Flirt-App fürs «Spiritus Sanctus»?

Der christliche Religionsunterricht am Kollegium «Spiritus Sanctus» wird zusammengestrichen, weil man im Zeitalter der Digitalisierung mehr Schulstunden für die Informatik benötigt. Das war kürzlich in dieser Zeitung zu lesen.

Die Lektüre hat mich zurückkatapultiert in meine Kollegiumszeit der späten 70er-Jahre. Damals wurde im Religionsunterricht noch gegen die Mischehe zwischen Katholiken und Protestanten gepredigt. Ungläubig und kopfschüttelnd haben wir die Worte zur Kenntnis genommen und uns gefragt, ob wir uns spätabends im Ausgang bei den jungen Damen an der Bartheke als Erstes nach der Religionszugehörigkeit erkundigen sollten. Da ich mich ohnehin zu den etwas gehemmteren Jungmännern gezählt habe, blieb die entsprechende Abfrage aus. Und das war gut so.

Vierzig Jahre und zwei Ehen später verursacht mir die katholische Kirche immer noch Kopfschütteln. Der Umgang der katholischen Obrigkeit mit den wieder verheirateten Geschiedenen ist da noch das kleinste Übel. Vielmehr ärgere ich mich über die grundsätzliche Haltung des Papstes und der meisten Bischöfe zum Thema Homosexualität, Zölibat und Missbrauchsvorwürfen. Der Ruf nach Ehrlichkeit (eigentlich doch eine Grundtugend der Glaubenslehre) prallt an den Gemäuern der Kirchenobrigkeit ab. Diese traurige Tatsache wurde auch an der Anti-Missbrauchskonferenz vergangenes Wochenende in Rom bestätigt: Die vom Papst zu Beginn geforderten konkreten Massnahmen blieben letztlich leere Versprechungen. Eine grundsätzliche Aufarbeitung dieses düsteren Kapitels sieht anders aus. Die Haltung der Kirche hinterlässt ihre Spuren in der Gesellschaft. Die Kritik nimmt zu, die Zahl der Kirchenaustritte auch. Auch im Wallis, wie Recherchen dieser Zeitung erst kürzlich gezeigt haben. Innert sieben Jahren ist die Zahl der Konfessionslosen im Wallis von elf auf 15 Prozent der Wohnbevölkerung angestiegen. Rund 70 Prozent der Wohnbevölkerung im Wallis bekennen sich gemäss Angaben des Bundesamts für Statistik noch zum römisch-katholischen Glauben. Sieben Jahre zuvor waren es noch 75 Prozent. Einen kleinen Rückgang verzeichnete übrigens auch die evangelisch-reformierte Kirche. Zugenommen haben jüdische, islamische und andere Glaubensgemeinschaften. Es ist dies ein Spiegelbild der auch aufgrund der Zuwanderung verstärkten gesellschaftlichen Durchmischung.

Im Vergleich zur übrigen Schweiz sind dies noch immer hohe Werte. Das lässt sich mitunter auch damit erklären, dass sich ein Austrittswilliger im Wallis auf seiner Wohngemeinde melden muss. Nur so wird er von der Kirchensteuer befreit. Eine Schwelle, die für viele unangenehm hoch ist. Voller werden die Kirchen deswegen aber auch nicht. Wenn etwas in der Gesellschaft schiefl äuft, wird gerne der Ruf nach der Schule laut, welche die Jugend doch für das eine oder andere Thema stärker sensibilisieren müsste. So betrachtet wäre die Streichung von Religionsstunden ein Rückschritt. Statt den Religionsunterricht von einst bräuchte es dann ein Fach Ethik, in dem nicht nur die Schöpfungsbilder und Dogmen aus römisch-katholischer Optik erläutert werden. Vielmehr müsste es auch darum gehen, dass es wert ist, zu dieser Schöpfung Sorge zu tragen – auch in Ehrlichkeit, Toleranz und Respekt gegenüber Anders- und Nichtgläubigen.

Und wer weiss: Vielleicht liessen sich sogar die beiden Fächer Informatik und Ethik noch miteinander verknüpfen. Wie wärs mit einem im «Spiritus Sanctus» entwickelten Flirt-App für eine gehemmte, aber religionsinteressierte Smartphone- Community?

 

 

Walliser Bote
2. März 2019 | 09:05