Kathedrale St. Gallen: Neugestaltungs-Wettbewerb Altarraum – internationale Teilnehmer

Mit internationaler Beteiligung

St. Gallen. Seit mehr als 40 Jahren ist der Altarraum der Kathedrale ein «Dauerprovisorium». Bistum und katholischer Konfessionsteil möchten die längst fällige Neugestaltung bis zum grossen Gallus-Jubiläum 2012 verwirklichen. Namhafte Architekten und Künstler sind zum Gestaltungswettbewerb eingeladen. Das Katholische Kollegium hat einen Projektierungskredit von 200 000 Franken gesprochen.

Die Kathedrale St. Gallen ist nicht «nur» eine Touristenattraktion mit weltweiter Ausstrahlung, sie ist vor allem Bischofs- und Bistumskirche sowie Pfarrkirche der Dompfarrei. Im Altarraum wird die Eucharistie als Höhepunkt der katholischen Liturgie gefeiert. Der Wettbewerbsperimeter umfasst den Bereich zwischen Chorgitter und Bänken. Das Chorgitter bleibt erhalten, neu gestaltet werden Altar, Ambo, Osterkerze, Taufort, Bischofssitz und Priestersitze. Die Kirchenbänke bleiben in der gewohnten Anordnung.

Anspruchsvolle Aufgabe
Die Aufgabe ist anspruchsvoll, die Projektierung entsprechend aufwändig. Das Projekt muss liturgischen und denkmalpflegerischen Ansprüchen gerecht werden. Zur Unterstützung wurde der Schweizerische St. Lukasgesellschaft für Kunst und Kirche (SSL) ein Beratungsmandat übertragen. Administrationsrat und Kathedralkommission klärten die Bedürfnisse aus kirchlicher Sicht ab, fragten nach Bedürfnissen und Vorgaben von Bischof, Bistumsleitung und Residenzkapitel zu dieser Frage, diskutierten über das Vorgehen und setzten das Beurteilungsgremium unter dem Vorsitz von Hans Wüst, Administrationsratspräsident, ein. Den Bischof vertritt Domdekan Guido Scherrer, Dompfarrer Josef Raschle die Dompfarrei. Dazu kommen verschiedene externe Berater (siehe Kasten). Als Vorstandsmitglied ist Marcel Ferrier, Architekt, St .Gallen, für die Begleitung durch die SSL zuständig. Für den Altarraum wurde kein offener Wettbewerb ausgeschrieben, sondern Architekten und Künstler im Einladungsverfahren ausgewählt. Das Beurteilungsgremium wird sich im November mit ihren Vorschlägen befassen.

Lange Geschichte
Provisorium und Neugestaltung des Altarraumes haben eine lange Geschichte. Zeitgleich mit dem zweiten Vatikanischen Konzil wurde von 1962 bis 1967 eine umfassende Innenrenovation der Kathedrale vorgenommen. Das Konzil beschloss in diesen Jahren tiefgreifende Veränderungen für die Liturgie. Der Altar sollte fortan nicht mehr an einer Wand, sondern mitten im Kirchenraum stehen. Seither zelebrieren die Priester nicht mehr mit dem Rücken zu den Gläubigen, sondern dem Volk zugewandt, in Landessprache statt in Latein. In allen Kirchen wurden sogenannte Volksaltäre eingesetzt, in der Kathedrale wurde vor dem Chorgitter provisorisch ein Podium für die Zelebranten mit Altar und Ambo aus Nussbaumholz aufgestellt. Das Provisorium hat sich so gut bewährt, dass erst 23 Jahre nach der ersten Errichtung, 1990, die Bemühungen für ein Definitivum aufgenommen wurden. In diese Zeit fiel zusätzlich die Aussenrenovation der Kathedrale, was die Altarfrage wieder etwas in den Hintergrund rücken liess. Das Projekt ruhte, erst im Zusammenhang mit der Krediterteilung für die Sanierung der Kirchenbänke im November 2007 wurde die Frage nach der Weiterbearbeitung erneut aufgeworfen. Nun soll es umgesetzt werden, wenn alles gut geht bis zum Jubiläumsjahr des Heiligen Gallus 2012.

