Menschenwürde vor Forschungsfreiheit

Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) begrüsst in seiner Vernehmlassungsantwort das Anliegen des Gesetzgebers, die medizin- und biotechnologische Forschung am Menschen auf Bundesebene einheitlich, transparent und zukunftsweisend zu regeln. Zugleich kritisiert der Rat SEK eine Reihe schwerwiegender Mängel am Entwurf. Die Menschenwürde hat unbedingten Vorrang vor der Forschungsfreiheit.

Der Rat SEK teilt die Einschätzung von der grundlegenden Bedeutung und den grossen Herausforderungen medizinischer und biotechnologischer Forschung für die Gegenwart und Zukunft. Er unterstützt daher grundsätzlich das Anliegen des Gesetzgebers einer bundeseinheitlichen, transparenten, gerechten und menschenwürdigen Regelung der Forschung am Menschen in den Entwürfen zum Verfassungsartikel 118a BV und zum Humanforschungsgesetz (HFG). Die Vernehmlassungsvorlagen bleiben allerdings in wesentlichen Punkten hinter den Zielsetzungen zurück und verlangen grundlegende Korrekturen.

Unantastbarkeit der Menschenwürde

Die Perspektive des christlichen Menschenbildes stand für den SEK bei der Erarbeitung seiner Vernehmlassungsantwort im Vordergrund. Der Rat SEK wendet sich gegen jede Relativierung der unbedingten Vorrangstellung der Menschenwürde vor der Forschungsfreiheit. Die Würde des Menschen ist unantastbar, und die Einzigartigkeit der Person ist unbedingt zu achten. Der Versuch, den unaufgebbaren Kerngehalt der Menschenwürde zugunsten der Forschungsfreiheit zu relativieren, wird entschieden zurückgewiesen.

Unzulässige Überordnung von Forschungszielen

Eine Legalisierung von Zwang in der Forschung an nichturteilsfähigen Personen ist völlig inakzeptabel. Die Nichtanerkennung von Willensbekundungen Urteilsunfähiger in der therapeutischen Forschung schränkt die garantierten Grundrechte dieser Personengruppe in unannehmbarer Weise ein – und widerspricht im übrigen dem breiten nationalen und internationalen Konsens. Die Vernehmlassungsentwürfe beschneiden die Autonomie der und des Einzelnen mit dem Verweis auf übergeordnete Forschungsziele. Den Vorlagen wie den umfangreichen Erläuterungen liegen ein undifferenziertes Forschungsverständnis und ein unangemessen verkürzter Nutzenbegriff zugrunde.

Unabhängigkeit der Ethikkommissionen

Die Ethikkommissionen sind ein Ort der Reflexion und haben eine unabhängige Beratungsfunktion. Die im Gesetz zugeschriebene Kontrollfunktion im Sinne einer «Forschungspolizei» verkennt Sinn und Bedeutung dieser ethischen Institutionen. Faktisch wird die innovative, unabhängige Arbeit von Ethikkommissionen damit aufgehoben.

Der Rat SEK orientiert sich in seiner Vernehmlassungsantwort an den selbst gesetzten Zielen des Gesetzgebers, «die Würde und die Persönlichkeit des Menschen in der Forschung» zu schützen (Art. 1 HFG). Diese Zielsetzung wird in den vorliegenden Entwürfen in entscheidenden Punkten verfehlt und ist damit grundsätzlich in Frage gestellt. Der Rat SEK fordert den Gesetzgeber auf, den Verfassungsartikel 118a BV und das Humanforschungsgesetz im Sinne des von diesem selbst formulierten Anliegens grundlegend zu überarbeiten und zu korrigieren.

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Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz EKS
2. Juni 2006 | 12:16