LGBTI – Zum queeren Leib Christi werden

Medienmitteilung

61. Ökumenischer Dialog des Forums für offene Katholizität (FOK) – Die fünf Buchstaben LGBTI bezeichnen menschliche Lebensweisen: lesbisch, gay (schwul), bisexuell, transsexuell, intersexuell. Als Minoritäten wurde und werden die so veranlagten Menschen an den Rand gedrängt, weil sie «queer» zu den als normal empfundenen Lebensweisen stehen. Das Forum für offene Katholizität (FOK) offerierte am letzten Montag im RomeroHaus Luzern im Rahmen des diesjährigen Schwerpunktes «Religiös-gesellschaftliche Brennpunkte in der Schweiz» einen Dialog zur menschlichen Wirklichkeit LGBTI.

*Paul Jeannerat

Dass LGBTI weltweit ein brennendes Problem ist, zeigte sich darin, dass «Concilium», die renommierte «Internationale Zeitschrift für Theologie» (Grünewald) ihre Dezember-Nummer 2019 dem Thema «Queer theology -Zum queeren Leib Christi» widmete.

Die Aktualität des Themas ergab sich auch von der eidgenössischen Abstimmung vom kommenden 9. Februar über die Ergänzung des Strafartikels gegen Rassendiskriminierung durch den Tatbestand der sexuellen Orientierung. In den Medien meldete sich die eine Lesbenorganisation zugunsten der Verschärfung zu Wort («Gegen die Verrohung des Umganges») und eine andere dagegen («Wir benötigen keinen gesetzlichen Schutz. Wir wehren uns selbst»).

Referentin und Referent

Dem FOK-Team war es gelungen, zwei hervorragend geeignete Referen*innen für diesen 61. Dialog zu verpflichten:

Susanne Andrea Birke ist Erwachsenenbildnerin bei der römisch-katholischen Kirche Kanton Aargau, QiGong-Lehrerin, Atemtherapeutin. Seit 1992 out als frauen*liebend, Mitglied internationaler Gremien lesbischer Frauen.

Bruno Fluder, ist katholischer Theologe, Kirchenmusiker, Bibliodramaleiter. Er führt seit 2019 das Bildungshaus Gutenberg Balzers (Fürstentum Liechtenstein) und ist Pressesprecher von Adamim, des Vereins schwule Seelsorger.

Beide berichteten, wie sie die queere Lebensform von Jugend an am eigenen Leib erfuhren, beim Studium der katholischen Theologie die verschiedenen Positionen der kirchlichen Lehre kennen lernten, dann ihr Wissen durch internationale Kontakte vertieften und heute in verantwortungsvoller Position in Kirche und Gesellschaft mithelfen, «den queeren Leib Christi aufzubauen».

Susanne Andrea Birke wies darauf hin, dass heutzutage nicht mehr nur Lesben und Schwule im Gespräch sind, sondern immer mehr auch die Minderheiten unter den Queeren: bisexuelle, transsexuelle und weitere «Spielarten».

Die Bezeichnung «queer» wird für alle die verschiedenen sexuellen Orientierungen gemeinsam angewandt. Das Wort ist die Umdeutung der ursprünglich abwertenden Bezeichnung («Querkopf») mit positivem Inhalt und so die Beleidigung «umgekehrt».

Queer leben in der Kirche

Was bedeutet es für Menschen, die nicht der dominanten sexuellen Norm entsprechen und in der römisch-katholischen Kirche sind und bleiben wollen, obwohl diese immer wieder als homophobe Institution von sich reden macht? Welchen Einschränkungen sehen sich LGBTI-Menschen ausgesetzt? In engagierten Voten beantworteten die Referierenden diese Fragen.

Als Bruno Fluder nach langjähriger Tätigkeit als Seelsorger in einem Gottesdienst informierte, dass er offen in einer schwulen Partnerschaft leben wolle, erhielt er nur wenige Reaktionen, doch alle positiv: ein Zeichen der Zustimmung oder der Ablehnung? Als er später eine neue Stelle in der Arbeitswelt suchte, war er als Theologe nicht gefragt: weil ein Theologiestudium als firmeninterne Ausbildung wertlos ist oder wegen seinem Zivilstand?

In konservativen, meist freikirchlichen Kreisen wird die Auffassung vertreten, dass die Bibel die queeren Lebensweisen als gott-widrig ablehnt. Andererseits sind Theolog*innen, die zur befreiungstheologischen Strömung gehören, der Meinung, dass das Christentum nicht per se gegen die queeren Lebenswesen gerichtet ist. Die biblischen Zitate, die zur Verteufelung von LBGTI führen, sind aus dem Zusammenhang gerissen und zudem historisch bedingt.

Susanne Andrea Birke hat einen tiefen Einblick in die Wirklichkeit der katholischen Kirche erworben: «Offen Schwule und als LBGTI-Lebende sind ein marginalisierter Teil der Institution, und gleichzeitig geht diese Marginalisierung von Männern aus, die zumindest nach aussen vorgeben müssen, cishetero zu sein, es aber vielfach nicht sind.»

Auch Bruno Fluder hat als Schwuler einen schweren Stand: «Es ist eine Tatsache, dass ein bedeutender Teil der (männlichen, priesterlichen) Entscheidungsträger in der katholischen Kirche homosexuell ist. Die Mehrheit von ihnen bekämpft in sich selbst das Selbstbild von einem homosexuellen Mann. Bei vielen führt dies zu einer ungesunden Homophobie auch andern gegenüber.»

Zum queeren Leib Christi werden

Beide riefen die LGBTI-Mitmenschen auf, nicht nur in der Kirche zu bleiben, sondern dort auch aufzutreten: «Es gibt viele Charismen, und die menschliche Diversität macht es nötig, dass wir alle in unser Miteinander-Kirche-sein einbeziehen, wenn das Reich G*ttes Wirklichkeit werden soll. Dazu gehören auch spezifische Charismen von LGBTI-Mitmenschen», ermahnte Susanne A. Birke. Und Bruno Fluder wurde von exakter: «Queere Kirchenmitglieder verfügen über das Potential, die Kirche auf Jesu Praxis der Parteilichkeit für benachteiligte Minderheiten hinzuweisen. Würde die Kirche diesen ihr zugespielten Ball annehmen, könnte sie an revolutionärer Wesentlichkeit in der Gesellschaft von heute gewinnen.»

Offene Frage

Als Berichterstatter hätte ich gerne gewusst, wie die beiden Referierenden am 9.Februar 2020 abstimmen werden; sie sagten es aber nicht und wurden auch nicht danach gefragt.

*Paul Jeannerat ist katholischer Theologe und Mitglied der FOK-Kerngruppe.

Forum Offene Katholizität
22. Januar 2020 | 15:19