Das Beurteilungsgremium
Das Beurteilungsgremium setzt sich wie folgt zusammen:
Bauherrschaft: Hans Wüst, Administrationsratspräsident (Präsident); Thomas Franck, Verwaltungsdirektor, Josef Raschle, Dompfarrer (Vertreter des Bischofs); Max Imfeld, Kirchenverwaltungsrat, St. Gallen; Guido Scherrer, Präsident der Diözesanen Liturgiekommission, Domdekan, Regens; Martin Schregenberger, Architekt, Mitglied des Katholischen Kollegiums.
Fachexperten: Jacqueline Burckhardt, Dr. phil. Kunsthistorikerin, Zürich; Heinz Tesar, Architekt, Mag.Arch., Wien; Daniele Marques , Architekt ETH SIA BSA, Luzern; Josef Grünenfelder, Dr. phil. Kunsthistoriker, Cham; Pierre Hatz, Architekt HTL, Leiter Denkmalpflege Kanton St. Gallen und Marcel Ferrier, Architekt BSA SIA, St. Gallen (Moderation).

Wettbewerbsteilnehmer

Architekten
Caruso St John Architects, London
Architekten der mittleren Generation aus London. Ihr Interesse gilt «der emotionalen Dimension des Bauens». Die Bauten schaffen vielschichtige Stimmungen, die sich aus einer Vielfalt an historischen Referenzen speisen. In den letzten Jahren gewannen sie mehrere Wettbewerbe auch in der Schweiz. (Institut gta, ETHZ)

Francisco Aires Mateus, Lissabon
Architekt der mittleren Generation aus Lissabon. Einige hauptsächliche in Portugal ausgeführten Bauten haben mehrfach internationale Auszeichnungen erhalten. Seine Architektur ist auf vielfältige Weise mit dem Kontext verknüpft, und sucht eine «privilegierte Beziehung» zum Ort.
Die Architekten lehren an der Accademia di Architettura in Mendrisio. (Institut gta, ETHZ)

Martin Scharfetter, Innsbruck
Architekt der jüngeren Generation aus Innsbruck, studierte in Wien und erhielt verschiedene Auszeichnungen. Lehrtätigkeit in Innsbruck. Der Umgang mit Materialien, ihre Sinnträchtigkeit in Bezug auf die Kulturen und das Arbeiten im Bestand zeichnen seine Arbeiten aus. (nextroom)

Daniel Cavelti, St.Gallen
Jungarchitekt aus St.Gallen, hat mehrere kleinere Bauvorhaben realisiert, die Beachtung gefunden haben. (Ein Haus von… Fachhochschule n/w)

Künstler
Pipilotti Rist, Zürich
Künstlerin der mittleren Generation, in Grabs SG geboren. Rist lebt in Zürich und sieht die Aufgabe der Kunst darin, «zur Evolution beizutragen, den Geist zu ermutigen, einen distanzierten Blick auf soziale Veränderungen zu garantieren, positive Energien zu beschwören, die Sinne und die Sinnlichkeit zu fördern, den Verstand und den Instinkt zu versöhnen, Möglichkeiten auszuloten…» (Universität Zürich)

Not Vital, Sent GR
Künstler der älteren Generation. Not Vital hat neben Sent verschiedene Wirkungsorte, wo er abwechslungsweise wohnt und in seinen Ateliers arbeitet. Seine Werke sind Bilder, Zeichnungen, Graphiken Photoarbeiten sowie Plastiken und Assemblagen mit verschiedenen Materialien. In Sent gestaltet er gegenwärtig eine Parkanlage. (Gemeinde Sent)

Jorge Pardo Sculpture, Los Angeles
Künstler der mittleren Generation. Der auf Kuba geborene und seit seiner Kindheit in den USA lebende Künstler setzt sich in seinen Arbeiten mit den Errungenschaften der Designgeschichte und der Architektur auseinander. Viele Arbeiten sind mit ihrer zum Teil aussergewöhnlichen Farbenpracht, ihrer komplexen Formenvielfalt und ihrer sehr sinnlichen Materialität auf eine ästhetische Verführung angelegt.

Bistum St. Gallen
6. Juli 2010 | 09:02