Kontakt zu kommen. Aber das
mach ich nicht. Ich singe einfach gern.

Sonntag: Was bedeutet Ihnen denn das Singen?

Meguid: Es ist sehr wichtig für mich – es ist das, was ich am besten
mache. Ich fühle mich immer besser, wenn ich singe; ich kann mich damit sehr
gut ausdrücken. Ich hab wirklich auch immer als Kind gesungen: Schon mit vier
Jahren besuchte ich eine so genannte «Music School», wo jedes Jahr
kleine Musicals aufgeführt wurden. Danach war ich im Chor meiner Primarschule,
ich war in einem Kirchenchor – ich habe einfach immer gesungen. Vielleicht weil
ich kein Instrument üben wollte …

Sonntag: Wo sehen Sie ihre Zukunft?

Meguid: Ich würde sehr gerne in der Schweiz bleiben. Ich musste ja mit
fünfzehn Jahren von Amerika in die Schweiz umziehen – vielleicht möchte ich
auch deswegen nicht wieder den Wohnort wechseln. Meine Familie lebt hier – meine
Mutter wohnt gleich nebenan, meine Schwester schräg gegenüber -; es ist
schön, wenn ich weiss, dass sie in der Nähe sind. Ich lebe sehr gern hier –
aber ich sage auch niemals nie.

Interview: Ruedi Haenni


Zur Person
Yasmine Meguid wurde am 12. Oktober 1971 in Brooklyn (New York) als Tochter
einer Schweizerin und eines Ägypters geboren. Ihre Gesangsausbildung begann sie
an der «LaGuardia High School of Music and the Arts» in New York,
bekannt aus dem Film «Fame». Mit fünfzehn Jahren, nach dem Tod ihres
Vaters, kam sie zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in die Schweiz, wo
sie sich gesanglich weiterbildete und bald als Background- und Studiosängerin
etablierte. Meguid singt unter anderem in der «Stefan Berger Gala
Band» und wirkte in diversen Musicals der «English Theatre Group of
Zug» mit. Sie ist Leadsängerin der Band «Nyle», für die sie
auch eigene Lieder schreibt. Nach «Jesus Christ Superstar» wird
Yasmine Meguid an der Seite von Florian Schneider und Mardi Byers in der
Produktion «Classic Cinema II» zu hören sein.

Sonntag
17. März 2002 | 00:00